Sergei Sergejewitsch Babinez
Sergei Sergejewitsch Babinez (russisch Сергей Сергеевич Бабинец, wissenschaftliche Transliteration Sergej Sergeevič Babinec; * 10. Dezember 1988 in Tozkoje, Sowjetunion) ist ein russischer Jurist, Menschenrechtler und Leiter der Menschenrechtsorganisation Komitee gegen Folter, die sich für die öffentliche Untersuchung von Folterfällen in Russland einsetzt.
Ausbildung
2011 schloss er an der Orenburger Niederlassung der Moskauer staatlichen juristischen Universität sein Studium der Rechtswissenschaften, mit einer Spezialisierung auf Strafrecht, ab.
Tätigkeit als Menschenrechtler
Sergei Babinez begann seine Arbeit bei der Orenburger Abteilung der Menschenrechtsorganisation “Komitee gegen Folter”[1][2]. Im Jahr 2013 wurde er Leiter von dessen Orenburger Niederlassung[3].
Von 2014 bis 2017 war er Leiter der Moskauer Niederlassung von Komitee gegen Folter, welche er zusammen mit dem Juristen und Menschenrechtler Dmitri Piskunow gegründet hatte[4]. Von 2017 bis 2019 war er Leiter einer Untersuchungsgruppe von Komitee gegen Folter in Nischni Nowgorod[5]. Von 2019 bis 2021 war er erneut Leiter der Abteilung in Orenburg[6].
Im Dezember 2021 wurde Sergei Babinez zum Vorsitzenden von Komitee gegen Folter gewählt[7]. Im Februar 2022 übernahm er die Leitung der Organisation von Igor Kaljapin[6].
Im Juni 2022 erklärte das Justizministerium der Russischen Föderation Komitee gegen Folter zum Ausländischen Agenten[8]. Am 11. Juni 2022 wurde die Organisation durch einen einstimmigen Beschluss der Mitgliederversammlung des Komitees gegen Folter aufgelöst.[9] Am 12. Juni wurde unter dem Namen Team gegen Folter eine Nachfolgeorganisation der Menschenrechtsorganisation gegründet, in der alle Mitglieder, die vormals bei Komitee gegen Folter arbeiteten, ihre Arbeit fortsetzten. Babinez wurde zum Leiter der neu gegründeten Organisation gewählt.[10]
Babinez nahm mehrmals an Monitoring-Aktionen von Protesten in Orenburg teil, die das Ziel hatten, mögliche Verletzungen von Menschenrechten festzuhalten[11].
Arbeit im Nordkaukasus
In der Zeit von Dezember 2011 bis September 2022 war er mehrfach Mitglied einer gemeinsamen mobilen Arbeitsgruppe russischer Menschenrechtsorganisationen in Tschetschenien, später auch in der Abteilung des “Komitees gegen Folter” im Nordkaukasus, in der er über ein Jahr lang tätig war[12][13].
Am 13. Dezember 2014 befand er sich in Grosny, als Unbekannte das Büro der mobilen Arbeitsgruppe anzündeten und ausraubten[14]. Die tschetschenischen Behörden beschuldigten die Menschenrechtler darin, den Brandanschlag selbst verübt zu haben, um Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen[15]. Am nächsten Morgen kamen die Menschenrechtler zum Haus, in dem sich das ausgebrannte Büro befand, sowie eine benachbarte Wohnung auf derselben Etage, in der die Mitglieder der mobilen Arbeitsgruppe während ihrer Einsätze in der Region wohnten (die Wohnung wurde durch das Feuer nicht beschädigt). Nachdem sie das ausgebrannte Büro inspiziert hatten, riefen die Menschenrechtler die Polizei, um vor Ort eine Strafanzeige zu stellen. Zwei Sicherheitskräfte, die auf den Anruf hin eintrafen, durchsuchten die benachbarte Wohnung der Menschenrechtler und nahmen persönliche Gegenstände, darunter Laptops, Kameras und Speicherkarten mit, ohne dafür einen Durchsuchungsbeschluss zu haben.[16] Ein Teil der technischen Geräte wurde später zurückgegeben.[17] Das Büro wurde wieder aufgebaut, aber nach einem halben Jahr fand ein erneuter Angriff statt.[18]
2020 verteidigte das Komitee gegen Folter Salman Tepsurkajew, den Moderator des Chats im Telegram-Kanal “1Adat”, der über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien schreibt.[19] Die Menschenrechtler legten beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Beschwerde gegen den Fall von Tepsurkajew ein. 2021 stellte dieser fest, dass die russischen Behörden die Verantwortung für die Entführung und Misshandlung von Tepsurkajew tragen würden, außerdem ordnete er einen Schadensersatz für Salman Tepsurkajew in Höhe von 26.000 Euro an. Im Moment der Bekanntmachung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wurde Tepsurkajew von tschetschenischen Sicherheitskräften ermordet.[20]
Am 22. Januar 2022 griffen Vertreter der Sicherheitsorgane der tschetschenischen Teilrepublik eine Gruppe von Menschenrechtlern um Sergei Babinez, Oleg Chabibrachmanow und Natalja Dobronrawowa an, als jene ihrer Klientin in Nischni Nowgorod juristischen Beistand leisteten. Während des Angriffs wurde Sarema Musajewa, die Mutter des Menschenrechtlers Abubakar Jangulbajew, von Vertretern der tschetschenischen Polizei entführt. Die Organisation “Front Line Defenders” geht davon aus, dass der Angriff und die Entführung in Zusammenhang mit der menschenrechtlichen Tätigkeit der Angegriffenen steht.[21][22]
Aufstellung zum Mitglied der Wahlaufsicht
Babinez wurde viermal (2016, 2018, 2020, 2022) von zivilgesellschaftlichen Organisationen zum Mitglied einer öffentlichen Überwachungskommission in Moskau (2016), der Oblast Nischni Nowgorod (2018 und 2022), sowie der Oblast Orenburg (2020) nominiert. Obwohl Babinez die formalen Voraussetzungen erfüllte, wurde er nie als Mitglied der öffentlichen Überwachungskommission ausgewählt. Die Gründe für Ablehnung des Mandats wurden nicht genannt.[23]
Teilnahme an öffentlichen Protesten
Mehrmals nahm er an kleineren Protestaktionen teil, die am 26. Juni, dem Tag zur Unterstützung von Folteropfern, in Städten organisiert wurden, in denen “Komitee gegen Folter” tätig ist[24][25].
Öffentliche Auftritte und Arbeit als Publizist
Im Jahr 2012 hielt Sergei Babinez mehrere Vorträge über Menschenrechte vor Polizeibeamten in Inguschetien. Im Jahr 2015 kommentierte er auf der Website von Komitee gegen Folter die Rücknahme eines Gesetzentwurfs über die Zulassung einer öffentlichen Aufsichtskommission in Gerichtsgebäuden[26].
Sergei Babinez trat regelmäßig in Radio “Echo Moskau” auf und veröffentlichte auf deren Webseite Artikel. Von 2019 bis 2021 war er Moderator einer Sendung am Morgen bei “Echo” in der Stadt Orenburg[27].
Im Herbst 2022 war er Redner bei der “Warschauer Konferenz für menschliche Perspektiven”[28].
Im Oktober 2022 nahm er in Dublin an einer Konferenz für Menschenrechtler teil. Die Konferenz findet alle zwei Jahre statt und bietet gefährdeten Menschenrechtlern die Möglichkeit, zusammenzukommen, um Erfahrungen zu teilen, Wissen auszutauschen, aktuelle Themen zu erörtern und Entscheidungsträger in Regierungen und zwischenstaatlichen Gremien zu treffen[29].
Weblinks
- Почему в России пытают / Why They Torture People in Russia auf YouTube, 7. Dezember 2021 (russisch; Reportage des russischen Journalisten Juri Dud, englische Untertitel verfügbar; Laufzeit: 2:20:12 Stunden).
- "Es gibt eine gesellschaftliche Nachfrage nach Folter", Europäisch-Asiatische Nachrichten, 17. Dezember 2021
- "Folter hat sich wie eine Metastase durch das ganze System ausgebreitet", RTVI, 29. Juni 2022
- "Kann es ein normales Leben in einer Gesellschaft geben, in der Folter Teil des Systems ist?", 24. März 2023
Einzelnachweise
- Оренбуржец Сергей Бабинец возглавил правозащитную организацию «Комитет против пыток». In: Рамблер/спорт. Archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Оренбуржец Сергей Бабинец возглавил Комитет против пыток. In: Информационное агентство «Европейско-Азиатские Новости». Archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Суд в Оренбурге оставил без изменения минимальное наказание экс-полицейскому за жестокое избиение задержанного. In: Команда против пыток. 20. Mai 2013, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Комитет против пыток приступил к расследованию смерти уроженца Таджикистана в подмосковном отделении полиции. In: Команда против пыток. 3. Oktober 2014, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Оренбуржец Сергей Бабинец возглавил «Комитет против пыток». In: Урал56.Ру. Abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Оренбуржец Сергей Бабинец возглавил правозащитную организацию «Комитет против пыток» | Новости Оренбурга. In: prooren.ru. Archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Комитет против пыток возглавил оренбургский юрист. Три вопроса о будущем организации. In: semnasem.org. Abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Минюст включил "Комитет против пыток" в реестр иноагентов. In: TACC. Archiviert vom am 11. Juli 2022; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Александр Лугов: "Уровень насилия резко возрастет". Закрылся "Комитет против пыток" (Memento des vom 28. April 2023 im Internet Archive) In: Радио Свобода, 13. Juni 2022. Abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Human rights defender Sergey Babinets fined RUR 100,000 (approximetely EUR 2000). In: Front Line Defenders. 4. Januar 2023, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (englisch).
- Итоги мониторинга протестных акций 31 января в нескольких регионах России. In: Команда против пыток. 1. Februar 2021, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- «Как пытали, так и пытают»: Сергей Бабинец о пытках, правах человека и Чечне. In: Южный Урал. 8. Oktober 2019, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Сергей Бабинец: В Чечне царствует диктатура. In: RFI. 9. Oktober 2012, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- В результате пожара офис Комитета против пыток в Грозном полностью выгорел. In: Кавказский Узел. Archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Сожженный офис и угрозы. В Чечне ответили на критику нижегородского правозащитника. In: Новости NN.RU. 15. Dezember 2014, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Пожар на КПП. In: Медиазона. Archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Любовь Чижова: "Мы останемся в Грозном" (Memento des vom 28. April 2023 im Internet Archive) In: Радио Свобода, 16. Dezember 2014. Abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- В Грозном разгромили офис Комитета против пыток. YouTube, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- ЕСПЧ установил, что российские власти несут ответственность за похищение и жестокое обращение с модератором чата Telegram-канала «1Adat» (признан экстремистским в РФ) Салманом Тепсуркаевым. In: Команда против пыток. 19. Oktober 2021, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- В Чечне убит оппозиционный активист Салман Тепсуркаев – правозащитники. In: Настоящее Время. Archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Нападение на правозащитников Сергея Бабинца, Олега Хабибрахманова и адвокатку Наталью Добронравову, похищение матери правозащитника Абубакара Янгулбаева. In: Front Line Defenders. 24. Januar 2022, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Похищение матери как месть за деятельность сыновей. In: Human Rights Watch. 24. Januar 2022, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Наблюдатели выбрались в комиссии. In: Коммерсантъ. 29. September 2022, archiviert vom am 25. Januar 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Инсталляция, пикеты и фестиваль боевых единоборств. 26 июня – Международный день в поддержку жертв пыток. In: Команда против пыток. 24. Juni 2019, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- В России проходят мероприятия, посвященные Международному дню ООН в поддержку жертв пыток. In: Команда против пыток. 27. Juni 2017, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- ОНК и тайная комната. In: Команда против пыток. 24. September 2015, archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Сергей Бабинец. In: ЭХО. Archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (russisch).
- Warsaw Human Dimension Conference. In: www.osce.org. Archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (englisch).
- Dublin Platform. In: Front Line Defenders. Archiviert vom am 28. April 2023; abgerufen am 28. April 2023 (englisch).