Spalier
Ein Spalier (französisch espalier, vgl. evtl. italienisch: spalla = Stütze, Schulter) ist eine meist gitterartige Konstruktion, an der traditionell Nutzpflanzen (Obstbaumtriebe, Weinreben) befestigt und in eine gewünschte Wuchsform gebracht werden können. In der Unterscheidung zu einer Kletterhilfe bzw. einem Rankgerüst, an denen Kletterpflanzen eigenständig emporwachsen, werden an einem Spalier verschiedene nicht kletternde Pflanzen bzw. ihre Triebe regelmäßig angebunden. Spaliere werden ebenso für Zierpflanzen (z. B. Rosen) oder auch ganz ohne Pflanzen (als reines Ornament) verwendet.
Ein Spalier kann an einer Hauswand angebracht sein oder als freistehende Konstruktion errichtet werden. Spaliere können aus Holz, Metall, Draht oder Faserverbundwerkstoffen, z. B. glasfaserverstärktem Kunststoff gebaut werden.
Ein freistehendes Spalier wird auch als Pergola bezeichnet.
Geschichte
Unter Spalier (frz. espalier) verstand man im Gartenbau ursprünglich die Kulturform des Spalierobstes, auch Obsthecke (palissade) genannt. Sie entstand Ende des 16. Jahrhunderts in Frankreich. Die Obsthecke konnte an einer Wand oder frei stehen. Im letzteren Fall sprach man von contrespalier. Man verwendete im 16. Jahrhundert noch keine hölzernen Gerüste, sondern hielt die Obsthecken nur äußerlich in Form und band sie notdürftig an der Wand fest. Der Begriff espalier (Spalier) hatte ursprünglich nichts mit Lattengerüsten zu tun. Es gab auch noch keine besondere Schnitt-Technik. Die Gehölze wuchsen innerhalb der Hecke weitgehend frei.
In der Mitte des 17. Jahrhunderts kam in Frankreich Spalierobst en eventail auf. Das bedeutet, dass die Bäume in eine bestimmte, fächerförmige Form geleitet wurden.
Mitte des 18. Jahrhunderts leitete René Schabol die Aufmerksamkeit auf eine in Montreuil neu entwickelte Spalierbaumform, bei der wie beim Zwergbaum der Leittrieb entfernt wurde und ihm nur zwei etwa im 45-Grad-Winkel aufstrebende Äste belassen wurden, von denen die Zweige ungefähr senkrecht und waagerecht abgingen. Diese Form – auch Palmette à la Montreuil oder palmette quarrée genannt – wirkte geometrischer als die bisherigen. Sie war wie der Fächer eigentlich für den Pfirsich entwickelt worden, eignete sich aber noch viel besser für Birnen- und Apfelbäume.
Spalierbäume mit exakt in die Senkrechte und in die Waagerechte geleiteten Ästen (palmette à cordon horizontal) tauchen zuerst im 18. Jahrhundert in den Niederlanden und in England auf. Diese aufwändigere Form des Spalierobstes ermöglichte die Verwendung starkwüchsiger Birnensorten, die auf diese Weise wohl zehn laufende Meter einer Mauer einnehmen konnten. Angeblich gewährleistete nur sie die gleichmäßige Verteilung des Saftes am Spalier.
Im 19. Jahrhundert entstanden viele weitere Spalierobstformen, darunter:
- Die Armleuchter-Palmette (palmette-candelabre) mit senkrechten Ästen, die von einem tief stehenden waagerechten Ast abgehen
- U-Formen (cordon vertical)
- U-Palmetten, bei denen der Baum in ein bis vier U-Formen geteilt wird, die nebeneinander gereiht sind
- Die Verrier-Palmette mit konzentrischen U-Formen abnehmender Größe, benannt nach Louis Verrier, einem Gartenbaulehrer, der sie um 1850 entwickelte
- Die Palmette mit schrägen Ästen (palmette à branches obliques) und
- Schräger Cordon (cordon obliques)
Konstruktionsformen
Das Latten- und Drahtwerk, woran Rebstöcke und Obstbäume in die Breite gezogen und mit den Ästen und Zweigen angebunden werden, kann vorzugsweise an Mauern oder Hauswänden angebracht werden, die nach Süden ausgerichtet sind. Für das tragende Gerüst werden spezielle Pfosten aus Holz verwendet, die im Weinbau auch als Stickel bezeichnet werden. An dem Spalier wird mit Drahthaken ein plastifizierter oder ein einfacher verzinkter Eisendraht befestigt, der über einen Spannstickel am Zeilenanfang und am Zeilenende eines Spaliers und einen Stabanker straff gespannt wird. Das Nachspannen erfolgt über ein Spannschloss bzw. mittels speziellen Heftketten. Die Zuglast kann je nach Nutzpflanze, Erziehungsform und Zeilenlänge auf den verwendeten Draht und die Stickel sehr groß werden. An besonders belasteten Stellen im Spalier können deshalb Querhölzer zwischen den Stickeln so angebracht werden, dass die Zugspannung in den Boden abgeführt wird. Am Spannstickel, der die größte Zuglast zu tragen hat, empfiehlt sich neben dem Stabanker außerdem die Verwendung eines Keilholzes, das die Kräfte über die zwei folgenden Stammstickel gleichmäßig in den Boden ableitet.
Anwendung
Obstbau
Spaliere existieren besonders im Obstbau und auch auf freiem Feld, um den Bäumen eine erntegerechte Gestalt zu geben. Diese Spalierbäume unterscheiden sich vom Pyramidenanbau durch die Stellung ihrer Äste, welche nicht in einer Spirallinie um den Stamm stehen, sondern paarweise, möglichst einander gegenüber rechts und links die möglichst waagerechten Leitäste bilden. Diese speziell für den Einsatz von Erntemaschinen ausgelegte Anbauweise ermöglicht es, durch die Reihen des platzsparenden Spalierobstes (eine Art Formobst) zu fahren, ist jedoch für die Nutzpflanze mit zahlreichen Nachteilen verbunden. Die lineare Ausrichtung macht die Anlagen besonders windanfällig. Die einheitlichen Abstände zwischen den Nutzpflanzen und die breiten Lesegassen führen zu einer rascheren Austrocknung des Bodens und erhöhen damit dessen Erosionsneigung. Zur Vermeidung von Trockenstress müssen Pflanzen an solchen Spalieren deshalb häufig künstlich bewässert werden.
Weinbau
- Etagenerziehung mit Reben auf Holzlatten- historische Abbildung.
- Spalierreben an der Südfront der Lehranstalt in Geisenheim/R. – historische Abbildung.
- Weingarten mit Spaliererziehung in Südtirol.
Andere Bedeutungen
Als Spalier bezeichnet man auch die Aufstellung von Truppen oder Personen in Reihen zu beiden Seiten einer Strecke. Eine solche Gasse aus zwei Reihen stehender Personen und/oder von berittenen Tieren (Spalier stehen) wird zur Ehrerbietung an besondere Personen oder bei besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Taufen oder Todesfällen gebildet sowie zur Bestrafung (Spießrutenlaufen).
Die Spalierwuchs genannte Wuchsform bestimmter Alpenpflanzen wurde ebenfalls von dieser Struktur abgeleitet.
In der Gastronomieküche bezeichnet Spalier eine essbare Gewürz- oder Geschmacksdekoration, welche als letztes herausragend auf der Speise drapiert wird.
Literatur
- Marina Heilmeyer, Lutz Grope, Gerd Schurig, Clemens Alexander Wimmer: Beste Birnen bei Hofe. Potsdamer Pomologische Geschichten . Vacat, Potsdam 2004, ISBN 3-930752-29-8.
- Klaus Wallach: Des arbres fruitiers élevés en espalier oder: Die Kunst des Spalierbaus in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Die Gartenkunst 1 (2/1989), S. 193–205.