Sprengplatz Grunewald
Der Sprengplatz Grunewald (auch: Sprengplatz Jagen 65) ist ein etwa 200 m × 200 m großes Areal im Grunewald in Berlin. Das im Ortsteil Nikolassee gelegene Gelände dient seit 1950 der Zwischen- bzw. Endlagerung von Fundmunition sowie deren Unschädlichmachung beispielsweise mittels kontrollierter Sprengung durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst der Berliner Polizei.
Nutzung
Der Sprengplatz wurde 1950 angelegt, um beim Wiederaufbau Berlins gefundene Weltkriegsmunition – vor allem aus den alliierten Luftangriffen auf die Stadt – sprengen zu können.[1] Bei dieser Liegenschaft im Jagen 65 handelte es sich um eine militärisch genutzte Einrichtung der US-Berlin Brigade (siehe: Liste alliierter Einrichtungen). Heute werden pro Jahr rund sechs bis acht Großsprengungen sowie rund 70 kleinere Sprengungen durchgeführt. Letztere dienen dazu, Blindgänger unschädlich zu machen, bzw. werden zur Ausbildung genutzt.[2] Der Betrieb des Sprengplatzes war im Landeshaushalt 2004 mit rund einer Million Euro veranschlagt, 2022 wurde rund eine halbe Million Euro angegeben.[3][1] Das Gelände ist mit hohen Zäunen, Metalltoren, mit Stacheldraht und Kameras gesichert. Um das Gelände wurde eine Brandschneise von mehreren Metern angelegt, die das Übergreifen von Bränden auf den umliegenden Grunewald verhindern soll.[4]
Lage
Der Sprengplatz befindet sich im von den Berliner Forsten verwalteten Grunewald südwestlich der Autobahn-Anschlussstelle Hüttenweg, rund 600 Meter Luftlinie von der A 115 (AVUS) entfernt. Bei Großsprengungen wird die Autobahn gesperrt.[5]
Zwischenfälle
Tödlicher Unfall
Der Berliner Polizeifeuerwerker Werner Stephan verunglückte am 17. August 1957 bei der Delaborierung einer sowjetischen Granate auf dem Sprengplatz tödlich. Sein Helfer Helmut Kleiber und der Kraftfahrer Rudi Klatt wurden dabei schwer verletzt.
Großbrand
In den frühen Morgenstunden des 4. August 2022 kam es auf dem Sprengplatz zu einer ungeplanten Explosion, die wiederum weitere Explosionen auslöste und vermutlich durch Selbstentzündung von Sprengstoffen oder Akkus ausgelöst wurde.[6] Der umliegende Wald geriet dadurch in Flammen. Das Feuer konnte sich im ausgetrockneten Grunewald zu einem Großbrand auf einer Fläche von 42 Hektar ausweiten.[7] Der S-Bahn-Verkehr musste unterbrochen, der Eisenbahn-Regional- und Fernverkehr umgeleitet und die AVUS beidseitig für den Verkehr gesperrt werden.[8][9] Am Nachmittag des 6. August wurden die Gleise der S-Bahn sowie des Regional- und Fernverkehrs wieder freigegeben, wohingegen die AVUS vorerst gesperrt blieb[10] und erst am Abend des 10. August 2022 die Freigabe nachfolgte – das Waldgebiet bleibt weiterhin gesperrt.[11] Nachdem die Löscharbeiten am Mittag des 12. August beendet worden waren, wurden die Sperrungen aufgehoben.[12] Das Munitions-Arbeitshaus, die Lagergebäude für Feuerwerkskörper und Sprengmittel und die Asservatenlager der Polizei Berlin mit sämtlichen Asservaten wurden durch den Brand zerstört.[13] Die Brandursachenermittlung ergab bis zum 16. August 2022 keine Ergebnisse[13] und wird vom Landeskriminalamt Berlin und der Polizei Berlin fortgeführt.[8][13] Am 5. September gab die Polizei bekannt, dass man Brandstiftung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausschließe.[14]
Zukunft
Die bereits jahrzehntelang geführte Debatte, ob der Standort für den Sprengplatz im Grunewald – einem Naherholungsgebiet – und in unmittelbarer Nähe von stark genutzten Verkehrstrassen wie der Wetzlarer Bahn und der AVUS noch zulassungsfähig ist, wurde durch den Brand gleichwohl in das Bewusstsein einer noch größeren Öffentlichkeit gerückt.[15][16] Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, sprach sich dafür aus, eine Verlegung des Sprengplatzes ins benachbarte Bundesland Brandenburg zu prüfen.[17] Barbara Slowik, die Berliner Polizeipräsidentin, plädierte dafür, lange Transporte der hochexplosiven Kampfmittel ins Berliner Umland zu vermeiden und sprach sich für eine Weiternutzung des Sprengplatzes aus. Michael Stübgen, der brandenburgische Innenminister, zeigte sich für eine Kooperation grundsätzlich offen; das Land Brandenburg verfügt über einen Sprengplatz im Kummersdorf südöstlich von Berlin.[18] Die Innensenatorin Iris Spranger (SPD) gab am 31. August 2022 bekannt, dass der Sprengplatz am bisherigen Standort in Berlin verbleibt, weil es in Berlin keine anderen möglichen Standort gibt.[19]
Weblinks
- Vortrag des Berliner Landeskriminalamtes (LKA KT 63) auf stadtentwicklung.berlin.de (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive; PDF; 7,3 MB)
- Private Fotosammlung auf forst-grunewald.de, abgerufen am 3. Juni 2011
Einzelnachweise
- Warum im Berliner Grunewald Munition gesprengt wird. Entschärfungsareal mit wenigen Alternativen. In: rbb.de. 4. August 2022, abgerufen am 4. August 2022.
- ddp: Innensenator Ehrhart Körting: Sprengplatz Grunewald ist sicher (Memento vom 1. Dezember 2016 im Internet Archive) In: Welt Online, 21. Mai 2004.
- Initiative der CDU-Fraktion zur Schließung des Sprengplatzes Grunewald. In: parlament-berlin.de. 30. August 2004, abgerufen am 4. August 2022.
- www.berliner-zeitung.de: Sprengplatz Grunewald: Wie gut ist das Areal gesichert? Was lagert dort?, vom 4. August 2022, abgerufen am 18. August 2022
- Hinweis auf Autobahnsperrung auf berlin-aktuell.de (Memento vom 4. Juni 2011 im Internet Archive), abgerufen am 3. Juni 2011.
- Ermittlungen starten: Großbrand auf dem Sprengplatz im Grunewald: Polizei sieht keine Hinweise auf Brandstiftung. Bei: berliner-kurier.de, 5. September 2022
- Feuer im Berliner Grunewald: Boden auf dem Sprengplatz bis zu 700 Grad heiß, sueddeutsche.de, 5. August 2022: „Gebrannt hat es nach Angaben der Feuerwehr auf einer Fläche von insgesamt etwa 42 Hektar.“
- Felix Huesmann, Jan Sternberg, Robin Lindemann: Grunewald brennt: Löscharbeiten könnten noch bis Freitag andauern – bisher 50 Hektar betroffen. In: maz-online.de. 5. August 2022, abgerufen am 5. August 2022.
- Großbrand im Berliner Grunewald: Löscharbeiten auf Sprengplatz beendet – Ursache für Feuer noch unklar: Feuerwehr will Gefahrenbereich um Sprengplatz verkleinern – Bahnverkehr läuft wieder normal. In: Der Tagesspiegel Online. 7. August 2022, abgerufen am 18. August 2022.
- Weiterhin „enorme Gefahr“ auf Sprengplatz – Bahn fährt wieder, Avus bleibt gesperrt. In: Tagesspiegel Online. 6. August 2022, abgerufen am 6. August 2022.
- Avus wieder offen – Waldgebiet noch gesperrt Bei: Tagesspiegel Online, 11. August 2022, abgerufen am 11. August 2022
- Grunewald: Löscharbeiten auf Sprengplatz beendet – Polizei übernimmt Gelände. In: Berliner Morgenpost. 11. August 2022, abgerufen am 12. August 2022.
- Alexander Fröhlich, Moritz Hohmann: Großbrand auf Sprengplatz der Berliner Polizei: Asservatenlager bei Feuer im Grunewald zerstört, tagesspiegel.de, 16. August 2022, abgerufen am 18. August 2022
- Berlin: Polizei schließt Brandstiftung im Grunewald aus. In: Der Spiegel. 5. September 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 6. September 2022]).
- Warum liegt ein Sprengplatz mitten im Naherholungsgebiet? Bei: Spiegel Online, 5. August 2022, abgerufen am 5. August 2022
- Jens Blankennagel: Explosion mit Ansage: Warum befindet sich mitten im Grunewald ein Sprengplatz? In: Berliner Zeitung, 4. August 2022, abgerufen am 5. August 2022
- 700 Grad heißer Boden im Grunewald – Autobahn und Bahnstrecke bleiben gesperrt. Bei: Tagesspiegel Online, 6. August 2022, abgerufen am 6. August 2022
- dpa: www.berliner-zeitung.de: Ministerium nach Brand offen für Austausch über Sprengplatz, vom 5. August 2022, abgerufen am 11. August 2022
- dpa Großbrand im Grunewald: Sprengplatz der Polizei bleibt - Vier Bomben gesprengt, berliner-zeitung.de, 31. August 2022