Steiner-Inellipse

In der Geometrie ist die Steiner-Inellipse[1] eines Dreiecks die eindeutig bestimmte Ellipse, die einem Dreieck einbeschrieben ist und die Seiten dieses Dreiecks in ihren Mittelpunkten berührt. Die Steiner-Inellipse ist ein Beispiel für eine Inellipse. Auch der Inkreis und die Mandart-Inellipse sind Inellipsen; sie berühren die Dreiecksseiten aber im Allgemeinen nicht in den Mittelpunkten – außer wenn es sich um ein gleichseitiges Dreieck handelt. Die Steiner-Inellipse wird nach Dörrie[2] Jakob Steiner zugeschrieben. Der Eindeutigkeitsnachweis wurde von Kalman geführt.[3]

Die Steiner-Inellipse
Die Steiner-Inellipse

Die Steiner-Inellipse ist das Gegenstück zur Steiner-Umellipse (oft nur, so wie im Folgenden, Steiner-Ellipse genannt), die durch die Ecken des gegebenen Dreiecks geht und den Dreiecksschwerpunkt als Mittelpunkt hat.[4]

Definition und Eigenschaften

Definition

Sind die Mittelpunkte der Seiten eines Dreiecks , so heißt eine Ellipse durch , die die Seiten des Dreiecks dort berührt, Steiner-Inellipse.

Steiner-Inellipse (blau) mit Steiner-Ellipse (rot)
Steiner-Inellipse (blau) und Steiner-Ellipse (rot) für ein gleichseitiges Dreieck

Eigenschaften:
Für ein beliebiges Dreieck mit den Seitenmittelpunkten gilt:
a) Es gibt genau eine Steiner-Inellipse.
b) Der Mittelpunkt der Steiner-Inellipse ist der gemeinsame Schwerpunkt der Dreiecke und . Damit ist die Steiner-Inellipse des Dreiecks die Steiner-Ellipse des Dreiecks .
c) Die Steiner-Inellipse des Dreiecks (im Bild blau) geht durch eine zentrische Streckung mit dem Faktor aus der Steiner-Ellipse (rot) hervor. Beide Ellipsen besitzen also dieselbe Exzentrizität (sind ähnlich).
d) Der Flächeninhalt der Steiner-Inellipse ergibt sich durch Multiplikation der Dreiecksfläche mit . Der Flächeninhalt beträgt ein Viertel des Inhalts der Steiner-Ellipse.
e) Die Steiner-Inellipse eines Dreiecks hat den größten Flächeninhalt unter allen einbeschriebenen Ellipsen des Dreiecks.

Beweis

Da ein beliebiges Dreieck durch eine affine Abbildung aus einem gleichseitigen Dreieck hervorgeht, eine affine Abbildung Mittelpunkte von Strecken und den Schwerpunkt eines Dreiecks auf die Mittelpunkte der Bildstrecken und den Schwerpunkt des Bilddreiecks sowie eine Ellipse und deren Mittelpunkt auf eine Ellipse und deren Mittelpunkt abbildet, genügt es, die Eigenschaften an einem gleichseitigen Dreieck nachzuweisen.
Zu a): Der Inkreis eines gleichseitigen Dreiecks berührt die Seiten in deren Mittelpunkten. Dies folgt entweder aus Symmetrieüberlegungen oder durch Nachrechnen. Es gibt keinen weiteren Kegelschnitt, der die Dreiecksseiten in den Seitenmittelpunkten berührt. Denn ein Kegelschnitt ist schon durch 5 Bestimmungsstücke (Punkte, Tangenten) eindeutig bestimmt.
Zu b): Nachrechnen
Zu c) Der Umkreis geht durch die Streckung mit dem Faktor am gemeinsamen Mittelpunkt in den Inkreis über. Die Exzentrizität ist eine Invariante bei einer Punktstreckung (Ähnlichkeitsabbildung).
Zu d): Verhältnisse von Flächen bleiben bei einer affinen Abbildung invariant.
Zu e): Siehe Inellipse oder Literatur.[5]: S. 146

Parameterdarstellung und Halbachsen

Parameterdarstellung:

  • Da die Steiner-Inellipse eines Dreiecks durch eine zentrisch Streckung mit dem Faktor aus der Steiner-Ellipse hervorgeht, erhält man die Parameterdarstellung (siehe Steiner-Ellipse):
  • Die 4 Scheitel der Ellipse sind
wobei sich aus
mit
ergibt.

Halbachsen:

  • Mit den Abkürzungen
ergibt sich für die beiden Halbachsen :
  • Für die lineare Exzentrizität der Steiner-Inellipse ergibt sich daraus:

Trilineare Gleichung, baryzentrische Gleichung

Die Gleichung der Steiner-Inellipse in trilinearen Koordinaten für ein Dreieck mit den Seitenlängen ist:[1]

und in baryzentrischen Koordinaten

Alternative Berechnung der Halbachsen

Die Längen der großen und kleinen Halbachse für ein Dreieck mit Seitenlängen sind[1]

mit der Abkürzung

Eine Anwendung

Stellt man ein Dreieck in der komplexen Zahlenebene dar, das heißt, die Koordinaten seiner Eckpunkte entsprechen komplexen Zahlen, dann gilt für jedes Polynom dritten Grades, das diese Eckpunkte als Nullstellen besitzt, dass die Nullstellen seiner Ableitung die Brennpunkte der Steiner-Inellipse sind (Satz von Marden).[3]

Konstruktionen

Für die Darstellung der Steiner-Inellipse genügen fünf generierte Punkte. Das beliebig gewählte Dreieck kann alternativ drei ungleich lange Seiten oder nur zwei gleiche Schenkel haben. In einem gleichseitigen Dreieck, das nach der modernen Definition ein Spezialfall des gleichschenkligen Dreiecks ist, ergeben die gleichen fünf Punkte den Inkreis des Dreiecks.

Die Steiner-Inellipse ist eine algebraische Kurve zweiten Grades. Mit Ausnahme des Kreises können solche Kurven nicht mit Zirkel und Lineal konstruiert werden. Es gibt aber für jede der beiden, im Folgenden beschriebenen, konstruktiven Methoden zur Ermittlung der entsprechenden fünf Ellipsenpunkte, Hilfsmittel, mit denen die Ellipsenlinie approximiert bzw. exakt gezeichnet werden kann.

Fünf Ellipsenpunkte

Bild 1: Steiner-Inellipse
mit fünf konstruktiv bestimmten Punkten

Im gewählten Dreieck (Bild 1) mit drei ungleich langen Seiten werden die drei Seitenhalbierenden mit ihren Schnittpunkten und konstruiert. Sie treffen sich im Schwerpunkt der späteren Ellipse. Es folgt das Festlegen der Halbmesser und durch Verdoppelung der Strecken bzw. auf den Seitenhalbierenden innerhalb des Dreiecks. Die gesuchten fünf Ellipsenpunkte sind somit und . Für das abschließende Zeichnen der Ellipsenlinie, je nachdem, ob die Konstruktion im Computer erfolgte oder mit Zirkel und Lineal erstellt wurde, finden folgende Hilfsmittel Verwendung:

Haupt- und Nebenachse sowie Brennpunkte

Um in ein Dreieck mit drei ungleich langen Seiten das Zeichnen einer exakten Ellipsenlinie mithilfe eines mechanischen Hilfsmittels zu ermöglichen, bedarf es einer bzw. zweier der folgenden Gegebenheiten:

  • Haupt- und Nebenachse der Ellipse mit deren Scheitelpunkten erforderlich bei Verwendung eines Ellipsographen
  • Brennpunkte der Ellipse und zusätzlich erforderlich bei Verwendung eines Ellipsenzirkels

Beide Voraussetzungen sind konstruierbar, wenn zuerst in dem gewählten Dreieck mindestens zwei sogenannte konjugierte Halbmesser der Inellipse, ähnlich der Konstruktion von konjugierten Halbmessern für die Steiner-Ellipse, bestimmt sind.

Vorgehensweise

Im gewählten Dreieck (Bild 2) mit drei ungleich langen Seiten werden zwei Seitenhalbierende mit ihren Schnittpunkten und konstruiert. Sie treffen sich im Schwerpunkt der späteren Ellipse. Anschließend wird der erste relevante Halbmesser durch Verdoppelung der Strecke innerhalb des Dreiecks bestimmt. Es folgt die Scherung des Dreiecks in ein gleichschenkliges und flächengleiches Dreieck mit (gleicher) Höhe

Bild 2: Steiner-Inellipse
Links: Dreieck mit drei ungleich langen Seiten, mittig der Schwerpunkt Haupt- und Nebenachse mit den Scheitelpunkten mithilfe der Rytz–Konstruktion (Punkte und ) bestimmt.
Rechts: Das durch Scherung erzeugte gleichschenklige Dreieck mit den konjugierten Halbmessern und gemäß der Ellipsen-Konstruktion von de La Hire.

Es geht weiter im gleichschenkligen Dreieck mit der Seitenhalbierenden die im Schwerpunkt die Strecke schneidet, und der Verbindung mit Anschließend wird, gemäß der Ellipsen-Konstruktion von de La Hire,[6] ein Kreis mit dem Radius um mit Schnittpunkt auf gezogen und eine Parallele zu von durch gezeichnet. Der darauf folgende Kreis mit dem Radius um schneidet in Die nächste Parallele zu ab bis zum Kreis, der durch verläuft, ergibt den Schnittpunkt der jetzt mit verbunden wird. Eine Parallele zu durch und durch die Strecke ergibt darauf den Schnittpunkt der mithilfe des Kreises mit Radius um auf die Schwerpunktachse projiziert, mit den zweiten relevanten Halbmesser liefert. Somit sind die zwei konjugierten Halbmesser und ermittelt.

Die Weiterführung der Konstruktion erfolgt im gewählten Dreieck. Zuerst wird der soeben gefundene Halbmesser auf der Schwerpunktachse ab mit Schnittpunkt abgetragen. Die hiermit ermöglichte Konstruktion der Haupt- und Nebenachse der Ellipse wird anhand der sechs bildlich dargestellten Schritte der Rytzschen Achsenkonstruktion erstellt.[7] Danach werden die beiden Brennpunkte und bestimmt, indem man den Halbmesser in den Zirkel nimmt, damit in den Scheitelpunkt oder wie dargestellt in einsticht und die Abstände und erzeugt.

Abschließend wird mithilfe eines Ellipsographen oder eines Ellipsenzirkels die Ellipsenlinie (exakt) eingezeichnet.

Alternative Konstruktion des zweiten Halbmessers

Bild 3: Steiner-Inellipse,
alternative Konstruktion des Halbmessers mithilfe des rechtwinkligen Dreiecks

Zuerst erfolgt die Berechnung des Halbmessers Als Ansatz dient die allgemeine Formel für die Höhe des gleichseitigen Dreiecks mit der Seite

Die Hälfte dieses gleichseitigen Dreiecks ist ein rechtwinkliges Dreieck mit der (gleichen) Höhe:

Setzt man und   ein, ergibt dies das rechtwinklige Dreieck (s. Bild 3) mit der Höhe

umgeformt gilt

Es geht weiter mit der Konstruktion des rechtwinkligen Dreiecks

Sie beginnt mit dem Einzeichnen einer Senkrechten (Orthogonalen) zu ab dem Schwerpunkt und dem Übertragen der Strecke auf die Senkrechte; es ergibt die Strecke Nun folgt die Konstruktion der Winkelweite am Winkelscheitel indem man die Strecke in halbiert, einen Kreisbogen mit Radius um den Punkt und einen weiteren Kreisbogen mit derselben Zirkelöffnung um den Punkt zieht; dabei ergibt sich der Schnittpunkt Durch das Einzeichnen einer Halbgeraden, ab durch , wird am Winkelscheitel der Winkel generiert. Die abschließende Parallele zur Strecke ab dem Schwerpunkt erzeugt den Schnittpunkt auf der Halbgeraden und liefert somit den gesuchten Halbmesser

Da dieses rechtwinklige Dreieck konstruktiv einfach darstellbar ist, besteht auch die Möglichkeit, auf diese Art und Weise den zweiten konjugierten Halbmesser zu finden.

Einzelnachweise

  1. Eric W. Weisstein: Steiner Inellipse. In: MathWorld (englisch).
  2. H. Dörrie: 100 Great Problems of Elementary Mathematics, Their History and Solution. (Übers. D. Antin), Dover, New York 1965, Problem 98.
  3. Dan Kalman: An elementary proof of Marden’s theorem. In: American Mathematical Monthly. Band 115, Nr. 4, 2008, S. 330–338 (englisch, An Elementary Proof of Marden’s Theorem [PDF; 190 kB; abgerufen am 17. August 2020]).
  4. Eric W. Weisstein: Steiner Circumellipse. In: MathWorld (englisch).
  5. G. D. Chakerian: Mathematical plums. In: Ross Honsberger (Hrsg.): A distorted view of geometry (= The Dolciani Mathematical Expositions). Band 4. Mathematical Association of America, Washington, D.C. 1979, S. 135–136 und 145–146 (englisch).
  6. Karl Strubecker: Vorlesungen über Darstellende Geometrie. Hrsg.: Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1967, 11. Ellipsenkonstruktionen, 2. Konstruktion einer Ellipse mit Hilfe ihrer beiden Scheitelkreise (Fig. 25), S. 25–27 (harvard.edu [PDF; abgerufen am 17. August 2020]).
  7. Karl Strubecker: Vorlesungen über Darstellende Geometrie. Hrsg.: Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1967, 11. Ellipsenkonstruktionen, Rytzschen Achsenkonstruktion (Fig. 29), S. 29–30 (harvard.edu [PDF; abgerufen am 17. August 2020]).
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