Siegburgit
Siegburgit ist eine Bernsteinart, die 1875 von Arnold von Lasaulx[1] beschrieben wurde. Der Name geht auf den Fundort Siegburg bei Bonn zurück. In tertiären Sanden des oberen Oligozän (Chattium) fielen beim Sandabbau im Raum Siegburg und Troisdorf feste, grauweiße, nierenförmige sowie unregelmäßig geformte knollige Konkretionen an. Sie bestehen aus Quarzsand, der durch ein Bindemittel aus fossilem Harz verfestigt ist. In einer anderen Gestalt kommt es am Fundort nicht vor. Eine neuere Beschreibung der Fundumstände stammt von 1968.[2] Wegen der leichten Brennbarkeit des Harzes wurden die Konkretionen als Brennmaterial und wegen des aromatischen Geruchs beim Verbrennen auch als sakrales Räuchermittel verwendet.
Offensichtlich war das sehr dünnflüssige Harz der Erzeugerpflanze auf die Sandoberfläche getropft und hatte das Porenvolumen des Sandes ausgefüllt, der Harzanteil beträgt meist weniger als 50 %. Fossile Harze in einer solchen Erscheinungsform sind sehr selten. Ein weiterer „Sandbernstein“, der aber nicht mit dem Siegburgit identisch ist, wurde nur aus dem unteren Miozän der Lausitz[3] beschrieben.
Der Siegburgit hat eine braunrote bis hyazinthrote Farbe, er ist nach neueren Untersuchungen[4] sehr spröde und lässt sich leicht pulverisieren. Klinger & Pitschki[5] fanden im Destillat der Pyrolyse viel Styrol und außerdem Zimtsäure, Benzol und Toluol. Die für den Bernstein (Succinit) charakteristische Bernsteinsäure fehlt dagegen. Sie schlussfolgerten, dass als Erzeugerpflanze nur eine Art der Gattung Liquidambar (Amberbäume, Familie: Hamamelidaceae, Zaubernussgewächse) in Frage käme. Wegen des hohen Anteils aromatischer Verbindungen ist Siegburgit ein natürliches Polystyrol. Nach der Systematik von Anderson & Grelling[6] gehört Siegburgit zur Klasse III.
In den 1990er Jahren begann infolge der Verwechselung des Siegburgit mit der Bernsteinart Beckerit eine Phase der Verwirrung. Der Beckerit wurde von Pieszczek[7] im Jahre 1880 anhand von Funden aus dem Samland beschrieben. Für dieses hellgraubraune Harz mit matter Oberfläche in knollen- und lamellenförmiger Gestalt und mit häufigen Holzabdrücken wurde als besonderes Merkmal eine extreme Zähigkeit erwähnt, die das Pulverisieren sehr erschwerte. Außerdem wurde das Fehlen von Bernsteinsäure festgestellt. In der im Jahre 1986 erschienenen Publikation über die Bernsteinarten des Bernsteinvorkommens Bitterfeld[8] war eines der fossilen Harze als Beckerit bezeichnet worden, insbesondere wegen der großen Zähigkeit sowie der äußeren Erscheinungsform der Fundstücke. Durch das Infrarotspektrum wurde ein beträchtlicher Anteil aromatischer Verbindungen nachgewiesen, ähnlich wie beim Siegburgit. Infrarotspektroskopische Nachuntersuchungen von als Beckerit bezeichneten Stücken verschiedener wissenschaftlicher Sammlungen[9][10] ergab, dass dieses Belegmaterial keine aromatischen Verbindungen enthält und wohl eher aus stark verunreinigtem Succinit besteht. Dies führte zur Vermutung, dass es sich bei dem Bitterfelder Harz mit aromatischen Bestandteilen um Siegburgit und nicht um Beckerit handeln könnte.[11] Die Versuche zum direkten Beweis durch Vergleich der Infrarotspektren der Harze von Siegburg und Bitterfeld[12] scheiterten am hohen Anteil der Fremdbestandteile des Siegburger Materials. Nachdem nunmehr von reiner Harzsubstanz Infrarotspektren vorliegen[4], ist zweifelsfrei erwiesen, dass das Harz aus Bitterfeld kein Siegburgit ist und das belegen auch die abweichenden physikalischen Eigenschaften. Vom Siegburgit gibt es bisher nur einen gesicherten Fundort.
Einzelnachweise
- Arnold von Lasaulx: Mineralogisch-krystallographische Notizen, I: Siegburgit, ein neues fossiles Harz. In: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1875, Stuttgart 1875, Seiten 128–133 (online)
- Gerhard Hentschel: Ein fossiles Harz aus dem Tertiär von Siegburg. In: Der Aufschluss - Zeitschrift für die Freunde der Mineralogie und Geologie, Jahrgang 19, Göttingen 1968, Seiten 289–290.
- Roland Fuhrmann: Der Sandbernstein aus dem Miozän der Lausitz, ein Siegburgit? In: Mauritiana, Band 24, Altenburg 2012, ISSN 0233-173X, Seiten 24–28 PDF
- Roland Fuhrmann: Die Bitterfelder Bernsteinarten. In: Mauritiana, Band 21, Altenburg 2010, ISSN 0233-173X, Seiten 13–58, PDF
- H. Klinger, R. Pitschki: Ueber den Siegburgit. In: Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft zu Berlin, Band 17, Heft 2, Berlin 1884, Seiten 2742–2746; referiert in: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1885, Stuttgart 1885, Seiten 377–378 (online)
- Ken B. Anderson, John C. Crelling: Amber, Resinite, and Fossil Resins. In: ACS Symposium. Series 617, Washington DC 1995, ISBN 978-0-8412-3336-2
- Ernst Pieszczek: Über einige neue harzähnliche Fossilien des ostpreußischen Samlandes. In: Archiv für Pharmacie, 3. Reihe, Band 14, Heft 6, Halle/Saale 1880, Seiten 433–436
- Roland Fuhrmann, Rolf Borsdorf: Die Bernsteinarten des Untermiozäns von Bitterfeld. In: Zeitschrift für angewandte Geologie, Band 32, Berlin 1986, Seiten 309–316, PDF.
- Barbara Kosmowska-Ceranowicz, Günter Krumbiegel: Geologie und Geschichte des Bitterfelder Bernsteins und anderer fossiler Harze. In: Hallesches Jahrbuch für Geowissenschaften, Band 14, Gotha 1989, Seiten 1–25
- C.W. Beck, J.B. Lambert, J.S. Frye: Beckerite. In: Physics and Chemistry of Minerals, Band 13, Heidelberg 1986, Seiten 411–414.
- Günter Krumbiegel, Barbara Kosmowska-Ceranowicz: Vorkommen von Glessit, Siegburgit (?) und Krantzit im Tertiär Mitteldeutschlands (Bitterfeld, Niederlausitz). In: Fundgrube, Band 26, Heft 3, Berlin 1990, Seiten 78–81.
- Günter Krumbiegel, Barbara Kosmowska-Ceranowicz: Fossile Harze der Umgebung von Halle (Saale) in der Sammlung des Geiseltalmuseums der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Halle, Band XXXXI’92, Heft 6, Halle 1992, Seiten 5–35
Literatur
- Norbert Vávra: Chemie des Baltischen und Bitterfelder Bernsteins: Methoden, Möglichkeiten, Resultate. In Exkursionsführer und Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften (EDGG), Heft 236, S. 69–76, 5 Abb., 2008. ISBN 978-3-936617-86-3