Sungaya inexpectata
Sungaya inexpectata ist eine Art aus der Ordnung der Gespenstschrecken (Phasmatodea) und die Typusart der Gattung Sungaya.[1] Als deutschen Trivialname findet man auch bezugnehmend auf den Artzusatz Unerwartete Stabschrecke,[2] während der Erstbeschreiber den Namen Sungay-Gespenstschrecke verwendet, welcher sich wiederum auf den Fundort der Art bezieht.[3] Im englischen Sprachraum ist „Sungay Stick Insect“ oder auch „Sunny Stick Insect“ zu finden.[4]
Sungaya inexpectata | ||||||||||||
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Sungaya inexpectata, älteres Weibchen des als Sungay „Highland“ bezeichneten Zuchtstammes | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Sungaya inexpectata | ||||||||||||
Zompro, 1996 |
Entdeckung und Vorkommen
Am 8. September 1995 sammelte Oliver Zompro im Baranggay Sungay in der zur Provinz Batangas gehörigen Stadtgemeinde Talisay auf der philippinischen Insel Luzón eine Nymphe dieser bis dahin unbekannten Art. Diese starb wenig später bei einer Fehlhäutung während des Transports. Am 7. Oktober 1995 fand er fast an der gleichen Stelle ein adultes Weibchen. Zompro fand 1999 nahe dem Taal-See weitere Weibchen auf Farnen.[5]
Merkmale
Die Weibchen erreichen eine Länge von 80 bis 85 Millimetern und ein Gewicht von etwa fünf Gramm. Am Hinterleibsende befindet sich der für Arten der Obriminae typische schnabelförmige sekundäre Legestachel, der den eigentlichen Ovipositor umgibt.[6] Die Nymphen und die frisch gehäuteten Imagines der seit 1995 bekannten Form sind sehr hell (beige). Mit zunehmendem Alter werden die erwachsenen Weibchen immer dunkler. Auffällig ist die Stachelkrone am Hinterkopf und die vier flachen Stacheln an Meso- und Metanotum. Diese bei hellen Weibchen häufig von einem braunen Rautenmuster umgeben.[7]
Fortpflanzung
Die bisher bekannten Vertreter der Art vermehren sich durch Parthenogenese. Die ersten Nachkommen des Wildfangtiers legten die amphorenförmigen, mit etwa 4,5 Millimeter Länge und 3,7 Millimeter Breite verhältnismäßig großen Eier noch alle zwei Wochen in Gelegen von 10 bis 12 Stück im Erdreich ab. Spätere Generation legten ihre Eier einzeln in den Boden ab. Nach 4 bis 6 Monaten schlüpfen die Nymphen,[8] welche beim Schlupf schon 17 Millimeter lang sind. Frisch geschlüpften Nymphen sind, wie auch die frisch adulten Weibchen sehr hell sind gefärbt. Die gesamte Entwicklung zur Imago dauert etwa drei bis vier Monate.[3][6][7]
Systematik
Zompro beschrieb die Art und Gattung 1996 anhand der 1995 gefundenen beiden Tiere. Das adulte Weibchen wurde als Holotypus der Art, die kurz zuvor gesammelte weibliche Nymphe und zwei Nachzuchttiere des Holotypus als Paratypen deklariert.[9] Alle vier sind in seiner Sammlung hinterlegt, die nach seinen Angaben dem Zoologisches Museum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel angegliedert ist,[10] obwohl diese dort nicht verfügbar ist. In einer späteren Veröffentlichung bei der Zompro Herausgeber ist, wird angekündigt, dass der Holotypus dem Museum of Natural History der Universität der Philippinen in Los Baños übergeben werden soll.[11] Der Gattungsname bezieht sich auf den Fundort des Holotypus. Der Artname leitet sich vom lateinischen „inexpectatus“ ab und bedeutet „unerwartet“.[4][9] In ihren auf Genanalysen basierenden Untersuchungen zur Klärung der Phylogenie der Heteropterygidae wurde von Sarah Bank et al. gezeigt, dass neben der ursprünglich beschriebenen Art, dort als Sungaya inexpectata (Sungay „Highland“) bezeichnet, noch zwei bis drei weitere Arten existieren. Zwei von diesen, sowie eine von Bank et al. nicht untersuchte wurden im Jahr 2023 beschrieben. Die aus Benguet stammende Sungaya ibaloi ist demnach die Schwesterart von Sungaya inexpectata.[1][12]
Terrarienhaltung
Das von Zompro gefundene adulte Weibchen legte lediglich vier Eier, bevor es verstarb. Aus diesen schlüpften drei Nymphen, von denen zwei zu adulten Weibchen heranwuchsen. Jahrelang ging der gesamte in Kultur befindliche Bestand der Gattung auf diese Weibchen zurück. Der erste Zuchtstamm wird als „Highland“, Sungay „Highland“ oder ‚Bantangas‘ bezeichnet und wird nur noch sehr selten gehalten. Alle seit 2008 eingeführten sexuellen, meist als „Lowland“ bezeichneten Stämme gehören nicht zu Sungaya inexpectata.[3][5][13]
Die Tiere benötigen Temperaturen von 22 bis 27 °C und eine Luftfeuchtigkeit zwischen 60 und 80 Prozent. Sie sitzen tagsüber versteckt an Pflanzenteilen, die vorzugsweise ähnliche Farben haben, wie die Tiere selbst und sind erst nachts bei der Nahrungsaufnahme zu beobachten. Gefressen werden neben Guavenblättern (Psidium) auch leicht zu beschaffende Brombeerblätter, Hasel, Rose, Wildrose, Rotbuche, Hainbuche, Spitzahorn, Efeu, Hartriegel, Esche sowie zahlreiche andere Laubblätter und sogar Gurke, wodurch sie als Terrarienpfleglinge sehr unkompliziert sind. Die Futterpflanzen werden als belaubte Zweige in enghalsigen Vasen in das Terrarium gestellt und etwa alle zwei Tage mit Wasser besprüht (Blumensprüher). Zur Eiablage sollte eine gut fünf Zentimeter hohe Schicht eines leicht feuchten Humus-Sand-Gemisches den Boden bedecken. Die Eier können im Boden belassen werden oder zur besseren Kontrolle in einen einfachen Inkubator überführt werden.[3][7]
Die Art gehörte nach ihrer Einführung zu den am häufigsten gehaltenen Gespenstschrecken und wird von der Phasmid Study Group unter der PSG-Nummer 195 geführt.[14]
Einzelnachweise
- Sarah Bank, Thomas R. Buckley, Thies H. Büscher, Joachim Bresseel, Jérôme Constant, Mayk de Haan, Daniel Dittmar, Holger Dräger, Rafhia S. Kahar, Albert Kang, Bruno Kneubühler, Shelley Langton-Myers & Sven Bradler: Reconstructing the nonadaptive radiation of an ancient lineage of ground-dwelling stick insects (Phasmatodea: Heteropterygidae), Systematic Entomology (2021), DOI:10.1111/syen.12472
- Alexander Esch: Stabschrecken, Gespenstschrecken, Wandelnde Blätter: Erfolgreiche Haltung von Phasmiden. Natur und Tier-Verlag, Münster 2012, S. 116–117, ISBN 978-3-86659-221-6
- Oliver Zompro: Grundwissen Pasmiden – Biologie – Haltung – Zucht. Sungaya Verlag, Berlin 2012, S. 71, ISBN 978-3-943592-00-9
- Paul D. Brock, Thies H. Büscher & Edward W. Baker: Phasmida Species File Online. Version 5.0/5.0 (abgerufen am 17. März 2021)
- Oliver Zompro: Zur Entdeckung von Sungaya inexpectata Zompro, 1996, Arthropoda 16 (2) August 2008, S. 41 Sungaya-Verlag Kiel. ISSN 0943-7274
- Christoph Seiler, Sven Bradler & Rainer Koch: Phasmiden – Pflege und Zucht von Gespenstschrecken, Stabschrecken und Wandelnden Blättern im Terrarium – bede, Ruhmannsfelden 2000, ISBN 3-933646-89-8
- Holger Dräger: Gespenstschrecken der Familie Heteropterygidae Kirby, 1896 (Phasmatodea) – ein Überblick über bisher gehaltene Arten, Teil 4: Die Unterfamilie Obriminae Brunner von Wattenwyl, 1893, Tribus Obrimini Brunner von Wattenwyl, 1893, Arthropoda Popularis, 3(1) 2013, S. 1–12, ISSN 1866-5896
- Oliver Zompro: Gespenstschrecken der Familie Heteropterygidae im Terrarium – Reptilia – Terraristik Fachmagazin (Nr. 24, August/September 2000) Natur und Tier, Münster 2000
- Oliver Zompro: Bemerkungen über philippinische Obrimiden, mit einer Neubeschreibung (Phasmatodea: Heteropterygidae: Obriminae). Entomologische Zeitschrift (1996) 106 (11): S. 450–456.
- Oliver Zompro: Revision of the genera of the Areolatae, including the status of Timema and Agathemera (Insecta, Phasmatodea), Goecke & Evers, Keltern-Weiler 2004, S. 20 & 217, ISBN 978-3-931374-39-6
- Ireneo L. Lit, Jr. & Orlando L. Eusebio: First description of the male of Sungaya inexpectata Zompro, 1996 (Phasmatodea: Heteropterygidae: Obrimini), Arthropoda 16 (2) August 2008, S. 38–40, Sungaya-Verlag Kiel. ISSN 0943-7274
- Frank H. Hennemann: A taxonomic review, including new species and new records of Philippine Obrimini stick insects (Insecta: Phasmatodea: Heteropterygidae: Obriminae), Faunitaxys, 2023, 11 (71), S. 81–95 & 126–131.
- Sungaya auf der Phasmatodeaseite von Frank H. Hennemann, Oskar V. Conle, Bruno Kneubühler und Pablo Valero
- Phasmid Study Group Culture List (englisch)