Sesam
Sesam (Sesamum indicum; Synonym: Sesamum orientale) ist eine Pflanzenart aus der Familie der Sesamgewächse (Pedaliaceae). Er ist eine weit verbreitete Kulturpflanze und vermutlich eine der ersten gezielt angebauten Ölpflanzen.
Sesam | ||||||||||||
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Sesam (Sesamum indicum) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Sesamum indicum | ||||||||||||
L. |
Wortherkunft
Das Wort „Sesam“ wurde spätestens im 16. Jahrhundert ins Deutsche[1] entlehnt aus lateinisch sēsamum und ähnlichen Formen, die aus griechisch σήσαμον sēsamon und ähnlichen Formen übernommen worden waren, wohin sie wahrscheinlich aus einer semitischen Sprache gelangten.[2][3]
Beschreibung
Sesam ist eine einjährige, krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 10 bis 120, selten bis 180 Zentimeter erreicht, und verzweigt oder unverzweigt vorkommt. Die Stängel sind stumpf viereckig, gefurcht und kahl bis fein behaart und häufig besetzt mit Drüsen.
Die sehr variablen, drüsenbesetzten und fein behaarten, gestielten Laubblätter sind gegen- oder wechselständig angeordnet. Die unteren Blätter sind eiförmig bis eiförmig-lanzettlich, die oberen dreiteilig gefiedert oder gelappt, 4 bis 20 Zentimeter lang, 2 bis 10 Zentimeter breit, am Ansatz gerundet bis stumpf, spitz zulaufend und am Rand gezähnt bis ganz. Die Blattstiele sind 3 bis 11 Zentimeter lang. Die oberen Blätter sind kurzgestielt mit 0,5 bis 3 Zentimeter Länge. Die oberen Blätter sind mit 0,5 bis 2,5 Zentimeter Breite schlanker, ganzrandig und länglich-lanzettlich bis linealisch-lanzettlich. Die Nebenblätter fehlen.
Die Blüten erscheinen achselständig in kleinen Büscheln. Die gestielten, eher unangenehm duftenden, zwittrigen Blüten sind fünfzählig mit doppelter Blütenhülle und weiß oder rosa bis purpur. Es sind jeweils zwei Tragblätter vorhanden. Der behaarte Kelch ist bleibend, die ungleichen Kelchzipfel sind länglich und 2 bis 5 Millimeter lang. Die außen drüsig behaarte, trichterförmige Krone mit kurzen Lappen ist 1,5 bis 3,3 Zentimeter lang, der untere Mittellappen ist vergrößert. Im Schlund sind oft Saftmale vorhanden. Die 4 didynamischen Staubfäden sind unbehaart. Die Staubbeutel sind 2 bis 3 Millimeter lang. Es ist ein Staminodium vorhanden oder es fehlt. Der oberständige, behaarte und zweikammerige, gelappte Fruchtknoten ist 1 bis 1,5 Millimeter lang und behaart, die Narbe ist zweilappig. Es ist ein Diskus vorhanden. Am Blüten- bzw. Fruchtstiel sind extraflorale Nektarien vorhanden.[4]
Die Frucht ist eine länglich-quadratische, fein behaarte und mit Drüsen besetzte, gelappte, spitze, 1,5 bis 3,5 Zentimeter lange und 6 bis 7 Millimeter breite, vielsamige, lokulizidale Kapsel. Die abgeflachten Samen sind 2,5 bis 3 Millimeter lang und 1,5 Millimeter breit und variieren farblich von schwarz, braun, gelblich bis weiß.
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 26.[5]
Verbreitung
Sesam ist ursprünglich in Teilen Indiens heimisch. Angebaut wird er heute in tropischen und subtropischen Gebieten weltweit.
Geschichte
Der kultivierte Sesam stammt von Sesamum malabaricum oder S. mulayanum aus Südasien ab, besonders von der Malabarküste, dem nordwestlichen Indien und dem pakistanischen Punjab. Sesam wurde ab der Mitte oder dem Ende des dritten Jahrtausends v. Chr. in Südindien domestiziert.[6] Von hier gelangte er in der Bronzezeit über den Seeweg nach Arabien und Mesopotamien.[7]
Indischer Subkontinent
Aus der Indus-Kultur ist Sesam nur aus Harappa bekannt, mit einer ungefähren Datierung von 3050–3500 v. Chr. (Tell F, Schnitt IV, Stratum V, Befund P8).[8] Im Laufe des 2. Jahrtausends hatte sich Sesam in weiten Teilen Indiens ausgebreitet. In seinem Leben des Apollonius von Tyana beschreibt Philostratus indisches Getreide, Bohnen und Sesamkörner, die alle besonders groß waren (Vita Apollonii: 3.5).[9]
Arabien und Mesopotamien
Funde in Mesopotamien erbrachten den Nachweis von Sesam vor 2000 v. Chr.
Die Identifikation von Sesam in Schriftquellen ist problematisch. Bei dem sumerischen še-giš-ì, akkadischen šamaššammū, hurritischen šumišumi, ugaritischen ssmn, hethitischen sapsama kann es sich um Sesam, aber auch um Flachs (Lein) handeln. Das verwandte arabische Wort سمسم simsim bedeutet „Sesam“, aber Bedigian und Harlan halten es für möglich, dass sich die Bedeutung „Ölfrucht“ allmählich auf Sesam eingeengt hat.[8] Sumerische Texte erwähnen še-giš-ì seit der Mitte des 3. Jahrtausends.[8]
In Hajar al-Rayhani wurde Sesam über Abdrücke in Keramik nachgewiesen.[10]
Afrika
Vermutungen, dass es Sesam bereits früh in Afrika gab, haben sich nicht bestätigt. Altägyptische Funde sind zweifelhaft, Sesam in Ägypten während der griechischen Zeit (4.–1. Jahrhundert v. Chr.) gilt jedoch als wahrscheinlich. Die frühesten Spuren von Sesam weiter südlich fanden sich im nubischen Ort Qasr Ibrim zwischen 300 und 500 n. Chr., die Pflanze könnte also von den Römern eingeführt worden sein. Ansonsten scheint die Pflanze erst seit der jüngsten Zeit in Afrika vorzukommen.[11]
Europa
Mineralisierte Sesamkörner aus samnitischer Zeit stammen aus Pompeii,[12] zusammen mit Feigen, Hirse und Weintrauben.[12]
Amerika
In Amerika wurde Sesam durch die Europäer eingeführt, vermutlich im Zuge des Sklavenhandels. Früheste Belege aus Surinam stammen von ca. 1687 aus dem Herbar Hendrik Meyers.[13] Der schwedische Botaniker Daniel Rolander berichtet 1755, dass die Sklaven Sesam in ihren Gärten anbauten.[14]
Verwendung
Die Samen, das Öl und die Wurzel des Sesams werden für therapeutische und kulinarische Zwecke verwendet. Die ölreichen Samen des Sesams werden zu Sesamöl verarbeitet, das vor allem zum Kochen verwendet wird – aus gerösteten Samen gepresst auch als würzende Zutat (z. B. japanisch Gomashio, koreanisch Kkaesogeum). Die ganzen Samen dienen – oft geröstet – zur Verfeinerung von Backwaren und zum Würzen von Speisen. Sesam gehört zu den selenreichsten Lebensmitteln (800 µg/100 g). Darüber hinaus enthält Sesam mit über 700 mg pro 100 g eine beachtliche Menge Calcium.[15] Sesam ist ein starkes Allergen und muss als deklarationspflichtiges Allergen bei verarbeiteten Lebensmitteln auch bei geringsten Mengen in der Zutatenliste angegeben werden.
Weitere Verwendungen:
- Tahina, eine Paste aus gemahlenen Sesamsamen in der arabischen Küche und wichtiger Bestandteil von Hummus und Baba Ganoush
- Dukkah, eine aus Ägypten und Nordafrika stammende Nuss-Sesam-Mischung, die mit Olivenöl gemischt als Dip für Fladenbrot, als Topping auf Salaten oder als Panade genutzt wird.
- Zhi ma jiang, chinesische Sesampaste aus geröstetem Sesam
- Sesamriegel, ein handlicher Snack, für den ganze Sesamkörner mit Honig oder Zucker verarbeitet werden.
Als Heilmittel dient das aus den reifen Samen durch Kaltpressung oder Extraktion und nachfolgende Raffination gewonnene fette Öl. Die Wirkstoffe sind Ölsäure und Linolsäure, daneben Palmitinsäure, Stearinsäure, Lignane, Sesamin, Sesamolin, Sterole.
Pharmazeutisch nutzt man Sesamöl in Salben. Es erleichtert das Ablösen von Hautschorf und Krusten und hat allgemein pflegende Eigenschaften bei trockener Haut.[16] In Injektionslösungen ist es als Lösungsmittel für fettlösliche Arzneimittel in Gebrauch. Das in Spuren enthaltene Sesamol besitzt zusammen mit Pyrethrum eine synergetische Wirkung in Insektenbekämpfungsmitteln.
Die Maroons in Surinam bauen Sesam an, um die Körner in religiösen Zeremonien zu verwenden, und um den vampirischen Azeman fernzuhalten.[17]
Die in der koreanischen Küche zum Einwickeln von Bulgogi, Galbi oder Samgyeopsal verwendeten „Sesamblätter“ (깻닢) sind nicht Blätter der Sesampflanze, sondern der Pflanze Perilla, die wegen der ähnlichen Blattform auch als „wilder Sesam“ bezeichnet wird.
Durchschnittliche Zusammensetzung
Je 100 g essbarem Anteil:[18]
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Anbau
Im Sudan wird die Pflanze im März gesät, wenn zwei Ernten angestrebt werden, oder in April/Juni für eine Ernte.[12] Sesam hat lange Wurzeln und ist damit sehr trockenheitsresistent.[19]
Wirtschaftliche Bedeutung
2021 wurden laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO weltweit 6.354.477 t Sesamsamen geerntet.
Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die zehn größten Produzenten von Sesamsamen weltweit, die insgesamt 78,9 % der Erntemenge produzierten.
Rang | Land | Menge (in t) |
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1 | Sudan | 1.119.026 |
2 | Indien | 817.000 |
3 | Tansania | 700.000 |
4 | Myanmar | 641.730 |
5 | Volksrepublik China | 455.400 |
6 | Nigeria | 440.000 |
7 | Burkina Faso | 270.000 |
8 | Tschad | 196.904 |
9 | Äthiopien | 190.000 |
10 | Südsudan | 182.153 |
Summe Top Ten | 5.012.213 | |
restliche Länder | 1.342.264 | |
Belastete Produkte
In ihrer Märzausgabe der Zeitschrift test von 2021 berichtet die Stiftung Warentest von Sesam-Produkten, die mit giftigem Ethylenoxid-Gas belastet sind. Dieses Gas wird verwendet, um Keime abzutöten. Das Gas Ethylenoxid ist krebserregend und erbgutverändernd. Für sein Abbauprodukt 2-Chlorethanol gibt es Hinweise darauf. Es ist in der EU verboten, kommt aber in Produkten aus Indien durchaus noch vor.[21] In Deutschland hat das Portal Lebensmittelwarnung.de seit September 2020 mehr als 40 Rückrufe veröffentlicht.[22] Auch die Seite Produktwarnung.eu veröffentlichte zahlreiche Rückrufe für Produkte, die belastete Sesamsamen enthielten, z. B. Burger-Buns, Knäckebrot, Brotaufstrich und so weiter. Sollte als Herkunftsland Indien auf der Packung stehen, rät Stiftung Warentest vom Verzehr ab.[23] Infolge wurden durch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen auch in der Schweiz zahlreiche Rückrufe veröffentlicht und neue Lieferungen erst freigegeben, wenn die Analyse gezeigt hat, dass sie unbelastet sind.[24] Bisher wurden Lebensmittel in der EU und der Schweiz nicht auf Ethylenoxid getestet.[25]
Literatur
- E. A. Bruce: Pedaliaceae. In: Flora of Tropical East Africa. 1953.
- Gernot Katzer: Sesam (Sesamum indicum L.). In: Gernot Katzers Gewürzseiten. Abgerufen am 21. September 2017 (auch mit vielen weiterführenden etymologischen Informationen).
- Petra Kolip: Sesam. (Mandelbaums kleine Gourmandisen, Nr. 40) Mandelbaum, Wien 2021.
- Ingrid und Peter Schönfelder: Das neue Buch der Heilpflanzen. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-440-12932-6.
- Dorothea Bedigian: Sesame. CRC Press, 2010, ISBN 978-0-8493-3538-9.
- T. K. Lim: Edible Medicinal and Non-Medicinal Plants. Volume 4: Fruits, Springer, 2012, ISBN 978-94-007-4052-5, S. 187–219.
Einzelnachweise
- Sesam. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden, 1854–1960. S. Hirzel, Leipzig (woerterbuchnetz.de).
- Sesam. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Abgerufen am 21. September 2017
- Douglas Harper: sesame (n.). In: Online Etymology Dictionary. Abgerufen am 21. September 2017 (englisch, weiterführende etymologische Informationen).
- Sesame bei Palomar College.
- Sesamum indicum bei Tropicos.org. In: IPCN Chromosome Reports. Missouri Botanical Garden, St. Louis
- Joy McCorriston: Breaking the Rain Barrier and the tropical Spread of Near Eastern Agriculture into Southern Arabia. In: Douglas J. Kennett, Bruce Winterhalder (Hrsg.): Behavioral Ecology and the Transition to Agriculture. University of California Press, Berkeley 2006, S. 229, JSTOR:10.1525/j.ctt1pn92q.15, Zugriff 2. November 2021.
- Dorothea Bedigian: History and Lore of Sesame in Southwest Asia. In: Economic Botany. Band 58, Nr. 3, 2004, S. 331.
- Dorothea Bedigian, Jack R. Harlan: Evidence for Cultivation of Sesame in the Ancient World. In: Economic Botany. Band 40, Nr. 2, 1986, S. 140, 142 f, JSTOR:4254846.
- René T. Cappers, Roman Foodprints at Berenike, Archaeobotanical Evidence of Subsistence and Trade in the Eastern Desert of Egypt. Cotsen Institute of Archaeology Press at UCLA, Berkeley 2006, S. 77.
- Christopher Edens, T. J. Wilkinson: Southwest Arabia during the Holocene: Recent archaeological Developments. In: Journal of World Prehistory. Band 12, Nr. 1, 1998, S. 99.
- D. Q. Fuller: Further Evidence of the Prehistory of Sesame. (PDF; 576 kB). In: Asian Agri-History. Band 7, Nr. 2, 2003, S. 127–137.
- Véronique Zech-Matterne, Margarete Tengberg, William van Andringa: Sesamum indicum L. (sesame) in 2nd century BC Pompeii, southwest Italy, and a review of early sesame finds in Asia and Europe. In: Vegetation History and Archaeobotany. Band 24, Nr. 6, 2015, S. 673, 675, Tabelle 1, JSTOR:43923100.
- Tinde R. van Andel, Amber van der Velden, Minke Reijers: The ‘Botanical Gardens of the Dispossessed’ revisited: richness and significance of Old World crops grown by Suriname Maroons. In: Genet Resour Crop Evol. Band 63, 2016, S. 696.
- Tinde R. van Andel, Amber van der Velden, Minke Reijers: The „Botanical Gardens of the Dispossessed“ revisited: richness and significance of Old World crops grown by Suriname Maroons. In: Genetic Resources and Crop Evolution. Band 63, 2016, S. 697.
- ernaehrung.de
- Rhinitis sicca – Nasenpflege mit Sesamöl. (Memento vom 17. Januar 2013 im Internet Archive) PTA.
- Tinde R. van Andel, Amber van der Velden, Minke Reijers 2016. The ‘Botanical Gardens of the Dispossessed’ revisited: richness and significance of Old World crops grown by Suriname Maroons. Genet Resour Crop Evol 63, 703
- Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie, Garching (Hrsg.): Lebensmitteltabelle für die Praxis. Der kleine Souci ·Fachmann Kraut. 4. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-8047-2541-6, S. 329.
- Sisay Ambachew Mekonnen, Assefa Sintayehu 2020. Performance Evaluation of Sesame under regulated Deficit Irrigation Application in the Low Land of Western Gondar, Ethiopia. International Journal of Agronomy. doi:10.1155/2020/3760349
- Crops > Sesame seed. In: Offizielle Produktionsstatistik der FAO für 2021. fao.org, abgerufen am 30. August 2022 (englisch).
- 4 von 44 Sesam-Produkten enthalten Schadstoffe, abgerufen am 28. Februar 2021.
- Lebensmittelwarnung.de
- Produktwarnung.eu veröffentlichte zahlreiche Produktrückrufe mit Sesamsamen aus der EU und der Schweiz, abgerufen am 28. Februar 2021.
- Yvonne Hafner, Peter Fritsche: Rückrufe wegen Ethylenoxid – Bund nimmt alle Sesam-Lieferungen aus Indien unter die Lupe. Schweizer Radio und Fernsehen, 16. Dezember 2020, abgerufen am 1. Juni 2021.
- Giftiger Import-Sesam: Probleme im Schweizer Kontrollsystem. Kassensturz (Fernsehsendung), 1. Juni 2021, abgerufen am 1. Juni 2021.