Schloss Hartheim

Das Schloss Hartheim ist ein Renaissanceschloss in Alkoven in Oberösterreich. Es ist vor allem als Ort der Tötung behinderter und psychisch kranker Menschen, von KZ-Häftlingen und ausländischen Zivilarbeitern durch die Nationalsozialisten zwischen Mai 1940 und Dezember 1944 bekannt. Seit 2003 befindet sich im Schloss ein Lern- und Gedenkort unter der Betreuung und Anleitung des Vereins Schloss Hartheim.

Schloss Hartheim
Die Westseite des Gebäudes.

Seit 1995 arbeitet der Verein die Geschichte des Schlosses bzw. dessen Rolle im Kontext der NS-Euthanasie auf. Im Jahr 1997 wurde begonnen, das denkmalgeschützte historische Schloss zu restaurieren und eine Ausstellung zum Thema „Wert des Lebens“ zu gestalten. Der Spatenstich dafür erfolgte 1999. Im Jahr 2002 wurden die bei Grabungen des oberösterreichischen Landesarchivs gefundenen sterblichen Überreste der Opfer in einem vom Pregartner Künstler Herbert Friedl gestalteten Grabmal beigesetzt. Am 7. Mai 2003 wurde der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim bzw. die Gedenkstätte gemeinsam mit der Ausstellung „Wert des Lebens“ eröffnet.

Das Gebäude ist eines der bedeutendsten Renaissanceschlösser Österreichs.

Geschichte des Schlosses vor 1940

Schloss Hartheim nach Georg Matthäus Vischer um 1674
Gedenktafel zur Erinnerung an die Schenkung an den OÖ Landeswohltätigkeitsverein im Jahr 1898

Hartheim liegt im Eferdinger Becken, das sich von Aschach an der Donau bis Ottensheim entlang der Donau erstreckt. Es liegt rechts der Donau, etwa 3 km südlich des Südscheitels des hier bogenförmigen Verlaufs des Flusses.

Bereits 1130 wird eine Familie mit Namen „Hartheim“ in Urkunden erwähnt. Es handelt sich dabei um Dienstleute des Bischofs von Passau. Im Jahr 1287 werden drei Brüder Konrad, Peter und Heinrich von Hartheim als Inhaber der Burg durch ein Tauschgeschäft mit dem Stift Wilhering erwähnt. Bereits 1323 wird allerdings eine andere Familie als Besitzer verzeichnet. Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts bestand die Anlage hauptsächlich aus nur einem Turm, eventuell mit einem angeschlossenen Wohnhaus, umgeben von einer kleinen Mauer mit Wall und Graben.

Nach mehreren Besitzerwechseln gelangte die Anlage in den Besitz der Familie Aspan, die wahrscheinlich auch die Burg in der heutigen Form errichtet hat. Zu Beginn der 90er Jahre des 16. Jahrhunderts nahm sie einen vollständigen Neubau nach den Idealvorstellungen der Renaissance in Form einer regelmäßigen Vierflügelanlage mit vier polygonalen Ecktürmen und einem höheren Mittelturm in Angriff.

Im Jahr 1799 erwarb Georg Adam Fürst Starhemberg das Schloss. Spätestens 1862 war es in einem eher schlechten Zustand, wie aus einem Bericht aus dieser Zeit hervorgeht: Thüren, Fenster und Öfen fehlen gänzlich, … und mehrere Plafonds müssen erneuert … werden.

Im Jahr 1898 schenkte Camillo Heinrich Fürst Starhemberg das Schlossgebäude, die Nebengebäude und einigen Grund dem Oberösterreichischen Landeswohltätigkeitsverein (OÖ. LWV). Dieser wurde durch weitere Spenden in die Lage versetzt, die seiner Zielsetzung entsprechende „Idioten-Anstalt“ zu errichten. Daraufhin wurden zwischen 1900 und 1910 umfangreiche Renovierungen und Anpassungen durchgeführt, um das Gebäude als Pflegeanstalt für geistig behinderte Menschen nutzen zu können. 1926 wurde ein Stiegenhaus abgebrochen und durch einen Bettenlift ersetzt.

Zeit als Tötungsanstalt

Im Frühjahr 1939 wurde unter Berufung auf das „Gesetz vom 17. Mai 1938 über die Überleitung und Eingliederung von Vereinen, Organisationen und Verbänden (GBl. Nr. 136/1938)“ der Landes-Wohltätigkeitsverein aufgelöst und zwangsweise in die Landeshauptmannschaft Oberdonau integriert. Der Pflegebetrieb wurde aber vorerst weiter aufrechterhalten. Erst im März 1940 wurden die „Pfleglinge“ und das Personal verlegt, um die Anstalt zu einer Euthanasie-Anstalt umzubauen. Das äußere Erscheinungsbild des Schlosses blieb davon weitgehend unberührt. Im Erdgeschoss des Ostteils wurden eine Gaskammer, der Leichenraum und ein Verbrennungsofen errichtet. Später kam an der Westseite des Schlosses eine Busgarage hinzu, bei der die Transporte mit den zur Ermordung vorgesehenen Menschen eintrafen.

Von Mai 1940 bis Dezember 1944 wurden in Hartheim nach Schätzungen ca. 30.000 Menschen ermordet. Unter den Ermordeten waren (psychisch) Kranke, körperlich und geistig behinderte Menschen sowie KZ-Häftlinge aus verschiedenen Konzentrationslagern und ausländische Zwangsarbeiter. Im Juni 1945 fand der US-amerikanische Untersuchungsoffizier Charles Dameron im Schloss die sogenannte „Hartheimer Statistik“. Es handelte sich dabei um eine Broschüre mit monatlichen statistischen Angaben zu den in den sechs T4-Tötungsanstalten im damaligen Reichsgebiet mit Kohlenmonoxid erfolgten Tötungen von behinderten bzw. psychisch kranken Menschen. Daraus wurden auch die angeblichen Einsparungen an Lebensmitteln, Mietkosten, Personalkosten usw. errechnet.

Gedenkstätte

1948 wurde das Schloss wieder an den Landes-Wohltätigkeitsverein zurückgegeben. 1950 noch während der Nachkriegszeit in Österreich, wurde an der Nordseite außerhalb des Schlosses ein erstes Denkmal von der französischen Häftlingsvereinigung Amicale de Mauthausen errichtet. Im Schloss wurden für die Geschädigten des Hochwassers von 1954 Mietwohnungen eingerichtet. Eine erste kleine Gedenkstätte innerhalb des Gebäudes entstand 1969 durch den oberösterreichischen Landeswohltätigkeitsverein (heute: Gesellschaft für soziale Initiativen). Diese Gedenkstätte war kaum zugänglich und weitgehend unbetreut, eine Aufarbeitung der Geschichte fehlte.[1]

Eine Neukonzeption wurde 1997 von Land Oberösterreich und oberösterreichischem Landeswohltätigkeitsverein beschlossen. Für die Mieter wurden in einem Neubau Ersatzwohnungen geschaffen. Die Sanierung des nun leerstehenden Schlosses ermöglichte eine zeitgemäße Gestaltung der Gedenkstätte.[2] Es wurde nun erstmals möglich, alle Räume, die für die Morde genutzt wurden, als „authentische Orte“ in die Gedenkstätte einzubeziehen. Die Eröffnung erfolgte im Jahr 2003 im Rahmen der oberösterreichischen Landesausstellung „Wert des Lebens“.[3]

Die baulichen Spuren der Tötungsanstalt wurden freigelegt und gesichert. Unmittelbar anschließend an die Tötungsräume wurde vom Künstler Herbert Friedl ein Raum der Stille für das Gedenken, zur Meditation und zum Gebet gestaltet.

Außerhalb des Gebäudes bilden der Ort der ehemaligen „Busgarage“ und jener Teil des Gartens (östlich des Schlosses), in dem menschliche Überreste aus dem Krematorium verscharrt worden waren, Bestandteile der Gedenkstätte.

In den ehemaligen Funktionsräumen (Raum mit Heizung für das Gebäude, Werkstatt, Entkleidungsraum, Lebensmittelkühlraum) werden umfassende historische Informationen zur NS-Euthanasie und zur Rolle von Schloss Hartheim in diesem Kontext geboten.

In der Regel alle zwei Jahre findet im Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim die Internationale Hartheimkonferenz statt.

Ausstellung „Wert des Lebens“

Im Zentrum des Ausstellungsprojekts „Wert des Lebens“ steht die Haltung und der Umgang der Gesellschaft mit behinderten Menschen. Der betrachtete Zeitraum erstreckt sich vom Zeitalter der Aufklärung über die Industrialisierung und NS-Zeit bis zur Gegenwart.

Schloss Hartheim in der Literatur

  • Das Schloss, seine Umgebung und Erholungseinrichtungen für die am Massenmord in Hartheim beteiligten Personen am Attersee sind einige der Hauptschauplätze der Handlung im Roman von Caterina Pascual Söderbaum mit dem schwedischen Originaltitel Den skeva platsen (Englischer Titel: The Oblique Place).[4] Der Roman erschien auf Schwedisch 2016 – nach dem Tod der Autorin, die darin die Verstrickung ihrer eigenen Familie in die nationalsozialistische Vergangenheit erforscht und reflektiert. Eine deutsche Übersetzung ist noch nicht erschienen.
  • Auch der Roman „Schattenschweigen oder Hartheim“ von Franz Rieger beschäftigt sich mit Hartheim. Diese frühe Auseinandersetzung mit dem tabuisierten Thema NS-Euthanasie bezeichnete der ehemalige oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer als eines der wichtigsten politischen Bücher der zeitgenössischen Literatur.[5]
Commons: Schloss Hartheim – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Karin Harre: Schöner Tod? Die Euthanasiemaßnahmen an „lebensunwerten” Menschen mit besonderer Berücksichtigung der Vernichtungsanstalt Schloss Hartheim, Alkoven bei Linz. Diplomarbeit, Universität Wien, 2012, doi:10.25365/thesis.20326.
  2. Historischer Ort: Geschichte 1945–2003. Verein Schloss Hartheim, abgerufen am 5. März 2019.
  3. "Aktuelles zur Stiftung Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim". Land Oberösterreich, Einladung zur Pressekonferenz, 8. September 2008, abgerufen am 5. März 2019.
  4. Englische Übersetzung, abgerufen am 5. Januar 2023
  5. In memoriam Franz Rieger. oe1.orf.at vom 8. April 2017

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