Supermacht

Als Supermacht bezeichnet man einen Staat, der globale Entwicklungen aufgrund seiner überragenden Fähigkeiten und Potentiale beeinflussen und bestimmen kann bzw. dies auch tut. Einfluss besteht weltweit auf Staaten und die Beziehungen zwischen Staaten.

Die „Macht“ wird dabei häufig in Soft und Hard Power unterteilt. Eine Supermacht muss über beides ausreichend verfügen. Hard Power ist dabei im Wesentlichen die militärische Macht, also insbesondere die Fähigkeit zur weltweiten militärischen Machtprojektion, was heute wiederum den Besitz strategischer Nuklearwaffen voraussetzt. Eine Supermacht hat in der Regel den Status einer Seemacht. Soft Power beschreibt dagegen nicht-militärische Mittel, also Einflussmöglichkeiten, die sich aus dem wirtschaftlichen, industriellen, technologischen, finanziellen und kulturellen Potential dieses Staates ergeben. Im Falle der USA schließt dies die Verbreitung von amerikanischer Musik und amerikanischen Filmen, die weltweite Präsenz und Bekanntheit von Marken wie Coca-Cola, McDonald’s und Nike, die führende Rolle einflussreicher Technologieunternehmen wie Apple, Google und Microsoft, die dollarbasierte Weltwirtschaft und die Attraktivität als Einwanderungs- und Reiseziel ein.

Antrieb politischen Handelns ist eine entwickelte Staatsphilosophie oder auch Ideologie, deren Ziele durch die Gesellschaft getragen, kulturell verinnerlicht und als Einflusspotential im Weltmaßstab wirken (Weltmacht).

21. Jahrhundert

Nach den Vereinigten Staaten, der aktuellen Supermacht, gelten die Europäische Union,[1][2][3] die Volksrepublik China,[4][5] Indien[6] und Russland[7] als potenzielle Supermächte des 21. Jahrhunderts, auch wenn die Europäische Union ein Staatenverbund und kein eigentlicher Staat ist.

Die Europäische Union spielte zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine geopolitisch untergeordnete Rolle mit geringen Einfluss auf das Geschehen außerhalb ihrer Grenzen.[8] Diese beschränkte sich vor allem auf die Osterweiterung. Dabei betrug der Verteidigungsetat aller Mitgliedsstaaten 2018 282 Milliarden Euro, was einem Fünftel aller weltweiten Ausgaben entspricht,[9] und der Staatenverbund stellt den größten Binnenmarkt dar.[10]

Geschichte

In der Antike gab es zwei wesentlich überragende Reiche: zunächst das Perserreich, welches sich von Südosteuropa über Ägypten bis nach Indien erstreckte,[11] sowie das Römische Reich, dessen Machtbereich im Mittelmeerraum als Oikumene bekannt war.[12] Letzteres bedeutete „die gesamte bewohnte Welt“ unter der Herrschaft der römischen Kaiser, welche Frieden (Pax Romana), wirtschaftliches Wohlergehen und einheitliche Kultur garantierten.[13] Im Mittelalter hatte das Fränkische Reich ein ähnliches Selbstverständnis und eine vergleichbare Bedeutung in Europa. Die Suche nach dem Seeweg nach Indien und die Entdeckung Amerikas 1492 erbrachten ein neues Verständnis des geographischen Begriffes „Welt“. Im Zuge der europäischen Kolonialisierung erlangten das Britische Weltreich und das Französische Kaiserreich eine führende Stellung. Die aufgeführten Staaten waren in ihrer Zeit entsprechend der heute geläufigen Definition aber eher Großmächte.

Vertreter waren nach dem Zweiten Weltkrieg die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion. Mit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 verblieben die USA als einzige Supermacht.

Die USA rückten 1917 in ihrer Außenpolitik von ihrem bis dahin praktizierten Isolationismus ab. Ab 1917 war es ihr Bestreben, die eigenen liberalen politischen Werte international zu verbreiten („bürgerlicher Internationalismus“). Am 6. April 1917 erklärten die USA dem Deutschen Reich den Krieg.

Präsident Woodrow Wilson war der Erste, der 1918 durch das 14-Punkte-Programm die Verbreitung der Demokratie, basierend auf einem liberal-kapitalistischen System, zum politischen Ziel erhob. Dieses außenpolitische Vorgehen setzte sich dann bei der Staatsbildung der Bundesrepublik Deutschland ab 1945, der US-amerikanischen Nahostpolitik und an vielen anderen Orten fort.

Der Begriff „Supermacht“ wird meist im Hinblick auf die militärische Potenz gebraucht, gelegentlich auch mit der wirtschaftlichen Bedeutung assoziiert. Militärische Macht stimmt nicht unbedingt mit der ökonomischen Potenz überein. Diese Diskrepanz zwischen Wirtschaft und Militär sorgt meist nach einer relativ kurzen Zeit der Stärke für den Bedeutungsrückgang des Staates. Ein Beispiel hierfür ist die Sowjetunion; sie konnte beim Wettrüsten im Kalten Krieg immer weniger mithalten und zerfiel nach einer Agonie in den 1990er-Jahren ebenso wie kurz zuvor der Ostblock.

Begriffsabgrenzungen

Die herausragende Rolle, Bedeutung und Potentiale der Großmächte USA und der UdSSR im Verlauf des Zweiten Weltkrieges, während des Konfliktes zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt nach dem Krieg und der Besitz strategischer Nuklearstreitkräfte führte zur Einführung des Begriffes Supermacht für diese Großmächte.

Solange nur die USA und die UdSSR Atombomben hatten, wurden die Begriffe Supermacht und Atommacht synonym verwendet.

Nach 1990 und dem Zerfall der Sowjetunion als führender Macht des Warschauer Pakts und des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe wurde für die USA gelegentlich der Begriff Hypermacht (im Sinne von „einzige Supermacht“) verwendet; der Begriff etablierte sich aber nicht und wird durch den neuerlichen Aufstieg Chinas als zweite Supermacht obsolet.

Wortverwendung

„Die Zerbrechlichkeit der Supermacht vorzuführen heißt, die Zerbrechlichkeit der Weltordnung vorzuführen.“

Giovanna Borradori: Philosophie in Zeiten des Terrors[14]

Siehe auch

Literatur

  • Christian Hacke: Zur Weltmacht verdammt. Die amerikanische Außenpolitik von J. F. Kennedy bis G. W. Bush. 2. Auflage, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2003.
  • Paul M. Kennedy: The Rise and Fall of the Great Powers. New York 1987.
  • Paul M. Kennedy: Aufstieg und Verfall der britischen Seemacht. Bonn 1978.
  • Halford Mackinder: Democratic Ideals and Reality. New York 1962.
  • Alfred Thayer Mahan: Der Einfluß der Seemacht auf die Geschichte. Herford 1967.
  • Friedrich Ruge: Politik und Strategie. Frankfurt am Main 1967.
  • Immanuel Wallerstein: Absturz oder Sinkflug des Adlers? Der Niedergang der amerikanischen Macht. VSA-Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-89965-057-3.
  • Zbigniew Brzeziński: Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2004, ISBN 978-3-596-14358-0.
Wiktionary: Supermacht – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Mark Leonard: Europe: the new superpower. Centre for European Reform, 18. Februar 2005, abgerufen am 21. Dezember 2022 (englisch).
  2. David Zechmeister: Supermacht Europäische Union: Ode an die Freude? In: Europavisionen. Nr. 1, 2004, S. 16 f. (forum-recht-online.de).
  3. Peter Zweifel (Interviewer), Otfried Nassauer: Die EU und China als künftige Supermächte? In: Basler Zeitung. 25. November 2000, abgerufen am 21. Dezember 2022.
  4. Wolfgang Hirn: China dreht auf. In: manager magazin. 5. November 2004, abgerufen am 21. Dezember 2022.
  5. Peter Gruber: China: Die gelbe Supermacht. In: Focus. Nr. 10, 13. November 2013, ISSN 0943-7576 (focus.de).
  6. Michael Braun Alexander: Auf dem Sprung zur Supermacht: 7 Gründe, warum Indien schon bald China einholen könnte. In: Business Insider. 28. November 2020, abgerufen am 21. Dezember 2022 (deutsch).
  7. Wird Russland wieder zweite Supermacht? In: Deutschlandfunk. 25. September 2003, abgerufen am 21. Dezember 2022.
  8. Max Bergmann: Gestern Dornröschen, morgen Supermacht. In: Journal für Internationale Politik und Gesellschaft. Friedrich-Ebert-Stiftung, 28. August 2020, abgerufen am 21. Dezember 2022 (deutsch).
  9. Emma Beswick: Wie viel Geld geben Länder in Europa für Verteidigung aus? In: euronews. 2. Mai 2018, abgerufen am 21. Dezember 2022.
  10. Für offenen und fairen Welthandel. Europäische Union, abgerufen am 21. Dezember 2022.
  11. Persien – Supermacht der Antike, Gottesstaat der Mullahs. In: Spiegel Geschichte. Nr. 2. Der SPIEGEL, 30. März 2010, ZDB-ID 2379431-8.
  12. Hans Wagner: Römisches Reich war die erste Supermacht der Geschichte. In: Eurasisches Magazin. 11. April 2017, abgerufen am 21. Dezember 2022.
  13. Adrian Keith Goldsworthy: How Rome Fell: Death of a Superpower. Yale University Press, 2009, ISBN 978-0-300-13719-4 (englisch).
  14. Giovanna Borradori: Philosophie in Zeiten des Terrors. Philo, Berlin/Wien 2004, ISBN 3-86572-358-6, S. 194.
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