Ständerat

Der Ständerat (französisch Conseil des États, italienisch Consiglio degli Stati, rätoromanisch Cussegl dals Stadis oder Cussegl dals chantuns) ist die kleine Kammer der Bundesversammlung, des Parlaments der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Der Name kommt von Stand, der alten Bezeichnung für die Schweizer Kantone.

Ständerat
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Basisdaten
Sitz: Bundeshaus in Bern
Legislaturperiode: vier Jahre
Abgeordnete: 46
Aktuelle Legislaturperiode
Letzte Wahl: 22. Oktober 2023
12. November 2023
19. November 2023
Vorsitz: Ständeratspräsidentin
Eva Herzog (SP/BS)
Erster Vizepräsident
Andrea Caroni (FDP/AR)
Zweiter Vizepräsident
Stefan Engler (Mitte)
Sitzverteilung:
  • Die Mitte-Fraktion 15
  • Die Mitte 15
  • FDP-Liberale Fraktion 11
  • FDP 11
  • SP-Fraktion 9
  • SP 9
  • SVP-Fraktion 7
  • SVP 6
  • MCG 1
  • Grüne Fraktion 3
  • Grüne 3
  • GLP 1
  • Website
    Ständerat auf parlament.ch
    Bundeshaus
    Bundeshaus
    Ständeratssaal

    Da es im Ständerat mehr altgediente Politiker gibt als in der anderen Parlamentskammer, dem Nationalrat, wird er in der Deutschschweizer Umgangssprache auch mit dem ursprünglich berndeutschen Wort Stöckli (Auszugshaus) benannt.

    Mitgliederzahl

    Der Ständeratssaal während einer Sitzung

    Der Ständerat besteht aus 46 Mitgliedern, je einem für jeden der früher Halbkanton genannten Kantone (Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Nidwalden, Obwalden, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden) und je zwei für alle anderen Kantone. Der Kanton Zürich hat mit 1,5 Millionen Einwohnern also im Ständerat das gleiche Gewicht wie Uri mit 37'000 Einwohnern. Die Mitglieder des Ständerats werden als Ständerätinnen und Ständeräte bezeichnet (siehe auch Frauenanteile im Ständerat ab 1971).

    Liste der Ständeratssitze nach Kanton und Bevölkerung
    Abk Kanton Sitze Bevölkerung
    31. Dezember 2022
    pro Sitz zu ZH
    [1]
    ZHKanton Zürich Zürich2 1'579'967 789'984 1
    BEKanton Bern Bern2 1'051'437 525'719 2
    LUKanton Luzern Luzern2 424'851 212'426 4
    URKanton Uri Uri2 37'317 18'659 42
    SZKanton Schwyz Schwyz2 164'920 82'460 10
    OWKanton Obwalden Obwalden1 38'700 38'700 20
    NWKanton Nidwalden Nidwalden1 44'420 44'420 18
    GLKanton Glarus Glarus2 41'471 20'736 38
    ZGKanton Zug Zug2 131'164 65'582 12
    FRKanton Freiburg Freiburg2 334'465 167'233 5
    SOKanton Solothurn Solothurn2 282'408 141'204 6
    BSKanton Basel-Stadt Basel-Stadt1 196'786 196'786 4
    BLKanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft1 294'417 294'417 3
    SHKanton Schaffhausen Schaffhausen2 85'214 42'607 19
    ARKanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden1 55'759 55'759 14
    AIKanton Appenzell Innerrhoden Appenzell Innerrhoden1 16'416 16'416 48
    SGKanton St. Gallen St. Gallen2 525'967 262'984 3
    GRKanton Graubünden Graubünden2 202'538 101'269 8
    AGKanton Aargau Aargau2 711'232 355'616 2
    TGKanton Thurgau Thurgau2 289'650 144'825 5
    TIKanton Tessin Tessin2 354'023 177'012 4
    VDKanton Waadt Waadt2 830'431 415'216 2
    VSKanton Wallis Wallis2 357'282 178'641 4
    NEKanton Neuenburg Neuenburg2 176'571 88'286 9
    GEKanton Genf Genf2 514'114 257'057 3
    JUKanton Jura Jura2 73'865 36'933 21
    CHAlle46 8'815'385 191'639 4

    Arbeitssprachen

    In den Debatten sind Hochdeutsch und Französisch gebräuchlich, Italienisch wird selten benutzt. Es gibt keine Simultanübersetzung, das heisst, dass alle Abgeordneten in ihrer Muttersprache sprechen und dass jedes Ständeratsmitglied Deutsch und Französisch zumindest verstehen sollte.

    Wahlverfahren

    Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft legt in Art. 150 fest, dass die Regelung der Wahl und Amtsdauer der Ständeräte in die Zuständigkeit der Kantone fällt. Somit existiert de jure im Gegensatz zum Nationalrat keine Gesamterneuerungswahl, demzufolge auch keine konstituierende Sitzung und kein Alterspräsident. Jeder Kanton ist also frei darin, den Zeitpunkt der Wahl und das Wahlverfahren für seine Ständeratsmitglieder selbst festzulegen. Unvereinbarkeitsregeln der Bundesversammlung sind anwendbar.

    Mit der Zeit hat sich allerdings eine Vereinheitlichung des Wahlverfahrens ergeben. Alle Kantone haben als Wahlmodus die unmittelbare Wahl durch das Kantonsvolk bestimmt und die Amtsdauer auf vier Jahre festgelegt. Mit Ausnahme der Kantone Jura und Neuenburg[2], die ihre Ständeräte nach Proporz wählen, werden die Ständeräte heute in allen übrigen Kantonen mit Majorzwahl durch das Volk gewählt. Der Ständerat des Kantons Appenzell Innerrhoden wird an der Landsgemeinde gewählt; im Kanton Neuenburg können sich auch Ausländer an den Ständeratswahlen beteiligen. Seit einem Landsgemeindebeschluss gilt im Kanton Glarus das aktive Wahlrecht ab dem 16. Lebensjahr auf Gemeinde- und Kantonsebene, was eine Teilnahme an Ständeratswahlen (jedoch nicht an Nationalratswahlen) für unter 18-jährige ermöglicht. Im Kanton Glarus ist zudem das passive Wahlrecht insofern eingeschränkt, als bisherige Ständeratsmitglieder nicht wiedergewählt werden können, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet haben.[3]

    In allen Kantonen mit Ausnahme des Kantons Appenzell Innerrhoden findet die Wahl der Ständeräte am selben Tag statt wie die Nationalratswahl. In Appenzell Innerrhoden findet die Wahl an der traditionellen Landsgemeinde im April vor den Nationalratswahlen statt. In allen Kantonen, die den Ständerat im Majorzverfahren wählen, ist allerdings ein zweiter Wahlgang nötig, wenn im ersten Wahlgang nicht mindestens so viele Kandidaten das absolute Mehr erreicht haben, wie Sitze zu vergeben sind.

    Auch in den Kantonen Graubünden und Zug fand die Wahl der Ständeräte zunächst schon ein Jahr vor der Nationalratswahl statt. Per Verfassungsänderung im Jahre 2007 übernahmen auch die Bündner und Zuger die Praxis der Mehrheit aller Kantone und wählen ihre Ständeräte parallel zur Nationalratswahl. Während jedoch Graubünden die Änderung schon auf die Wahl 2007 vornahm, trat sie in Zug erst auf die nächsten Gesamterneuerungswahlen im Jahr 2011 in Kraft.

    Eine vorzeitige Auflösung des Ständerates ist nur im Falle einer vom Volk beschlossenen Totalrevision der Bundesverfassung möglich. Die vorzeitige Abwahl seiner Mitglieder ist lediglich im Kanton Uri vorgesehen. Ansonsten findet nur beim vorzeitigen Rücktritt oder beim Tod eines Ständerates eine Ersatzwahl für den Rest der Amtsperiode statt.

    Als Vertreter der Kantone wurden die Ständeräte zunächst von den jeweiligen Kantonsparlamenten bestimmt. Ab 1867 begannen verschiedene Kantone, ihre Ständeräte durch das Volk zu wählen. Die Einführung der Volkswahl war ein über hundert Jahre dauernder Prozess: Der Kanton Bern führte dieses Verfahren 1977 als letzter ein, während der 1979 gegründete Kanton Jura direkt dazu überging. Die nachfolgende Tabelle zeigt das Jahr der Einführung.[4]

    Leerer Ständeratssaal
    KantonEinführungKantonEinführung
    Kanton Obwalden Obwalden1867Kanton Tessin Tessin1892
    Kanton Zürich Zürich1869Kanton Genf Genf1893
    Kanton Solothurn Solothurn1869Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell Innerrhoden1895
    Kanton Thurgau Thurgau1869Kanton Schwyz Schwyz1898
    Kanton Schaffhausen Schaffhausen1876Kanton Luzern Luzern1904
    Kanton Nidwalden Nidwalden1877Kanton Aargau Aargau1904
    Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden1877Kanton Waadt Waadt1917
    Kanton Graubünden Graubünden1880Kanton Wallis Wallis1921
    Kanton Zug Zug1881Kanton St. Gallen St. Gallen1967
    Kanton Glarus Glarus1887Kanton Neuenburg Neuenburg1971
    Kanton Uri Uri1888Kanton Freiburg Freiburg1972
    Kanton Basel-Stadt Basel-Stadt1889Kanton Bern Bern1977
    Kanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft1892Kanton Jura Jura1979

    Parteien

    Sitzordnung Ständerat ab Dezember 2023 nach Fraktion

    Aufgrund des Wahlverfahrens unterscheidet sich die Zusammensetzung des Ständerates nach Parteien von jener im Nationalrat – seit Jahrzehnten sind die FDP sowie die Mitte die zwei stärksten Parteien, während die SVP (ebenso wie früher die SP) deutlich schwächer ist als in der grossen Kammer.

    Die 46 Sitze verteilen sich wie folgt (jeweils zu Beginn der Legislaturperiode):

    Partei202320192015201120072003199919951991198719831979[Anm. 1]197519711967
    Die Mitte/CVP 15[Anm. 2]1313131515151616211819181718
    FDP 111213111214181718141411141515
    SP 99121199653469642
    SVP 665578754455556[Anm. 3]
    Grüne 35122
    GLP 121
    BDP [Anm. 4]11
    LPS [Anm. 5]23232122
    LdU [Anm. 6]1111
    übrige 1[Anm. 7]1[Anm. 8]1[Anm. 8]1[Anm. 8]1[Anm. 9]

    Anmerkungen

    1. Der Kanton Jura wurde 1979 gegründet, daher stieg die Anzahl Ständeräte von 44 auf 46.
    2. Erste Wahl nach Umbenennung von CVP und Fusion mit der BDP
    3. 3 Sitze für Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei, 3 für Demokratische Parteien aus den Kantonen Glarus und Graubünden. Diese Parteien schlossen sich 1971 zur Schweizerischen Volkspartei zusammen.
    4. Fusion mit der CVP zu Die Mitte im Jahre 2021
    5. Fusion mit der FDP im Jahre 2009.
    6. Auflösung am 4.12.1999
    7. Mouvement citoyens genevois
    8. parteilos
    9. Lega dei Ticinesi

    Aufgaben und Zuständigkeiten

    Ständerat und Nationalrat nehmen gemeinsam die Aufgaben der Bundesversammlung wahr und besitzen dieselben Zuständigkeiten.

    Sessionen

    Für Ständerat und Nationalrat gelten dieselben Regeln für die Durchführung der Sessionen.

    Verfahren

    Für Ständerat und Nationalrat gelten dieselben allgemeinen Verfahrensregeln.

    Parlamentarische Instrumente, Vorstösse

    Ständerat und Nationalrat verfügen über dieselben parlamentarischen Instrumente.

    Organe

    Ständerat und Nationalrat sind Organe der Bundesversammlung; die Regelungen für ihre internen Organe (Präsidium, Büro, Kommissionen, Fraktionen) sind weitgehend identisch.

    Einkommen und Entschädigungen

    Öffentlichkeit des Ratsbetriebs und Offenlegungspflichten der Ratsmitglieder

    Die Verhandlungen von Nationalrat und Ständerat werden im Internet live übertragen und im «Amtlichen Bulletin» publiziert. Zu jeder Abstimmung wird in beiden Räten die Stimmabgabe jedes Ratsmitglieds veröffentlicht. Für die Ratsmitglieder bestehen verschiedene Offenlegungspflichten; z. B. müssen sie ihre beruflichen Tätigkeiten ausserhalb des Parlaments, insbesondere in Verwaltungsräten und ähnlichen Gremien in einem öffentlichen Register eintragen. Ein weiteres öffentliches Register informiert über die Ausweise für einen dauerhaften Zutritt zum Bundeshaus, welche jedes Ratsmitglied für zwei Gäste (z. B. Lobbyisten) ausstellen lassen kann. Kommissionssitzungen sind grundsätzlich nicht öffentlich.

    Mitglieder

    Für die aktuellen Ständeratswahlen siehe Schweizer Parlamentswahlen 2023 (Kontext) sowie Resultate der Ständeratswahlen (2023–2027) (genaue Resultate).

    Geschichte

    Die Rolle des Ständerates als Kantonsvertretung schälte sich in den Vorarbeiten zur ersten Bundesverfassung von 1848 heraus. Der konservativen Konfliktpartei im Sonderbundskrieg lag viel daran, den Kantonen eine gewisse staatliche Souveränität zu bewahren. Als Kompromiss billigten die siegreichen Liberalen der Gegenpartei als Ersatz für die Tagsatzung den Ständerat zu, der mit seiner Stimmenparität aller Kantone den vorab kleinen Sonderbundskantonen ein überproportionales Stimmengewicht verlieh und damit im neu geschaffenen Bundesstaat einen Ausgleich zum Nationalrat schuf. Das System war allerdings nicht selber erfunden, sondern imitierte unübersehbar das Zweikammersystem der US-amerikanischen Verfassung. Im Gegensatz zu der seit dem Mittelalter tradierten Tagsatzung stimmen die Mitglieder des Ständerates jedoch nicht nach Weisungen (Instruktionen) der Kantone, sondern nach eigenem politischem Ermessen und politisch-ökonomischer Interessenlage respektive Parteizugehörigkeit.

    Siehe auch

    Literatur

    • Philipp Albrecht, Dennis Bühler, Bettina Hamilton-Irvine: Im Goldfischteich. In: Republik. 15. November 2019.
    • Barbara Brun del Re: Art. 82: Veröffentlichung des Stimmverhaltens. In: Martin Graf, Cornelia Theler, Moritz von Wyss (Hrsg.): Parlamentsrecht und Parlamentspraxis der Schweizerischen Bundesversammlung. Kommentar zum Parlamentsgesetz (ParlG) vom 13. Dezember 2002. Basel 2014, ISBN 978-3-7190-2975-3, S. 627–632 (publikationen.sgp-ssp.net).
    • Boris Burri: Art. 36: Geschäftsreglemente. In: Martin Graf, Cornelia Theler, Moritz von Wyss (Hrsg.): Parlamentsrecht und Parlamentspraxis der Schweizerischen Bundesversammlung. Kommentar zum Parlamentsgesetz (ParlG) vom 13. Dezember 2002. Basel 2014, ISBN 978-3-7190-2975-3, S. 305–311 (publikationen.sgp-ssp.net).
    • Sean Mueller, Adrian Vatter (Hrsg.): Der Ständerat (= Politik und Gesellschaft in der Schweiz. Band 11). NZZ Libro, Basel 2020, ISBN 978-3-907291-08-5.
    Commons: Ständerat – Sammlung von Bildern

    Einzelnachweise

    1. Bevölkerung des Kantons / Bevölkerung des Kantons Zürich, pro Sitz
    2. Les Neuchâtelois acceptent la proportionnelle. In: RTS info. 26. September 2010.
    3. Art. 78 der Verfassung des Kantons Glarus.
    4. Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 3. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1445-3, S. 492–493.
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