Spiritual Care

Spiritual Care lässt sich als Teilaspekt von Palliative Care oder als wissenschaftliche Disziplin verstehen.

Spiritual Care als Teilaspekt in der Begleitung Schwerkranker und Sterbender

Nach dem Total Pain-Konzept der Schmerztherapeutin und Begründerin der Hospizbewegung Cicely Saunders wird Schmerz von mehreren Dimensionen beeinflusst: der physischen, sozialen, psychischen und spirituellen Ebene. Zur Palliative Care als multiprofessionelle Umsorgung Schwerkranker und Sterbender gehört Spiritual Care als Teilaspekt, mit dem sich alle Mitarbeiter in diesem Bereich befassen: Innerhalb des Teams im gemeinsamen Austausch oder mittels Supervision, aber vor allem in Hinblick auf den zu versorgenden Patienten wird unerfüllte Spiritualität als Ursache und Verstärker von Schmerzen und Beschwerden wahrgenommen. Schicksal, Heimat, Identität, Selbstwertgefühl spielen hier genauso eine Rolle wie Glaube, Religion, Konfession und Rituale. Diese Aspekte der Spiritualität betreffen alle sogenannten Übergangs-Krisen des Lebens, so auch das Lebensende.[1] Aus diesem Grund werden zur Begleitung Schwerkranker und Sterbender Seelsorger hinzu gezogen; letztlich ist Spiritual Care aber ebenso Aufgabe aller Gesundheitsberufe.[1]

Spiritual Care als wissenschaftliche Disziplin

Spiritual Care ist eine wissenschaftliche Disziplin an der Grenze zwischen Medizin, Theologie und Krankenhausseelsorge, als deren Hintergrundtheorie die Philosophische Anthropologie angegeben wird.[1] Damit bemüht sich Spiritual Care über den traditionell christlichen Kontext der Krankenhausseelsorge hinaus, Spiritualität und Religiosität auch als Bedürfnis kirchenferner bzw. nichtchristlicher Patienten wahrzunehmen und zu erforschen.

Gemäß der WHO-Definition[2] von Palliative Care gehört zu einer ganzheitlichen Betreuung schwerstkranker Patienten die „Vorbeugung und Linderung von Leiden durch frühzeitiges Erkennen, untadelige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art“. Deshalb gehört die Erforschung und theoretische Reflexion über Spiritualität in den medizinischen Kontext und ist seit einigen Jahren auch Inhalt der medizinischen Ausbildung. Spiritual Care beschränkt sich aber nicht ausschließlich auf das Lebensende.[1]

Forschung und Lehre

In Deutschland wurde 2010 mit finanzieller Unterstützung durch den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft die erste Professur für Spiritual Care an der Ludwig-Maximilians-Universität München (Klinik für Palliativmedizin am Klinikum Großhadern) eingerichtet. Sie wurde ökumenisch besetzt mit den Professoren Eckhard Frick (katholisch) und Traugott Roser (evangelisch). Nachdem Roser an die Universität Münster gewechselt war, wurde dessen halbe Stelle im März 2013 mit Niels Christian Hvidt besetzt.[3] Die auf fünf Jahre befristete Stiftungsprofessur lief am 31. Mai 2015 zunächst ersatzlos aus,[4] wurde aber 2017 mit dem Religionspsychologen Constantin Klein wiederbesetzt.[5] Von der Professur initiiert ist die Internationale Gesellschaft für Gesundheit und Spiritualität, welche die Fachzeitschrift Spiritual Care herausgibt.

Seit 2015 leitet zudem Eckhard Frick die Forschungsstelle Spiritual Care an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München.

International gibt es auf dem Gebiet Spiritual Care vor allem im jüdischen Kontext zahlreiche Forschungsprojekte sowie Ausbildungsverbände, die Mitarbeiter auf dem Gebiet Spiritual Care unterrichten und qualifizieren, so etwa der Verband Kashrout[6] in Israel oder die Vereinigung NAJC (National Association of Jewish Chaplains)[7] in den USA, welche auch die Zeitschrift Jewish Spiritual Care publiziert.

Seit 1993 bieten auch die buddhistischen Rigpa-Zentren weltweit Studien- und Trainingsprogramme zur Spiritual Care an. In Irland wird Spiritual Care für Menschen in Krisen sowie für kranke und sterbende Menschen angeboten. Das erste buddhistische Zentrum für Spiritual Care in Deutschland wurde 2016 in Bad Saarow am Scharmützelsee eröffnet und trägt den Namen Sukhavati.[8]

Im Herbst 2015 wurde an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich eine Professur ad personam für Spiritual Care errichtet und durch Simon Peng-Keller besetzt. Diese Professur bietet in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät ein interdisziplinäres Lehrangebot an und ist mit der Forschung in diesem Gebiet beauftragt.

2011 gründete Eckhard Frick die Internationale Gesellschaft für Gesundheit und Spiritualität, einen gemeinnützigen Verein zur Förderung von Forschung, Lehre und Implementierung von Spiritual Care in die Praxis.

Literatur

Grundlagen

  • Eckhard Frick, Traugott Roser (Hrsg.): Spiritualität und Medizin. Gemeinsame Sorge für den kranken Menschen. Münchener Reihe Palliative Care, Palliativmedizin – Palliativpflege – Hospizarbeit, Kohlhammer, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-17-020574-1
  • Traugott Roser: Spiritual Care. Ethische, organisationale und spirituelle Aspekte der Krankenhausseelsorge. Ein praktisch-theologischer Zugang. Mit einem Geleitwort von Eberhard Schockenhoff. Kohlhammer, Stuttgart 2007 (= Münchner Reihe Palliative Care. Band 3); 2., erweiterte und aktualisierte Auflage ebenda 2017, ISBN 978-3-17-021439-2.
  • Doris Nauer: Spiritual Care statt Seelsorge. Kohlhammer, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-17-028905-5.
  • Hrsg. mit Traugott Roser: Spiritualität und Medizin. Gemeinsame Sorge für den kranken Menschen (= Münchener Reihe Palliative Care. Band 4). Kohlhammer, Stuttgart 2009; 2., aktualisierte Auflage 2011, ISBN 978-3-17-021875-8.

Artikel

  • Matthias Raaflaub: Mit Spiritualität durch die Krise. "Spiritual Care" zieht als neue Disziplin im Gesundheitswesen ein: Seelsorge, unabhängig von Religion und Konfession. Oft gehe es für Patienten um die Frage, was ihr Leben trage und nähre, sagt Hubert Kössler, Spitalseelsorger am Berner Inselspital. Tageszeitung Der Bund, Bern, 27. Dezember 2014
  • Spiritual Care in der Psychosomatischen Anthropologie. In: Eckhard Frick, Traugott Roser (Hrsg.): Spiritualität und Medizin. Gemeinsame Sorge für den kranken Menschen (= Münchener Reihe Palliative Care. Band 4). Kohlhammer, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-17-020574-1, S. 102–108.

Einzelnachweise

  1. Eckhard Frick, Traugott Roser: „Spiritual Care“ – zur spirituellen Dimension des Sterbens und der Sterbebegleitung. In: Sterben. Dimensionen eines anthropologischen Grundphänomens. Hrsg.: Franz-Josef Bormann und Gian Domenico Borasio, De Gruyter, Berlin 2012; S. 529
  2. WHO, Definition of Palliative Care, abgerufen am 25. April 2013.
  3. Niels Christian Hvidt als Professor für Spiritual Care (Memento des Originals vom 18. Januar 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.klinikum.uni-muenchen.de, abgerufen am 6. Juli 2015.
  4. Jakob Wetzel: Professur für Betreuung Sterbender: Am Ende. sueddeutsche.de, 4. Juli 2015, abgerufen am 6. Juli 2015.
  5. Stiftungsprofessur für Spiritual Care wiederbesetzt. Pressemeldung Klinikum der Universität München vom 7. Juli 2017. Abgerufen am 23. Januar 2019
  6. Kashouvot, abgerufen am 25. April 2013.
  7. National Association of Jewish Chaplains, abgerufen am 25. April 2013.
  8. Sogyal Rinpoche: Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben. Ein Schlüssel zum tieferen Verständnis von Leben und Tod. 1. Auflage. O. W. Barth Verlag, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3502611130
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