St. Marien (Neuss)
St. Marien ist die größte römisch-katholische Kirchengemeinde in Neuss. Die Kirche liegt südlich des Neusser Hauptbahnhofes am Marienkirchplatz. Zur Kirchengemeinde gehören die beiden Filialkirchen St. Kamillus und St. Barbara.
Geschichte
Die Pfarrei St. Marien wurde 1896 gegründet. 1902 erfolgte die Fertigstellung der Marienkirche, die heute mit den Fenstern von Emil Wachter eines der bedeutendsten Bauwerke der Stadt Neuss ist.[1] Das Kirchengebäude steht ebenso wie das Mariendenkmal Marienborn auf dem Kirchenvorplatz unter Neusser Denkmalschutz.
Erste Jahre
Bereits Ende der 1880er-Jahre wurde über die Gründung einer zweiten Pfarre in Neuss nachgedacht, da die Quirinuspfarre mit über 20.000 Seelen zu groß geworden war. Erste Schritte wurden nach der Visitation des Erzbischofs Philippus Krementz eingeleitet. Nachdem 1893 ein Grundstück erworben wurde, begannen 1895 Planungen einer vorübergehenden Notkirche. Im folgenden Jahr wurde die Pfarrei St. Marien gegründet, die unter Leitung von Pfarrer Josef Drammer im Jahr 1897 ihre Notkirche bezog, die von Julius Busch entworfen wurde.
Kirchenbau
1900 wurde der Grundstein für die Pfarrkirche gelegt, ebenfalls nach einem Entwurf des Neusser Regierungsbaumeisters Julius Busch. Am Osterdienstag 1902 wurde die bis auf den Turmhelm fertiggestellte Kirche von Erzbischof Hubertus Simar geweiht. Die Marienkirche sollte in ihrer neugotischen Bauweise einen Gegensatz zur bisher einzigen Kirche in Neuss (St. Quirin) darstellen. Der Kirchturm überragte mit fast 80 m die ganze Stadt und war der höchste Kirchturm in der Region. Auch das Fassungsvermögen von 3.000 Personen war ein Alleinstellungsmerkmal.
1906 wurde auf dem neu gestalteten Kirchenvorplatz das Marienborn Denkmal eingeweiht. Die Gemeinde, der mittlerweile über 10.000 Menschen angehörten, wuchs in den folgenden Jahrzehnten und errichtete 1907 ein neues Pfarrheim, das „Marienhaus“, welches zu Teilen aus der ehemaligen Notkirche besteht. In ihrer Hochzeit gehörten der Gemeinde über 13.000 Mitglieder an.
1936 wurde die Marienkirche an einigen Stellen umgebaut. Die nördliche Turmkapelle wurde zu einer Taufkapelle umgestaltet und der gesamte Altarbereich höher gelegt, da der bisherige Altarraum nur um drei Stufen erhöht war und viele Gemeindemitglieder in gut besuchten Messen den Priester nicht sehen konnten. Gleichzeitig wurde auch eine Krypta unter dem erhöhten Altar angelegt. Zum Weihnachtsfest war diese Umbaumaßnahme abgeschlossen.
Zweiter Weltkrieg
Im Jahr 1942 wurde bei zwei Bombenangriffen der Innenraum der Kirche stark beschädigt. Deswegen feierte die Gemeinde ab diesem Tag ihre Gottesdienste im Saal des „Marienhauses“, was sich jedoch als schwierig erwies, da die NSDAP diesen Saal für ihre parteipolitischen Veranstaltungen nutzen wollte. Am 23. April 1944 wurde die Marienkirche noch weiter beschädigt. Eine Brandbombe traf den Turmhelm, der daraufhin vollständig ausbrannte. Seine Reste stürzten auf das Mittelschiff, so dass dessen Dachstuhl ebenfalls den Flammen zum Opfer fiel. So standen nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch die Außenmauern des Gebäudes. Neben den großen Schäden an der Kirche wurden auch alle Gewänder und das gesamte Pfarrarchiv zerstört.
Nachkriegsjahre
Nach dem Krieg gelang man es dank Spenden und vieler freiwilliger Helfer, zwischen 1947 und 1950 die Kirche wieder aufzubauen. Allerdings mussten die Dächer, besonders das Dach des Kirchturmes, die Decken im Inneren und der Chorraum wesentlich schlichter und einfacher gestaltet werden. Der Wiederaufbau wurde vom Kölner Dombaumeister Willy Weyres geleitet. Im Rahmen des Wiederaufbaus entwickelte er den gotischen Kirchenbau weiter und gab ihm basilikaähnliche Züge. Dazu verlegte er den Altarraum vom Chorraum unter die Vierung und reduzierte die Höhe des Chorraumes um die Hälfte. Darüber hinaus reduzierte er die Anzahl der Fenster. Die Ausstattung der Kirche war 1950 noch sehr dürftig, da fast alle wertvollen Ausstattungsgegenstände zerstört waren. In den folgenden Jahren wurden immer mehr Kunstwerke angeschafft und der Kirchenraum weiterentwickelt. Die Chorfenster von Walter Benner (1953), eine vierte Glocke (1958), der Einbau einer Klais-Orgel (1958) und das Freskogemälde an den Chorarkaden von Peter Hecker (1959) seien nur beispielhaft genannt.
1960er-Jahre bis Ende des 20. Jahrhunderts
In den 1970er-Jahren wurde das neue „Marienhaus“ eröffnet, in dem eine sozialpädagogische Schule[2] untergebracht ist. 1976 wurden die Seitennischen von Paul Weigmann neu verglast und die Kirche bekam durch den Kirchenmaler Dorn ihre heutige Ausmalung. Später wurden in zwei weiteren Etappen (1985/1992) die übrigen Fenster von Emil Wachter verglast. 1981 wurde der Altarraum und der Boden ein letztes Mal umgestaltet und erhielt seine jetzige Form. Der Glockenturm bekam eine fünfte Glocke und über der Vierung wurde die Sterbeglocke installiert. Im Jahr 1996 feierte die Pfarrgemeinde St. Marien ihr 100-jähriges Jubiläum. 1997 ging der Kamillianerorden, der bisher im Pfarrgebiet ansässig war. Dadurch wurde die Klosterkirche St. Kamillus zur ersten Filialkirche der Pfarre.
Seit 2000
2002 wurde der 100. Jahrestag der Konsekration der Kirche begangen.[3] Im gleichen Jahr wurde bereits zum wiederholten Mal eine Diakonenweihe des Erzbistums Köln in St. Marien gefeiert.[4][5] Mit Beginn des Jahres 2004 wurde die Pfarre St. Barbara in die Gemeinde St. Marien eingegliedert. Seitdem zählen zur Gemeinde etwa 8.000 Katholiken, womit St. Marien die größte Gemeinde in Neuss ist. Sie gehörte zum Dekanat Neuss-Nord / Stadtdekanat Neuss. Zum 1. Januar 2008 wurde die Kirchengemeinde St. Marien mit den Gemeinden St. Quirin, Hl. Dreikönige und St. Pius X. zum Seelsorgebereich „Neuss-Innenstadt“ zusammengelegt. Später wurde sie dem neuen Dekanat Neuss/Kaarst im Kreisdekanat Rhein-Kreis Neuss zugeordnet. Seit 2010 präsentieren sich die vier Kirchengemeinden gemeinsam als Pfarreiengemeinschaft „Neuss-Mitte“ und bieten einige Veranstaltungen gemeinsam an (z. B. eine Messe im RennbahnPark, Kinderbibeltag). Einen gemeinsamen Pfarrgemeinderat gibt es seit November 2009.
Folgende prominente Geistliche stammen aus der Gemeinde St. Marien oder waren bereits dort tätig:
- Klaus Jansen († 2008), Abt des Zisterzienserklosters Engelszell in Oberösterreich
- Walter Jansen († 2004), Weihbischof des Erzbistums Köln
- Rainer Maria Woelki, Erzbischof des Erzbistums Köln
- Dominik Schwaderlapp, Weihbischof des Erzbistums Köln[6]
- Guido Assmann, seit September 2020 Dompropst in Köln
Ausstattung
Fenster
Drei verschiedene Künstler haben die Fenster entworfen. Walter Benner begann 1953 mit der Verglasung der wiederaufgebauten Marienkirche. Er schuf sieben Chorfenster für den Hochchor und die Marienkapelle. 1975 wurden sieben weitere Fenster durch Paul Weigmann farbig verglast. Diese befinden sich in den Seitenschiffnischen auf Erdgeschosshöhe. Zwischen 1985 und 1992 wurde durch 21 Fenster des Künstlers Emil Wachter die Neuverglasung abgeschlossen. Wachters Fenster im Querschiff der Kirche stellen im Norden die Schöpfungsgeschichte und im Süden die Apokalypse dar.
Werke von Hein Minkenberg (Auswahl)
Hein Minkenberg schuf sowohl vor als auch nach dem II. Weltkrieg eine Vielzahl von Kunstwerken für St. Marien.
Abbildung | Name des Kunstwerks | Jahr | Standort vor dem Krieg | Standort nach dem Krieg | Bemerkung |
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Pietà | 1924 | Auf dem Altar der Kriegergedächtniskapelle | Pietàkapelle (nördliche Turmhalle) | Wurde aus den Trümmern der durch den Krieg zerstörten Kapelle fast unbeschädigt geborgen | |
Kreuztragender Christus | 1928 | Eingangspforte der Kriegergedächtniskapelle | Eingelassen in die Westwand des Mittelschiffes | rötliches Sandsteinrelief, 1987 restauriert | |
Taufstein | 1939 | alte Taufkapelle | neue Taufkapelle nördlich des heutigen Altarbereichs | ||
Tabernakel | 1958 | - | Auf einer Stele vor dem nordöstlichen Vierungspfeiler | ||
Kreuzweg | 1951 | - | Nördliche Turmhalle | Steinrelief | |
Altar | 1936/1937 | Seit 2008 unter den Chorarkaden zwischen Altarraum und Marienkapelle | mit den vier Evangelistensymbolen als Stütze | ||
Hl. Petrus und Hl. Paulus | 1960 | - | Auf dem südwestlichen und dem nordwestlichen Vierungspfeiler | ||
Maria Goretti-Reliquiar | 1958 | - | Krypta |
Orgel
Die große Orgel wurde 1955 von der Orgelbaufirma Johannes Klais (Bonn) erbaut und in den Jahren 2007–2008 erweitert. Das Instrument hat heute 47 Register auf drei Manualen und Pedal.[7]
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- Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P.
- Spielhilfen: Handregister, zwei freie Kombinationen, Handregister an Freie Kombination I und II, Pedalkombination, Einzelabsteller für die Zungenregister und den Untersatz 32', Walze an, Crescendo-Walze, 4.000-fache elektronische Setzeranlage mit Midirecorder und Sequenzer, Tutti; freie Kombination II werkweise teilbar (über Pistons abrufbar).
- Anmerkung:
Glocken
Alle Glocken des aktuellen Nachkriegsgeläuts wurden von Petit & Gebr. Edelbrock gegossen. Das gesamte Vorkriegsgeläut wurde zu Rüstungszwecken während des Zweiten Weltkrieges eingeschmolzen. In Erinnerung an die Kriegsschäden erhielt die Gloriosa-Glocke den Namen der größten Glocke des Vorkriegsgeläuts. Nach mehreren Neuanschaffungen nach dem Zweiten Weltkrieg umfasst das Geläut heute sechs Glocken, wovon fünf im Kirchturm sind, während die Sterbe-Glocke in einem kleinen Turm über dem Altarraum angebracht ist.[8]
Nr. | Name | Gussjahr | Gießer | Masse (kg) | Ø (cm) | Nominal | Inschrift |
1. | Regina pacis-Glocke | 1958 | Hans Hüesker | 4.000 | 182,5 | b0 –6 | PACIS REGINA AD NOS INCLINA MITE COR TUUM. PACEM DA GENTI AD TE GEMENTI FAUSTUMQUE EXITUM |
2. | Immaculata-Glocke | 1950 | Hans Hüesker | 2.100 | 151,7 | des1 –6 | MULTUM SAEPE CANAM MATREM PLENE IMMACULATAM NULLA ANIMI LABES, CORPORIS NULLA TABE. |
3. | Joseph-Glocke | 1950 | Hans Hüesker | 1.450 | 134,2 | es1 –6 | BEATE JOSEPH, SANCTAE FAMILIAE CUSTOS SERVA FIDEM FAMILIAE CONFIDENTIS IN TE. |
4. | Petrus-Glocke | 1950 | Hans Hüesker | 950 | 119 | f1 –7 | SANCTE PETRE, MARTYR ET APOSTOLE unten GUBERNA NOS ET IMPETRA ROBUR ET CONSTANTIAM. |
5. | Gloriosa-Glocke | 1985 | Florence Hüesker | 584 | 98 | as1 –5 | HOCH IN DEN HIMMEL ERHOBEN ALS GLORREICHE NUN WIR DICH LOBEN! SEI IN GEFAHREN UND LEID, STETS UNS ZU HELFEN BEREIT. |
6. | Sterbe-Glocke | 1985 | Florence Hüesker | 57 | 44,8 | b2 –6 | HERR GIB IHNEN DIE EWIGE RUHE UND DAS EWIGE LICHT LEUCHTE IHNEN. |
Geläutemotiv:[8] Ad te levavi animam meam: „Zu dir erhebe ich meine Seele“, Ps 25,1
Pfarrer
Nutzung
St. Marien wird in erster Linie als Pfarrkirche von der örtlichen Gemeinde für Taufen, Firmungen, Hochzeiten, Heilige Messen und weiteren gottesdienstlichen Feiern genutzt. Mehrfach fand im Kirchengebäude bereits die Diakonenweihe des Erzbistums Köln statt (u. a. 2002, 2014). Die Kreuzschule und das Gymnasium Marienberg feiern dort ihr Schulmessen, ebenso ist dort die kroatische und portugiesische Gemeinde Düsseldorf beheimatet.[9] Zusätzlich wird die Kirche regelmäßig als Veranstaltungsort für Konzerte genutzt.
Bilder
- Kapellenfenster
- Kreuzwegstation (VI)
- Nordseite
- St. Marien
- Marienkirchplatz
- Blick auf die Nordseite von St. Marien vom Bahngleis 1 des Neusser Hauptbahnhofs
Literatur
- Clemens Bayer, Karl Schein (Hrsg.): Domus Orationis. Kunst und Kirche im Rheinischen Raum nach 1945. B. Kühlen Verlag, Mönchengladbach 1994.
- Nadya Badr: Die Fenster von St. Marien in Neuss. Mit einem Vorwort von Wilfried Korfmacher und einem Geleitwort von Gabriel Zander. Wienand, Köln 1994, ISBN 3-87909-392-X.
- Manfred Becker-Huberti (Hrsg.): Neusser Kirchen: Die katholischen Kirchen im Kreisdekanat Neuss. Bachem, Köln 2006, ISBN 3-7616-1966-9.
- Jean Joseph Keller: Schnell Kunstführer Nr. 1864: St. Marien zu Neuss. Verlag Schnell & Steiner, München 1990.
- Jakob Hubert Knott: Die St. Marienkirche zu Neuss: Ihr Bau und ihre Ausstattung. Neuss 1902.
- Joseph Lange: 100 Jahre Katholische Pfarrgemeinde St. Marien zu Neuss. Zur Geschichte einer neuen Pfarre vor den Toren der alten Stadt. Neusser Druckerei und Verlag, Neuss 1996, ISBN 3-923607-19-9.
- Willi Müller: Emil Wachters monumentaler Glasfensterzyklus in der katholischen Pfarrkirche St. Marien in Neuss. In: Das Münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft. Heft 4 44. Verlag Schnell und Steiner, München 1991, S. 270–274.
- Das Buch von St. Marien. Zur Erinnerung an die Wiederherstellung der Marienkirche im Hl. Jahr 1950. Gesellschaft für Buchdruckerei, Neuss 1950.
Siehe auch:
- Max Odenbreit, Jens Metzdorf (Hrsg.): "Der Mensch muß sich bewähren" das Tagebuch von Max Odenbreit, Kaplan an St. Marien in Neuss 1942 bis 1945. Josef Cardinal Frings Gesellschaft, Neuss 2009.
Weblinks
- St. Marien. In: Kirchbau.de
- St. Marien (Neuss). In: archINFORM.
- Website der Kirchengemeinde St. Marien
- Gemeinsame Website der Pfarreiengemeinschaft Neuss-Mitte
- Eintrag in der Denkmalliste der Stadt Neuss (PDF; 3,5 MB)
- St. Marien im Glockenbuch des Erzbistum Köln (PDF; 51 kB)
- Webseite der Stiftung Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts e. V. mit vielen Bildern der Fenster von Walther Benner, Paul Weigmann und Emil Wachter
Einzelnachweise
- J. Lange: 100 Jahre kath. Kirchengemeinde St. Marien. Neuss 1996.
- Erzbischöflichen Berufskolleg Neuss: Schulgeschichte der Schule im Marienhaus
- Vor 100 Jahren zweite Gemeinde gegründet – St. Marien beendete das Mittelalter. In: Neuss-Grevenbroicher Zeitung. 23. Mai 2002.
- Diakonenweihe in der Neusser Marienkirche Zeitungsartikel der Neuss-Grevenbroicher Zeitung vom 26. Mai 2002
- Diakonenweihe am 26. Mai in Neuss (Memento vom 29. Oktober 2013 im Internet Archive) (PDF; 153 kB) Pressemitteilung des Erzbistums Köln zur Diakonenweihe 2002
- Generalvikar Schwaderlapp wird neuer Kölner Weihbischof. Website domradio.de. Abgerufen am 4. März 2012.
- Nähere Informationen zur Orgel auf der Internetseite der Kirchengemeinde und auf der Internetseite orgelsite.nl, abgerufen am 10. Dezember 2014.
- Gerhard Hoffs: Glockenmusik im Stadtdekanat Neuss. S. 79–88. (Memento vom 6. Oktober 2013 im Internet Archive) (PDF; 883 kB)
- Internationale Katholische Seelsorge im Erzbistum Köln: Übersicht Düsseldorf