Schongauers Elefant
Schongauers Elefant (um 1483) war afrikanischer Herkunft und ein diplomatisches Geschenk Johanns II. von Portugal an Kaiser Friedrich III. Er wurde von Martin Schongauer und seinem Bruder Ludwig in zwei Kupferstichen dargestellt. In Chroniken wurden ihm unterschiedliche und spektakuläre Tode nachgesagt.
Elefantenreise
Vermutlich von Portugal nach Holland verschifft, erreichte der Elefant zunächst Köln und dann Frankfurt am Main. Er wurde von Hans Filßhover geführt und war mit einem Begleitbrief des Markgrafen Albrecht von Baden versehen, der Filßhover als diener und lieben getrewen des Kaisers auswies und für ihn und den hellfandt, den frömde[r]n gast, um Ehrbezeugung bat. In Frankfurt wurde er in der Gallusgasse ausgestellt und in Lebensgröße auf die Wand eines nahegelegenen Hauses gemalt. Für dasselbe Jahr ist in der Memminger Chronik des Christoph Schorer von 1660 der Aufenthalt des Elefanten in der Stadt vermerkt. Sein weiterer Verbleib ist ungewiss.[1]
Der Dickhäuter war seit Abul Abbas, Elefant Karls des Großen, nach etwa 700 Jahren der erste Elefant auf deutschsprachigem Gebiet; der Cremona-Elefant Friedrichs II. hatte im 13. Jahrhundert dessen Grenzen ebenso wenig überschritten wie der Elefant Ludwigs IX., ein erster Dickhäuter afrikanischer Herkunft. Afrikanische Elefanten blieben in Europa äußerst selten. Nach dem Elefanten Ludwigs XIV. im 17. Jahrhundert erreichte als viertes bis dahin bekannt gewordenes Exemplar afrikanischer Provenienz erst Jumbo im Jahr 1861 Paris.
Schongauersche Kupferstiche
Der mit „L+S“ signierte Kupferstich wird Ludwig Schongauer (* um 1440; † 1494) zugeschrieben. Das Tier erscheint kleinwüchsig und weniger realistisch als die Holzschnittdarstellung in Johann Prüss’ Hortus sanitatis von 1497. Mit dem Holzschnitt gemein hat es die großen Ohren und die vergleichsweise steil aufgerichteten Stoßzähne, die sich um 1500 infolge dieser Darstellung in Bildern mit Elefanten wiederfinden lassen. Der in der Albertina in Wien erhaltene Abzug des Kupferstichs zeigt, dass er von einer bereits abgedruckten Platte gefertigt wurde, und lässt deshalb die Vermutung einer hohen Auflage als Erinnerungsblatt zu.[2] Martin Schongauers Fassung dürfte einem ähnlichen Zweck gedient haben. Er präsentierte das Tier als turmbewehrten Kriegselefanten, in einer Aufmachung, die allerdings nur den gelehrigen indischen Elefanten zukam.
Quellenlage
Der Elefant in Frankfurt am Main 1483 ist in dem Begleitbrief Albrechts von Baden und in den Frankfurter Chroniken belegt.[3][4] Seine afrikanische Herkunft wird in den Schongauerschen Kupferstichen veranschaulicht. Gleichwohl berichtet die Koelhoffsche Chronik von 1499, dass im Jahr 1482 (!) der aventurre (= der Tierführer) den Elefanten anschließend mit auf See genommen habe und mit ihm im Ärmelkanal ertrunken sei.[5] In den Copienbüchern der Stadt Köln findet sich für den 22. November 1483 der Vermerk, dass der „Diener des Kaisers, Hans Viltzhover, einen Elefanten nach Köln“ gebracht habe, der von einem Sklaven geführt wurde. Dieser Sklave habe den Elefanten erstochen und sei entflohen.[6]
Spätere Chroniken erwähnen für das 15. Jahrhundert eine ganze Reihe von Elefanten, die mangels präziser Beschreibung nicht zu differenzieren sind und als Phantome auf Abschreibefehlern und falschen Datierungen beruhen. Ein in der Literatur gelegentlich als „erster deutscher Elefant“ bezeichnetes Exemplar wurde laut der Lersnerschen Chronik von 1706 für das Jahr 1443 in Frankfurt gesichtet;[7] eine andere Quelle will das Tier dort erst 1773 gesehen haben. Lersners Chronik hat keinen Eintrag über einen Elefanten in Frankfurt für das Jahr 1483. In den Chroniques d’Anjou et du Maine von 1529 sagt Jehan de Bourdigné, Alfonso V., König von Portugal, habe um 1477 für René von Anjou neben anderem exotischen Getier aus Indien auch einen Elefanten mitgebracht. Der Seeweg nach Indien wurde jedoch erst 1497 von Vasco da Gama erschlossen; die Portugiesen hatten indes die Küste Westafrikas bereits unter ihrem Einfluss.[8]
Literatur
- Stephan Oettermann: Die Schaulust am Elefanten. Eine Elephantographia Curiosa. Syndikat, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-8108-0203-4
Einzelnachweise
- Oettermann (1980) S. 102–104; dort S. 102 der Begleitbrief im Wortlaut
- E. Flechsig: Martin Schongauer. Straßburg 1946, S. 77; nach Oettermann (1982), S. 104
- Regesta Imperii Vor 1483 Juli 31 n. 865: Regg.F.III. H. 4 n. 865
- Richard Froning: Frankfurter Chroniken und annalistische Aufzeichnungen des Mittelalters. Band 1 (= Quellen zur Frankfurter Geschichte). Jügel, Frankfurt am Main 1884, S. 60 und 444, Ursprünglich falsche Datumsangabe, im Nachtrag korrigiert und um den Begleitbrief Albrechts von Baden ergänzt (archive.org).
- Koelhoffsche Chronik, 729; Digitalisat der Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel
- Oettermann (1982), S. 102; siehe auch: Geschichte der Stadt Köln (1869) Band 3, S. 920.
- Achilles August von Lersner: Der Weit-berühmten Freyen Reichs-Wahl- und Handels-Stadt Franckfurt am Mayn Chronica. Hrsg.: Gebhard Florian. Band 1. Franckfurt am Mayn 1706, Das XXVII. Capitel. Von denen zwo berühmten Messen, S. 429, 1443. In diesem Jahr ist ein lebendiger Elephant zu Franckfurt gesehen worden, urn:nbn:de:hebis:30-1105587.
- Oettermann (1982), S. 101