Stammheimer Missale

Das Stammheimer Missale ist ein kostbares Messbuch, das um 1160–1170 von dem Priester Henricus de Middel für das Kloster St. Michael in Hildesheim gestiftet wurde. Es trägt seinen Namen nach seinem früheren Aufbewahrungsort, dem Schloss Stammheim.

Stammheimer Missale: Der heilige Bernward, ihm zu Füßen der Stifter Henricus

Neben den Texten für die Messe ist darin reicher Buchschmuck enthalten, darunter eine ganzseitige Miniatur, die den Stifter des Buchs im Mönchsgewand zu Füßen des heiligen Bischofs Bernward von Hildesheim zeigt, dem wiederum oben ein herabkommenden Engel ein Kreuz reicht. Bernward hält Spruchbänder mit dem Wortlaut: „hoc c(on)tra signu(m) nullu(m) stet p(er)ic(u)l(um)“ und „Benedic d(omi)ne domum istam“, de Middel ein Band mit dem Vers „Memor esto congregationis tu(ae)“ aus der Psalmantiphon „Salvum fac“ (73, 2). Die Miniatur stellt Bernward als heiligen Bischof dar, als der er bereits vor seiner Kanonisation (1192) seit 1150 in St. Michael verehrt wurde. Der Engel mit dem Kreuz bezieht sich auf die in der Vita Bernwardi überlieferte Wunderlegende über die Gründungsreliquie von St. Michael, nach welcher die letzte der vier Kreuzpartikel, für die Bernward das Bernwardskreuz als Reliquiar anfertigte, von Engelshand hinzugefügt wurde.[1]

Zusammen mit seiner Schwesterhandschrift, dem Ratmann-Sakramentar, ist das Stammheimer Missale ein frühes liturgisches Zeugnis für die Verehrung Bernwards in seiner Klosterstiftung.

Das Stammheimer Missale wurde 1997 vom J. Paul Getty Museum in Los Angeles aus Privatbesitz der Familie von Fürstenberg erworben.[2] Ein innen im Vordeckel angebrachtes karolingisches Elfenbeindiptychon, das 1904 ausgelöst und in die Staatlichen Museen zu Berlin verbracht wurde, ist dort 1945 bis auf geringe Reste verbrannt. Das vollständige Elfenbein, dessen Programm einmalig von der Entstehung und Verbreitung des römischen Gesanges spricht und zugleich ein Zeugnis vom Realitätscharakter der karolingischen Kunst abgibt[3] ist in einer Fotoaufnahme dokumentiert.[4] Es zeigt Alkuin, der sein in der Schule von Tours redigiertes Sakramentar dem hl. Martin überreicht, und stammt vermutlich unmittelbar aus dem Besitz Bischof Bernwards.[5]

Literatur

  • Elizabeth C. Teviotdale, Gerhard Lutz, Christina Sciacca, Nancy K. Turner, Kristen Collins: Das Stammheimer Missale. Ms. 64, The J. Paul Getty Museum. Kommentar zur Faksimile-Edition. Luzern: Quaternio Verlag Luzern 2020. ISBN 978-3-905924-68-8.
  • Elizabeth C. Teviotdale: The Stammheim Missal. J. Paul Getty Museum, Los Angeles 2001, ISBN 978-0-89236-615-6 (PDF).
  • Anne Karen Menke: The Ratmann sacramentary and the Stammheim missal. Two romanesque manuscripts from St. Michael’s at Hildesheim. Dissertation Yale University, 1987.
Commons: Stammheimer Missale – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Bernhard Gallistl: In Faciem Angelici Templi. Kultgeschichtliche Bemerkungen zu Inschrift und ursprünglicher Platzierung der Bernwardstür. In: Jahrbuch für Geschichte und Kunst im Bistum Hildesheim 75/76, 2007/2008. S. 89–90.
  2. Jochen Bepler: Rez. Elizabeth C. Teviotdale, The Stammheim Missal, Los Angeles 2001. In: Kirchliches Buch- und Bibliothekswesen. Jahrbuch 2, 2001, S. 219–220 (kritisch und mit Einzelheiten zum Verkauf).
  3. Anton von Euw: Karl der Große als Förderer des Kirchengesanges. In: Jahrbuch der Berliner Museen, Band 42, 2000, S. 81–98, hier S. 81.
  4. Ch. Wulf: Die Inschriften der Stadt Hildesheim. Reichert, Wiesbaden 2003 (= Die Deutschen Inschriften 58). Teil 1. Taf. III; Teil 2. S. 178–181.
  5. 1000 Jahre St. Michael in Hildesheim, Petersberg 2012 (= Schriften des Hornemann Instituts, Band 14), S. 140, Anm. 54.
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