Singspiel

Das Singspiel ist ein Schauspiel mit musikalischen Einlagen (Lieder, Tänze, Instrumentalsätze) und meist heiterem Grundcharakter. Im Unterschied zur Opera buffa hat das Singspiel zwischen den Gesangsnummern keine Rezitative, sondern gesprochene Dialoge. Das „deutsche Singspiel“ ist im 18. Jahrhundert aus der Opéra comique entstanden.

Geschichte

Die Bezeichnung Singspiel existiert in Deutschland seit dem 16. Jahrhundert für szenische Madrigale sowie kirchliche, höfische und städtische Spiele, in denen Musik eine Rolle spielte. Im Barock entwickelte sich das pastorale Singspiel nach italienischem Vorbild mit Heinrich SchützTragicomoedia von der Dafne (1627, Libretto von Martin Opitz). In dieser Zeit wird die Bezeichnung Singspiel noch recht unspezifisch für musikalische Theaterereignisse aller Art verwendet und dient bestenfalls zur Unterscheidung der deutschsprachigen Stücke von den aus dem romanischen Sprachgebiet importierten Operas.

Das Singspiel als einigermaßen klar definierte Gattung des Musiktheaters entwickelte sich etwa seit 1700 als bürgerliches Gegenstück zur höfischen Oper. Im Unterschied zur Oper tritt im Singspiel an die Stelle der Arie zunächst das Lied und an die Stelle des Rezitativs das gesprochene Wort. Einfachere Singspiele, in die statt neu komponierter Arien bekannte Lieder eingelegt waren wie bei den französischen Vaudevilles, nannte man oft Liederspiele.

1776 erklärte Joseph II. das Französische Theater in Wien (das heutige Burgtheater) zum Teutschen Nationaltheater und förderte dort die Aufführung deutscher Singspiele zur Überwindung der französischen Vorbilder. In diesem Zusammenhang entstanden Salieris Der Rauchfangkehrer (1781) und Mozarts Die Entführung aus dem Serail (1782). Das „Wiener Nationalsingspiel“ verband Traditionen des Alt-Wiener Volkstheaters mit der Opera buffa und der Opera seria. In der freien, kommerziellen Theaterszene entstand dagegen Mozarts Zauberflöte (1791), die als große Oper gelten sollte. Auch Johann Wolfgang von Goethe und Christoph Martin Wieland schrieben Texte zu Singspielen, die auf den lokalen Rahmen beschränkt blieben.

Weil Wien die größte Stadt im deutschen Sprachgebiet war, hatte das populäre Singspiel hier gute Entwicklungsmöglichkeiten. Etwas provinzieller war das nord- und mitteldeutsche Singspiel, das sich gleichfalls an der englischen ballad opera und der französischen comédie melée d'ariettes orientierte. Aus den anfänglichen reinen Übersetzungen englischsprachiger und französischer Stücke entwickeln sich bald eigenständige Bühnenstücke, die um Arien und Libretti ergänzt werden.[1] Durch Johann Adam Hillers Einfluss erreichte das deutschsprachige Singspiel seine Blütezeit im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts. Das alles überstrahlende Vorbild dafür waren die Opéras comiques des Pariser Jahrmarktstheaters. Singspiele hatten häufig einen komödiantischen Charakter, weil bürgerliche Bühnenereignisse nach Maßgabe der Ständeklausel noch Komödien sein mussten. Seitdem dieses Gebot an Einfluss verlor, wurden Singspiele auch benutzt, um ernste Inhalte zu vermitteln. Beispiele hierfür sind die Mozartschen Singspiele oder Ludwig van Beethovens Fidelio (1805), dessen erster Akt eine Art Singspiel ist. Populär in der Biedermeierzeit wurden Rührstücke in Singspielmanier nach dem Vorbild von Étienne-Nicolas Méhuls Joseph (1807), so wie Joseph Weigls Die Schweizer Familie (1809).

Im 19. Jahrhundert war das Singspiel ein Gegenpol zur viel aufwändiger produzierten großen Oper und konnte auch von wandernden Theatertruppen aufgeführt werden, aus denen Autoren wie Albert Lortzing hervorgingen. Der Autor, Dramaturg und Regisseur Karl von Holtei etwa pflegte das Singspiel im Königsstädtischen Theater Berlin. Ebenso bestand ein großer Teil des Repertoires der Wiener Vorstadttheater aus Singspielen, deren Abgrenzung zur Posse mit Gesang oft nicht scharf ist.

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nannte man kleinere Operetten oft „Singspiel“ (vgl. Singspielhalle). Im 20. Jahrhundert entstand vor allem in London und New York City die Musical Comedy. Im deutschen Sprachraum populär geworden ist das auf dafür geschaffenen heiteren Volksschlagermelodien beruhende und so bezeichnete Singspiel (im eigentlichen Sinn war es bei der Uraufführung eine Revue-Operette) „Im Weißen Rössl“ von 1930.

Ideologische Zuschreibungen

Die starke Abhängigkeit des Singspiels von den Stücken der Pariser Jahrmarktstheater wurde durch die deutsche Literatur- und Musikwissenschaft lange Zeit verschwiegen. Eine deutsch-nationalistische Kulturgeschichtsschreibung hat in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versucht, eine Geschichte des Singspiels unabhängig von französischen Einflüssen zu konstruieren. So gab es die Auffassung, dass sich aus Hillers Singspielen und Mozarts Zauberflöte linear eine Deutsche Spieloper und eine Deutsche Romantische Oper entwickelt hätten oder dass aus dem Wiener „Nationalsingspiel“ die Wiener Operette entstanden sei. Die deutschen Singspiele waren in der Fülle der marktbeherrschenden französischen Produkte allerdings nur Einzelereignisse, waren zumeist Bearbeitungen oder Übersetzungen französischer Vorlagen und konnten sich kaum von deren Einfluss lösen.

Werke

Literatur

  • Elisabeth Th. Hilscher-Fritz: Singspiel. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 5, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2006, ISBN 3-7001-3067-8.
  • Mara R. Wade: The German Baroque Pastoral Singspiel. Peter Lang, Bern 1990 (Berner Beiträge zur Barockgermanistik, Bd. 7). ISBN 3-261-04186-2
Commons: Singspiele – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Vorstellung von 5 Singspielkomponisten

Wiktionary: Singspiel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Karl H. Wörner, Lenz Meierott (1993): Geschichte der Musik. Ein Studien- und Nachschlagebuch. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
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