Roger Norrington
Leben
Roger Norrington lernte als Kind Geige und Gesang. Ein 1946 in England stark beachtetes Konzertgastspiel der Berliner Philharmoniker unter Wilhelm Furtwängler war Grundlage seines Entschlusses, Dirigent zu werden.
Norrington studierte an der Westminster School Geschichte und an der Universität von Cambridge englische Literatur, während dieser Zeit betätigte er sich schon als Chorleiter von Amateurensembles.[1] Musik studierte er am Royal College of Music.
Historische Aufführungspraxis in London
Er gründete mehrere Ensembles, die sich der historischen Aufführungspraxis verpflichtet fühlen, so den Schütz Choir of London und die London Classical Players. Mit dem letztgenannten Orchester war er einer der ersten, die auch Werke des 19. Jahrhunderts auf altem Instrumentarium, mit alter Besetzung und Aufstellung spielen ließen, ohne das damals ungebräuchliche, erst in den 1920er-Jahren übernommene, sogenannte Caféhaus-Vibrato.[2] Besondere Beachtung fand dabei eine Gesamteinspielung der Sinfonien und Klavierkonzerte Beethovens.
Über Salzburg nach Stuttgart zum Stuttgart Sound
1997 übernahm Norrington die Leitung der Camerata Salzburg, ab 1998 war er Chefdirigent beim Radio-Sinfonieorchester Stuttgart. Mit „seinem“ Radio-Sinfonieorchester hat Norrington ein ganz individuelles Klangbild erarbeitet, das von der Fachpresse gerne als Stuttgart Sound[3][4][5] tituliert wird. Gemeint ist damit die Synthese von historisch informiertem Musizieren mit den Mitteln eines modernen und flexiblen Rundfunk-Klangkörpers. Insbesondere macht Norrington sehr spärlichen Gebrauch des Vibrato, verwendet oft sehr zügige Tempi und variiert die Aufstellung der Instrumente auf der Bühne. Sinfonische Zyklen mit Werken von Mozart, Beethoven, Berlioz, Mendelssohn, Schumann, Brahms, Bruckner und Mahler, die Norrington in den letzten Jahren mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart interpretiert hat, haben weltweite Beachtung gefunden. Innerhalb der Stuttgarter Musikerschaft blieb Norringtons Aufführungspraxis jedoch nicht unumstritten. So zeichnete beispielsweise der Bratschist des Melos Quartetts, Hermann Voss, im Jahre 2005 zwei derbe Karikaturen zum vibratofreien Streicherklang Norringtons und schrieb dazu: „Außer im Stuttgarter Feuilleton findet the New Stuttgart Style bloß Hohn und Spott.“[6][7]
Zürich
Ende Juli 2011 gab Norrington seinen Posten am RSO Stuttgart auf. Ab der Saison 2011/12 bis 2016 war er als Principal Conductor des Zürcher Kammerorchesters tätig.[8]
Sonstige Dirigententätigkeit
Norrington ist ein weltweit gefragter und mit häufigen Gastdirigaten beauftragter Orchesterleiter. Am 13. September 2008 dirigierte Norrington in London erstmals die Last Night of the Proms. Von 2006 bis 2009 war er künstlerischer Berater der Bostoner Handel and Haydn Society. Er war erster Gastdirigent des Orchestre de Chambre de Paris und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Er hat über 50 Uraufführungen dirigiert und ist regelmäßig mit den Berliner Philharmonikern, den Wiener Philharmonikern und vielen bedeutenden Orchestern auf der ganzen Welt aufgetreten.
Norrington beendete seine über 50-jährige Karriere am 18. November 2021 mit einem Haydn-Programm am Pult der Royal Northern Sinfonia.[9]
Ehrungen
- Nobilitierung als Knight Bachelor (1997)
- Grammy Awards 2000 für die Einspielung des Violinkonzerts von Nicholas Maw mit dem London Philharmonic Orchestra[10]
- Echo (Musikpreis), für die Aufnahme der 1. Sinfonie von Edward Elgar (2001)
- Grammy-Nominierung für die Einspielungen der Beethoven-Sinfonien mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart (2003)[10]
- Midem Classical Award (2004)
- Record Geijutsu Award (2004)
- Bremer Musikfest-Preis (2004)
- Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (30. September 2011)[11]
Weblinks
- Medien von und über Roger Norrington im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Interview zu Norrigtons 75. Geburtstag in „Zeit Online“
- Sir Roger Norrington im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Einzelnachweise
- Literatur- und Geschichtsstudium (Memento vom 24. April 2014 im Internet Archive)
- Volker Tarnow: Er verbot den Geigern das Vibrato. In: Berliner Morgenpost, 16. März 2009
- Bettina Straub: Stuttgart-Sound aus der Liederhalle. In: Deutschlandfunk, 25. November 2005
- ARD: Sir Roger Norrington – Dirigent zwischen Stuttgart und Berkshire . In: programm.ard.de, 24. Oktober 2010
- Kerstin Gebel: Pionier am Dirigierpult: Roger Norrington wird 85. In: SWR.de, 14. März 2019
- Hermann Voss: Hackordnungen im Quadrat – Bleistiftzeichnungen von Hermann Voss. Res Novae Verlag, Aulendorf 2017, S. 80ff, ISBN 978-3981825510
- Edwin Baumgartner: Roger Norrington tritt ab. In: wienerzeitung.at, 9. November 2021
- Daniel Hope to replace Sir Roger Norrington in Zurich. Gramophone, 28. April 2015, abgerufen am 27. April 2017.
- BR-Klassik vom 11. November 2021: Dirigent Roger Norrington beendet Karriere. Ein Abschied mit Haydn, von Johann Jahn, abgerufen am 20. November 2021
- Grammy.com: GRAMMY Award Results for Roger Norrington. abgerufen am 10. Juli 2018
- Bundespräsidialamt