Sickendorf
Sickendorf ist ein Stadtteil der Kreisstadt Lauterbach des mittelhessischen Vogelsbergkreises. Der Ort liegt in Mittelhessen westlich von Lauterbach.
Sickendorf Stadt Lauterbach | |
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Koordinaten: | 50° 38′ N, 9° 21′ O |
Höhe: | 351 (332–380) m ü. NHN |
Fläche: | 2,74 km²[1] |
Einwohner: | 163 (31. Dez. 2016)[2] |
Bevölkerungsdichte: | 59 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 1. Februar 1972 |
Postleitzahl: | 36341 |
Vorwahl: | 06641 |
Geschichte
Ortsgeschichte
Die älteste bekannte schriftliche Erwähnung von Sickendorf erfolgte im Jahr 1454 unter dem Namen Sickendorff.[1] Im Ort steht das Schloss der Adelsfamilie Riedesel mit einem von den Gebrüdern Siesmayer gestalteten Schlosspark.
Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1830 über Sickendorf:
„Sickendorf (L. Bez. Lauterbach) evangel. Filialdorf; liegt im Vogelsberg 3⁄4 St. von Lauterbach, und gehört dem Freiherrn von Riedesel. Man findet 10 Häuser und 113 Einwoher, die evangelisch sind. Dieses Dorf wird, im Gegensatze mit dem hierher gehörigen Hofe Untersickendorf, auch öfters Obersickendorf genannt.“[3]
Zum 1. Februar 1972 wurde die bis dahin selbständige Gemeinde Sickendorf im Zuge der Gebietsreform in Hessen auf freiwilliger Basis in die Kreisstadt Lauterbach eingegliedert.[4] Für Sickendorf wurde, wie für die übrigen durch die Gebietsreform nach Lauterbach eingegliederten Gemeinden, ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher eingerichtet.[5]
Verwaltungsgeschichte im Überblick
Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Sickendorf angehört(e):[1][6][7]
- vor 1567: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen, Gericht Engelrod der Freiherren Riedesel zu Eisenbach
- ab 1567: Heiliges Römisches Reich, Gericht Engelrod[8]
- 1604–1648: Heiliges Römisches Reich, strittig zwischen Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und Landgrafschaft Hessen-Kassel (Hessenkrieg)
- ab 1623: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, Gericht Engelrod (Freiherren Riedesel zu Eisenbach)[9]
- 1787: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, Oberfürstentum Hessen, Amt Ulrichstein, Gericht Engelrod
- ab 1806: Großherzogtum Hessen,[Anm. 2] Fürstentum Oberhessen, Amt Ulrichstein, Gericht Engelrod[10][11]
- ab 1815: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Amt Engelrod der Freiherren Riedesel zu Eisenbach[12]
- ab 1821: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landratsbezirk Herbstein[13][Anm. 3]
- ab 1825: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landratsbezirk Lauterbach
- ab 1848: Großherzogtum Hessen, Regierungsbezirk Alsfeld
- ab 1852: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Lauterbach
- ab 1867: Norddeutscher Bund,[Anm. 4] Provinz Oberhessen, Kreis Lauterbach
- ab 1871: Deutsches Reich, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Lauterbach
- ab 1918: Deutsches Reich (Weimarer Republik), Volksstaat Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Lauterbach
- ab 1938: Deutsches Reich, Volksstaat Hessen, Landkreis Lauterbach[14][Anm. 5]
- ab 1945: Amerikanische Besatzungszone,[Anm. 6] Groß-Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Lauterbach
- ab 1946: Amerikanische Besatzungszone, Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Lauterbach
- ab 1949: Bundesrepublik Deutschland, Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Lauterbach
- ab 1972: Bundesrepublik Deutschland, Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Vogelsbergkreis, Stadt Lauterbach
- ab 1981: Bundesrepublik Deutschland, Hessen, Regierungsbezirk Gießen, Vogelsbergkreis, Stadt Lauterbach
Gerichtszugehörigkeit seit 1803
In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für das Fürstentum Oberhessen (ab 1815 Provinz Oberhessen) wurde das „Hofgericht Gießen“ eingerichtet. Es war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen und somit war für Sickendorf ab 1806 das „Patrimonialgericht der Freiherren Riedesel zu Eisenbach“ in Engelrod zuständig. Nach der Gründung des Großherzogtums Hessen 1806 wurden die Aufgaben der ersten Instanz 1821–1822 im Rahmen der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung auf die neu geschaffenen Land- bzw. Stadtgerichte übergingen. Dafür wurde das standesherrliche „Landgericht Lauterbach“ geschaffen. Erst infolge der Märzrevolution 1848 wurden mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 die standesherrlichen Sonderrechte endgültig aufgehoben.[15]
Anlässlich der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1879, infolge derer die bisherigen großherzoglich hessischen Landgerichte durch Amtsgerichte an gleicher Stelle ersetzt wurden, während die neu geschaffenen Landgerichte nun als Obergerichte fungierten, kam es zur Umbenennung in „Amtsgericht Lauterbach“ und Zuteilung zum Bezirk des Landgerichts Gießen.[16]
Am 1. Januar 2005 wurde das Amtsgericht Lauterbach als Vollgericht aufgehoben[17] und zur Zweigstelle des Amtsgerichts Alsfeld.[18] Zum 1. Januar 2012 wurde auch diese Zweigstelle geschlossen.[19]
Bevölkerung
Einwohnerstruktur 2011
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Sickendorf 168 Einwohner. Darunter waren 6 (1,8 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 33 Einwohner unter 18 Jahren, 63 zwischen 18 und 49, 36 zwischen 50 und 64 und 26 Einwohner waren älter.[20] Die Einwohner lebten in 66 Haushalten. Davon waren 12 Singlehaushalte, 21 Paare ohne Kinder und 27 Paare mit Kindern, sowie 6 Alleinerziehende und 3 Wohngemeinschaften. In 18 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 42 Haushaltungen lebten keine Senioren.[20]
Einwohnerentwicklung
• 1806: | 48 Einwohner, 9 Häuser[11] |
• 1829: | 113 Einwohner, 10 Häuser[3] |
• 1867: | 109 Einwohner, 13 bewohnte Gebäude[21] |
• 1875: | 91 Einwohner, 13 bewohnte Gebäude[22] |
Sickendorf: Einwohnerzahlen von 1800 bis 2015 | ||||
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Jahr | Einwohner | |||
1800 | 26 | |||
1806 | 48 | |||
1829 | 113 | |||
1834 | 113 | |||
1840 | 107 | |||
1846 | 116 | |||
1852 | 108 | |||
1858 | 104 | |||
1864 | 125 | |||
1871 | 77 | |||
1875 | 91 | |||
1885 | 111 | |||
1895 | 93 | |||
1905 | 138 | |||
1910 | 134 | |||
1925 | 144 | |||
1939 | 139 | |||
1946 | 255 | |||
1950 | 275 | |||
1956 | 226 | |||
1961 | 195 | |||
1967 | 193 | |||
1970 | 181 | |||
1980 | ? | |||
1990 | ? | |||
2003 | 198 | |||
2005 | 165 | |||
2011 | 168 | |||
2015 | 163 | |||
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: [1]; stadt Lauterbach[2]; Zensus 2011[20] |
Historische Religionszugehörigkeit
• 1829: | 113 evangelische (= 100 %) Einwohner[3] |
• 1961: | 138 evangelische (= 70,77 %) und 38 (= 19,49 %) katholische Einwohner[1] |
Politik
Ortsvorsteher ist Jens Ziemer..(Stand: Juni 2022)[23]
Persönlichkeiten
- Johann Wilhelm Riedesel zu Eisenbach (1705–1782), sächsisch-eisenachischer Hofgerichtsrat, Reichskammergerichtsassessor und zuletzt herzoglich braunschweigisch-lüneburgischer Geheimrat im Fürstbistum Osnabrück
Infrastruktur
- Im Ort treffen sich die Landesstraßen 3144 und 3161.
- Nördlich des Ortes gibt es auf dem Gelände des ehemals riedeselschen Hofgutes einen Golfplatz.
Anmerkungen und Einzelnachweise
Anmerkungen
- Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung waren die Ämter und frühen Gerichte sowohl Gericht als auch Verwaltungsorgan.
- Mediatisierung infolge der Rheinbundakte.
- Trennung zwischen Justiz (Landgericht Lauterbach; Patrimonialgerichtsbarkeit der Freiherren Riedesel zu Eisenbach) und Verwaltung.
- Der Norddeutsche Bund war der erste deutsche Bundesstaat unter der Führung Preußens. Er war die geschichtliche Vorstufe des Deutschen Reichs. Infolge des Deutschen Krieges wurde die Provinz Oberhessen dort zwangsweise Mitglied.
- Im Zuge der Gebietsreform 1938 wurde die Provinz Oberhessen aufgelöst.
- Infolge des Zweiten Weltkriegs.
Einzelnachweise
- Sickendorf, Vogelsbergkreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 4. Mai 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Einwohnerzahlen nach Ortsteilen. (PDF; 55 kB) In: Internatauftritt. Stadt Lauterbach, archiviert vom ; abgerufen im Mai 2018.
- Georg Wilhelm Justin Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt August 1830, OCLC 312528126, S. 268 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 368.
- Hauptsatzung. (PDF; 30 kB) §; 6. In: Webauftritt. Stadt Lauterbach, abgerufen im März 2019.
- Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
- Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC 162730471, S. 12 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Die Zugehörigkeit des Gerichts Engelrod anhand von Karten aus dem Geschichtlicher Atlas von Hessen: Hessen-Marburg 1567–1604., Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt 1604–1638. und Hessen-Darmstadt 1567–1866.
- Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC 162730471, S. 13 ff., § 24 Punkt d) XI. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Wilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins : vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band 3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, OCLC 165696316, S. 9 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1806. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1806, S. 280 ff. (Online in der HathiTrust digital library).
- Neuste Länder und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und die freien Städte. Band 22. Weimar 1821, S. 426 (online bei Google Books).
- Georg W. Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt 1830, S. 158 ff. (online bei Google Books).
- Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr. 8, S. 121 ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2 MB]).
- Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren vom 7. August 1848. In: Großherzog von Hessen (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1848 Nr. 40, S. 237–241 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 42,9 MB]).
- Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1879 Nr. 15, S. 197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 17,8 MB]).
- Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes (GVBl. I S. 507–508) vom 20. Dezember 2004. In: Der Hessische Minister der Justiz (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 2004 Nr. 24, S. 507–508 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,4 MB]).
- Vierte Verordnung zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Regelungen. Art. 1 §4 Abs. 1 (GVBl. I S. 552) vom 29. Dezember 2004. In: Der Hessische Minister der Justiz (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 2004 Nr. 25, S. 552 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,2 MB]).
- Fünfte Verordnung zur Änderung der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 9. Dezember 2010 (GVBl. I S. 709–710)
- Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,1 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 38 und 78, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2020 .
- Wohnplätze 1867. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1877, OCLC 162730484, S. 120 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Wohnplätze 1875. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 15. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1877, OCLC 162730484, S. 18 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Ortsvorsteher in den Stadtteilen. In: Internetauftritt. Stadt Lauterbach, abgerufen im Juni 2022.
Literatur
- Suche nach Sickendorf. In: Archivportal-D der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Literatur über Sickendorf nach Register nach GND In: Hessische Bibliographie
- Literatur über Lauterbach-Sickendorf nach GND In: Hessische Bibliographie
Weblinks
- Stadtteil Sickendorf. Stadt Lauterbach, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 11. Februar 2013 .
- Sickendorf, Vogelsbergkreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).