Stielporlinge

Die Stielporlinge (Polyporus) sind eine ehemals große, aktuell sehr kleine, aus drei Arten bestehende Porlingsgattung aus der Familie der Stielporlingsverwandten (Polyporaceae).

Stielporlinge

Sklerotien-Stielporling (Polyporus tuberaster)

Systematik
Unterabteilung: Agaricomycotina
Klasse: Agaricomycetes
Unterklasse: unsichere Stellung (incertae sedis)
Ordnung: Stielporlingsartige (Polyporales)
Familie: Stielporlingsverwandte (Polyporaceae)
Gattung: Stielporlinge
Wissenschaftlicher Name
Polyporus
P. Micheli ex Adans. : Fr.

Die Typusart ist der Sklerotien-Stielporling (Polyporus tuberaster).

Merkmale

Makroskopie

Die Arten der Gattung Polyporus (aus dem Griechischen "mit vielen Poren") bilden zentral bis lateral gestielte oder mehrfach baumartig verzweigt-gestielte, einjährige, holzbewohnende Fruchtkörper mit hutunterseits röhrenförmigem Hymenophor aus.[1] Im Fall des Eichhasen (Polyporus umbellatus) sind die Fruchtkörper scheinbar bodenbewohnend, da sie einem glatt berindeten Sklerotium entspringen, welches in Symbiose mit Hallimasch-Arten an Baumwurzeln gebildet wird.[2][3] Die Trama der Fruchtkörper ist frisch fleischig und wird beim Trocknen spröde.[1] Der Stiel ist bei allen Arten hell gefärbt und wird auch im Alter nicht dunkel oder schwarz.[1] Das Sporenpulver ist weiß bis cremefarben. Die Typusart (Polyporus tuberaster) und der Eichhase bilden sogenannte Sklerotien oder „Pilzsteine“ unterschiedlicher Gestalt aus.

Mikroskopie

Das Hyphensystem erscheint monomitisch, da die generativen Hyphen den Fruchtkörper dominieren.[1] Es treten jedoch auch Skelett- und Bindehyphen auf, die bis zu 17 μm breit angeschwollen sein können, sodass das Hyphensystem trimitisch ist.[1] Die Sporen sind zylindrisch geformt.[1]

Ökologie

Die Arten der Gattung leben als Saprobionten auf diversen Hölzern oder an Wurzeln und erzeugen im befallenen Holz eine Weißfäule. Der Eichhase lebt in Symbiose mit Hallimascharten wie z. B. Armillaria gallica oder Armillaria cepistipes, deren Anwesenheit für die Bildung von Sklerotien benötigt wird.[3]

Arten

Die Gattung umfasst weltweit 1–3 Arten[4][1][5]. In Europa kommen damit 1 bis 2 Taxa – je nach Gattungsauffassung – vor.

Stielporlinge (Polyporus) in Europa
Deutscher Name Wissenschaftlicher Name Autorenzitat
Sklerotien- oder Klumpen-Stielporling Polyporus tuberaster (Jacquin 1797 : Fries 1821) Fries 1821
Eichhase oder Ästiger Büschel-Porling Polyporus umbellatus (Persoon 1801 : Fries 1821) Fries 1821

Systematik

Früher wurden viele stielporlingsartige Pilze zu Polyporus gestellt. Genetische Studien zeigen jedoch, dass die Gattung polyphyletisch ist.[4][1][5] Mittlerweile werden die meisten ehemaligen Arten den Gattungen Cerioporus, Cladomeris, Favolus, Lentinus, Neofavolus und Picipes zugeordnet.[5] Damit reduziert sich die ehemals große Gattung je nach Auffassung, auf weltweit nur noch ein[4][5] bis drei[1] Arten. Neben dem Gattungstypus, dem Sklerotien-Porling (Polyporus tuberaster), sind dies der Eichhase (Polyporus umbellatus) und der in China vorkommende Polyporus hapalopus.

Der Eichhase fällt durch den verzweigten Stiel und seine Mehrhütigkeit auf[6], weshalb er bereits vielen Gattungen zugeordnet wurde, so z. B. Cladodendron, Cladomeris, Dendropolyporus, Grifola, Merisma oder Polypilus.[7] Ob er nun wieder in der Gattung Polyporus steht oder doch als Cladomeris umbellata eine monotypische Gattung bildet, hängt davon ab, wie eng die Gattung Polyporus s. str. aufgefasst wird.

innerhalb der Stielporlingsverwandten (Polyporaceae) ist die Gattung der Stielporlinge im engen Sinn am nächsten mit den Gattungen wie z. B. Cerioporus, Cladomeris (wenn man sie als eigenständig anerkennt), Datronia, Datroniella, Echinochaete, Favolus, Melanoderma, Neodatronia, Neofavolus, Picipes und Pseudofavolus verwandt.[1][5][8] Die Stammbäume der aktuellen Studien widersprechen sich jedoch in Bezug auf die genauen Verzweigungen, so z. B. hinsichtlich der Position von Favolus und Neofavolus.[1][5][8]

Aufgrund der zwar konvergent entstandenen, äußerlich ähnlichen Fruchtkörperform wird die Gattung Polyporus entgegen der molekularphylogenetischen Erkenntnisse teils auch weiterhin in mehr oder weniger breiter Auffassung morphologisch definiert. So halten beispielsweise Bao-Kai Cui et al. in ihrer Zusammenstellung der Stielporlingsartigen Chinas an einem auch gemäß der eigenen Stammbäume polyphyletischen, breiten Gattungskonzept fest.[8]

Verschiedene Beispiele von stielporlingsartigen Fruchtkörpern aus verschiedenen Gattungen.

Bedeutung

Der Eichhase und der Sklerotienporling sind essbar und teilweise geschätzte Speisepilze. Die Sklerotien des Eichhasen werden seit über 2000 Jahren in China als Diuretikum verwendet.[9] Auch die Fruchtkörper werden zu medizinischen Zwecken eingesetzt.[9]

Quellen

Literatur

  • Heinrich Dörfelt, Gottfried Jetschke (Hrsg.): Wörterbuch der Mycologie. 2. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin 2001, ISBN 3-8274-0920-9.
  • Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Nikol, Hamburg 2005, ISBN 3-937872-16-7 (Nachdruck von 1996).
  • Hermann Jahn: Mitteleuropäische Porlinge (Polyporaceae s.lato) und ihr Vorkommen in Westfalen. In: Westfälische Pilzbriefe. Band IV. Heiligenkirchen/ Detmold 1963 (online verfügbar).
  • German Josef Krieglsteiner (Hrsg.): Die Großpilze Baden-Württembergs. Band 1: Allgemeiner Teil. Ständerpilze: Gallert-, Rinden-, Stachel- und Porenpilze. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3528-0.

Einzelnachweise

  1. Jun-Liang Zhou, Lin Zhu, Hong Chen, Bao-Kai Cui: Taxonomy and Phylogeny of Polyporus Group Melanopus (Polyporales, Basidiomycota) from China. In: PLOS ONE. Band 11, Nr. 8, 3. August 2016, ISSN 1932-6203, S. 1–23, doi:10.1371/journal.pone.0159495.
  2. S. X. Guo, J. T. Xu: Nutrient source of sclerotia of Grifola umbellata and its relationship to Armillaria mellea. In: Acta Bot. Sin. Band 34, 1991, S. 576–580.
  3. Gen Kikuchi, Hiroki Yamaji: Identification of Armillaria species associated with Polyporus umbellatus using ITS sequences of nuclear ribosomal DNA. In: Mycoscience. Band 51, Nr. 5, September 2010, S. 366–372, doi:10.1007/S10267-010-0053-8.
  4. Kozue Sotome, Tsutomu Hattori, Yuko Ota, Chaiwat To-anun, Baharuddin Salleh: Phylogenetic relationships of Polyporus and morphologically allied genera. In: Mycologia. Band 100, Nr. 4, Juli 2008, ISSN 0027-5514, S. 603–615, doi:10.3852/07-191R.
  5. Ivan V. Zmitrovich, Alexander E. Kovalenko: Lentinoid and Polyporoid Fungi, Two Generic Conglomerates Containing Important Medicinal Mushrooms in Molecular Perspective. In: International Journal of Medicinal Mushrooms. Band 18, Nr. 1, 2016, ISSN 1521-9437, S. 23–38, doi:10.1615/IntJMedMushrooms.v18.i1.40.
  6. Leif Ryvarden, Robert L. Gilbertson: European Polypores. Part 2: Meripilus – Tyromyces. In: Synopsis Fungorum. Band 7. Fungiflora, Oslo 1993, ISBN 978-82-90724-13-4.
  7. Cladomeris umbellata. Abgerufen am 25. April 2020.
  8. Bao-Kai Cui, Hai-Jiao Li, Xing Ji, Jun-Liang Zhou, Jie Song: Species diversity, taxonomy and phylogeny of Polyporaceae (Basidiomycota) in China. In: Fungal Diversity. Band 97, Nr. 1, Juli 2019, ISSN 1560-2745, S. 137–392, doi:10.1007/s13225-019-00427-4.
  9. Yong-Mei Xing, Li-Chun Zhang, Han-Qiao Liang, Jing Lv, Chao Song: Sclerotial Formation of Polyporus umbellatus by Low Temperature Treatment under Artificial Conditions. In: PLoS ONE. Band 8, Nr. 2, 20. Februar 2013, ISSN 1932-6203, S. 1–14, doi:10.1371/journal.pone.0056190.
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