St. Leodegar (Friedingen)

Die Kirche St. Leodegar ist eine römisch-katholische Pfarrkirche in Friedingen, einem Stadtteil von Singen (Hohentwiel) im Landkreis Konstanz in Baden-Württemberg. Sie ist dem Leodegar von Autun (Gedenktage: 2. und 3. Oktober[1]) geweiht.

Kirchturm St Leodegar Friedingen

Geschichte

Dachreiter

Das heutige Erscheinungsbild der zweitürmigen Saalkirche ist das Ergebnis zahlreicher baulicher Veränderungen der vergangenen Jahrhunderte.

In Friedingen wurde bereits 1194 eine Kirche und 1275 eine Pfarrei St. Leodegar erwähnt. Der Ostturm der heute zweitürmigen Saalkirche wurde bis zu einer Höhe von etwa 16 m gegen Ende des 13. Jahrhunderts erbaut und war zunächst der Kirchturm einer Chorturmkirche. Im Chor der ehemaligen Chorturmkirche haben sich gotische Wandmalereien erhalten. Die Kirche St. Leodegar ist somit die älteste und gleichzeitig die einzige zweitürmige Kirche im heutigen Gebiet der Stadt Singen (Hohentwiel) und in der Seelsorgeeinheit Mittlerer Hegau.

Am Turm sind an drei Seiten die gotischen auf etwa der halben Turmhöhe befindlichen Schallöffnungen als Doppelarkaden ausgeführt. Sie befinden sich an der Stelle des früheren Glockenstuhls, der, aufgrund des Kirchenneubaus 1728 und der damit verbundenen Turmerhöhung, weiter nach oben verlegt wurde.

1963 erfolgte eine Erweiterung des Kirchenbaus durch einen neuen Chor und zwei Seitengiebel in westlicher Richtung, wobei die drei alten Gemälde, die vorher die Decke verzierten, wohl zerstört worden sind. Zum Abschluss dieser Arbeiten wurde der neue Anbau mit einem Dachreiter gekrönt, der ein kleineres Abbild des Hauptturmes darstellt. Der gesamte Innenraum der Kirche ist seither um 180 Grad gedreht.

Bei der letzten Baumaßnahme 2003 wurde die Kirche um einen Anbau erweitert, in dem sich ein Lift befindet.

Beschreibung

Eine Kopie dieses römischen Gnadenbildes „Unserer Lieben Frau von der immerwährenden Hilfe“ aus Sant’Alfonso in Rom befindet sich in der Kirche

Kirchengebäude

Die Kirche St. Leodegar befindet sich am zentralen Platz am Rathaus im historischen Ortskern von Friedingen. Bis 1838 war die Kirche von einem Friedhof umgeben, von dem seit der Kirchenerweiterung 1964 nur noch sehr wenige Grabsteine erhalten sind.

Ausstattung

Im ehemaligen Chorraum aus dem 13. Jahrhundert, der heute als Turmkapelle bezeichnet wird, befinden sich gotische Wandmalereien, wie das Jüngste Gericht oder das Martyrium des heiligen Leodegar, sowie Symbole der vier Evangelisten. Auf der linken Seite ist in einer Mauernische das Heilige Grab zu sehen.

Altare

Die Kirche ist mit drei Altären ausgestattet. Der Hochaltar zeigt den Tod des Heiligen Leodegar in der Mitte und darüber die Darstellung der drei Hausherren von Radolfzell. Auf dem rechten Seite befindet sich der Altar des Heiligen Georg. Darüber befindet sich eine Darstellung des Fegefeuers. Auf der linken Seite befindet sich der Sebastians- oder Marienaltar, der im oberen Bild das Martyrium des Heiligen Sebastian zeigt.

Gnadenbild Unserer Lieben Frau von der immerwährenden Hilfe

Links neben dem Sebastians- oder Marienaltar an der Wand befindet sich eine geweihte Kopie des Gnadenbild Unserer Lieben Frau von der immerwährenden Hilfe, dessen Original sich in der Kirche Sant’Alfonso in Rom, unweit der Patriarchalbasilika Santa Maria Maggiore an der Via Merulana befindet. Das Bild wurde anlässlich der Gründung der Maria Hilf-Bruderschaft 1889 nach Friedingen gebracht und am 8. Mai feierlich aufgestellt, was bis in die 1960er Jahre hinein zu großen Pilgerströmen führte.

Antonius von Padua

Wie in vielen katholischen Kirchen befindet sich auch hier ein Opferstock des Hl. Antonius von Padua. In der Wand auf der rechten Seite des Georgsaltars wurde der Opferstock vermauert. Darüber befand sich eine schön ausgearbeitete Mauernische mit Rundbogen und der Figur des Heiligen Antonius von Padua. Diese wurde leider während der Renovierungsarbeiten 2012 entfernt. Der Opferstock hingegen wurde ohne Antonius von Padua in der Mauer belassen, was möglicherweise zur Verwunderung von Besuchern führen könnte.

Prager Jesulein

Neben etlichen Figuren und sonstigen Schmuckstücken, die nur zu bestimmten Festtagen in der Kirche aufgestellt werden, verfügt die Kirche über eine Kopie des Prager Jesulein. Das Prager Jesulein wird zu Weihnachten auf dem Sebastians- oder Marienaltar aufgestellt, während sich auf dem Georgsaltar die Grippe mit der Stadt Bethlehem befindet.

Orgel

Die Orgel im historischen Gehäuse von Blasius Schaxel ist ein Werk von Freiburger Orgelbau August Späth aus dem Jahr 1982 mit 23 Registern.[2]

Glocken

Rätsche

In den drei Glockenstuben der Kirche St. Leodegar befindet sich ein Geläute aus insgesamt vier Glocken aus Bronze, die sich auf beide Türme verteilen. Im hölzernen Glockenstuhl des Hauptturmes, der die obere, achteckige Glockenstube, die nach der Turmerhöhung entstand, nur etwa bis zur Hälfte ausfüllt, sind die drei größeren Glocken nebeneinander, in Ost-West-Ausrichtung, angeordnet. In der darunterliegenden Glockenstube aus dem 13. Jahrhundert befindet sich eine Rätsche, die die Kirchenglocken zwischen Karfreitag und der Osternacht ersetzt. Die kleinste Glocke befindet sich in der Glockenstube des Dachreiters, in dem, aufgrund einer Glockenspende 2012, ein zweiter, hölzerner Glockenstuhl eingebaut wurde. Durch die neue Glocke wurde das Te-Deum-Motiv im Hauptturm zum Idealquartett des Gesamtgeläutes ergänzt, welches erstmals am 13. März 2013 zur Wahl von Papst Franziskus von allen Türmen schallte.

Nr. Name Gussjahr/Datum Gießer, Gussort Durchmesser
(mm)
Masse
(kg)
Schlagton
(HT-1/16)
Glockenstube
 
Uhrschlag
 
Einzelläuten
vor dem 13. März 2013
Einzelläuten
seit dem 13. März 2013
1Christus der König des Friedens3.8.1956F. W. Schilling,
Heidelberg
1021706g′ –7Ostturm, obere Glockenstube, MittestündlichSonn- und Feiertage
als Erstgeläut
Sonn- und Feiertage
als Erstgeläut
ohne Fastenzeit und Advent
2St. Leodegar1670Valentin Allgeyer,
Friedingen
820375b′ –6Ostturm, obere Glockenstube, Westviertelstündlich6, 12 und 19 UhrSonntage Fastenzeit und Advent als Erstgeläut
3Marienglocke3.8.1956F. W. Schilling,
Heidelberg
777304c′′ –7Ostturm, obere Glockenstube, Ostviertelstündlich11 und 19 Uhr
nach Glocke 2
6, 12 und 19 Uhr
4St. Barbara und
St. Katharina[3]
25.10.2012Glockengießerei Bachert,
Karlsruhe
700250es′′ –8Dachreiter11 Uhr,
19 Uhr nach Glocke 3
und zur Wandlung

Ein Hörbeispiel der Glocken liefert die Internetseite der Glockeninspektion des Erzbistums Freiburg.[4]

Leodegarglocke

Leodegarglocke

Die im Jahre 1670 von „Algayer von Constanz“ im Beisein des Pfarrherrs Johann Lindtner und Bürgermeisters Johann Frey[5] gegossene Glocke, die dem Heiligen Leodegar von Autun geweiht ist, stellt eine Besonderheit dar. Anders als bei anderen Wetterglocken mit der lateinischen Inschrift Vivos voco. Mortuos plango. Fulgura frango. ist hier deutsch zu lesen:

DIE LEBENDIGEN BERVFE ICH
DIE DOTEN BEKLAGE ICH
DEN DONNER BRICHE ICH
WER DAS NICHT GLAVBT DER LESE MICH

Diese Abwehrformel ist auch das Motto für Schillers Das Lied von der Glocke.[6] Diese älteste Glocke, welche vom Glockenfriedhof in Hamburg gerettet werden konnte und deren Stahljoch 2012 durch ein Holzjoch ersetzt wurde, war bis 13. März 2013 zum Angelusläuten, nicht zum Wetterläuten, als die am häufigsten geläutete Glocke zu hören. Mit der neuen Glocke im Dachreiter soll diese wertvolle Glocke entlastet werden, weshalb für die Kirche St. Leodegar eine neue Läuteordnung erstellt wurde.[7]

Friedhof

Jahrhundertelang war um die Pfarrkirche der Friedhof angelegt. Seit 1838 wurden die Toten dann auf dem neuen, am 28. Juni 1839 geweihten Friedhof außerhalb des Dorfes, etwa 600 Meter von der Kirche entfernt gelegen, bestattet. 1876 wurden die Grabmale des alten Friedhofs entfernt, einige wenige an der Südseite der Kirche aufgestellt, so das des Erbauers der Kirche, Gervasius Löhle, und das Grabmal des Josef Fidel Graf von Thurn und Waldsassina.[8]

Literatur

  • Herbert Berner: Kumm etz gommer z´lieht, Beiträge zur Friedinger Geschichte. 1990, ISBN 3-927414-01-8.
  • Gustav Graf: Friedingen, Amt Konstanz, Aus der Geschichte eines Hegaudorfes. Friedingen 1911.
  • A. Hubenschmid: Neuere Geschichte von Friedingen (19. und 20. Jahrhundert). 1986.
  • Julius Link: Die Kirche zu Friedingen. In: Verein für Geschichte des Hegau e. V. (Hrsg.): Hegau – Zeitschrift für Geschichte, Volkskunde und Naturgeschichte des Gebietes zwischen Rhein, Donau und Bodensee. Band 21/22. Selbstverlag, Friedingen und Singen (Hohentwiel) 1966, S. 241 bis 245.

Einzelnachweise

  1. Gedenktage Leodegar von Autun
  2. Singen (Hohentwiel) / Friedingen – St. Leodegar – Orgel Verzeichnis – Orgelarchiv Schmidt. (deutsch).
  3. Glockenweihe in Friedingen
  4. Glockeninspektion des Erzbistums Freiburg - Kirche St. Leodegar Friedingen
  5. Julius Link: Die Kirche zu Friedingen. In: Verein für Geschichte des Hegau e. V. (Hrsg.): Hegau – Zeitschrift für Geschichte, Volkskunde und Naturgeschichte des Gebietes zwischen Rhein, Donau und Bodensee. Band 21/22. Selbstverlag, Friedingen und Singen (Hohentwiel) 1966, S. 241 bis 245.
  6. Kleine Kulturgeschichte des Gewitters – Das Wetterläuten Karl-Heinz Hentschel, März 1993.
  7. Läuteordnung der Kirche St. Leodegar Friedingen
  8. Beschreibung der Grabdenkmäler; abgerufen am 8. Mai 2023.

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