Schladminger Gletscher

Der Schladminger Gletscher ist nach dem Hallstätter Gletscher und dem Großen Gosaugletscher der drittgrößte Gletscher des Dachsteingebirges in Österreich.

Schladminger Gletscher
Der Schladminger Gletscher vom Hohen Gjaidstein (Juli 2006)
Der Schladminger Gletscher vom Hohen Gjaidstein (Juli 2006)

Der Schladminger Gletscher vom Hohen Gjaidstein (Juli 2006)

Lage Oberösterreich
Gebirge Dachsteingebirge
Typ Gebirgsgletscher
Länge 0,75 km (2018)[1]
Fläche 0,68 km² (2015)[2]
Exposition Nordost
Höhenbereich 2670 m ü. A.  2540 m ü. A.
Eisdicke  9 m; max. 30 m (1987)[3]
Eisvolumen 8 × 106m3dep1 (1987)[4]
Koordinaten 47° 28′ 12″ N, 13° 37′ 49″ O
Schladminger Gletscher (Oberösterreich)
Schladminger Gletscher (Oberösterreich)
Vorlage:Infobox Gletscher/Wartung/Bildbeschreibung fehlt

Historische Gletscherstände und Forschung

Eine zusammenhängende Plateauvergletscherung am Dachstein ist nach dem Zerfall des Eisstromnetzes im Spätglazial zuletzt für das Gschnitz-Stadium anzunehmen, die Trennung des Schladminger Gletschers vom Hallstätter Gletscher dürfte sich endgültig nach dem Daun-Stadium vollzogen und auch für den Egesenstand Gültigkeit haben. Da im Gelände aber außer vereinzelten Grundmoränenresten konkrete Anhaltspunkte auf spätglaziale Stadien fehlen, sind beim Schladminger Gletscher Rekonstruktionen von älteren Gletscherständen nur rechnerisch mit Hilfe von Schneegrenzabschätzungen möglich.[5]

In Bezug auf postglaziale Gletscherstände wird in der Literatur ein 50 m langes Wallstück im Vorfeld der 1850er Moräne, das an den nordost-verlaufenden Felssporn des Koppenkares anschließt, beschrieben. Diese Moräne wurde von Roman Moser[6] dem "frührezenten" Fernau-Vorstoß im 16. Jh. zugeordnet. Die Grobblockigkeit und der Grad der Auswaschung weisen allerdings auf ein möglicherweise höheres Alter hin. Eine Parallelisierung dieser Ablagerungen mit den Moränen des Taubenriedelstandes am Hallstätter Gletscher und den ebenso groblockigen Moränen im Vorfeld des Großen Gosau- und Schneelochgletschers wäre naheliegend, ist aber nicht zwingend.[7] Eventuell könnte es sich auch bei derartigen Blockwällen nicht um eigenständige Gletschervorstöße, sondern nur um vom Gletscherrand des jeweiligen Höchststandes abgerollte Steine handeln, wie dies im Vorfeld des Hallstätter Gletschers von Friedrich Simony beobachtet und im Dachsteinwerk[8] beschrieben wurde.

Der Hochstand von 1850 und die Rückzugsphasen des Schladminger Gletschers

Friedrich Simony beschrieb den Schladminger Gletscher um die Mitte des 19. Jahrhunderts als allgemein spaltenarm, der Gletscher zeigte nur beim Abfall gegen den Großen Koppenkarstein etwa 45 Grad Neigung und dort auch tiefe Spalten. Die Wachstumsperiode wurde zwischen 1840 und 1850 abgeschlossen, seither erfolgte eine konstante Massen- und Flächenabnahme. Der Gletscher hatte selbst beim Maximalstand keine ausgeprägte Zunge wie etwa der Hallstätter Gletscher oder der Große Gosaugletscher, er endete in breiter Front, der Abfluss fand mehrere hundert Meter zunächst oberirdisch durch einen Bach statt, der jedoch schließlich in den zahlreichen Dolinen und Karstwannen versiegte[9].

Der Hochstand von 1850 ist auch heute noch im Gelände durch vielfach gut erhaltene Moränenwälle nachvollziehbar. Der Moränenbogen reicht vom Nordost-Sporn des Koppenkarsteines (2320 m) bis zu den südlichen Ausläufern des Mittersteines (2350 m). Der Wall ist an seiner tiefsten Stelle bei 2250 m bis zu 150 m unterbrochen, was auf Schmelzwässer zurückzuführen ist[10]. Zur Zeit des Hochstandes um 1850 war der Schladminger Gletscher noch mit der ausgedehnten Flankenvereisung der Osthänge des Hohen Gjaidsteines verbunden, die auch in der Folge noch lange bestehen blieb[11]. Charakteristisch für das weitere Abschmelzen des Schladminger Gletschers war das oftmalige "Ertrinken" der Gletscherzungen im Schutt, auch änderte der Gletscher beim Rückschmelzen immer wieder die Form und spaltete sich in zahlreiche Lappen und Teilzungen auf.[12]

1850 wies der Schladminger Gletscher noch eine Fläche von 2,163 km² auf[13], 2015 nur noch annähernd 0,680 km²[14]. Der Gletscher hat somit seit 1850 mehr als ⅔ seiner Fläche verloren. Der tiefste Punkt liegt aktuell (2018) bei rund 2540 m (Talstation des Schladminger Liftes), der Gletscher zeigt kaum noch Fließbewegung, die Verbindung zum Hallstätter Gletscher im Bereich des Gjaidsteinsattels apert immer mehr aus.

Bildergalerie

Naturschutz, Seilbahnbau und Massentourismus

1963 wurde das das zentrale Dachsteingebiet zum Naturschutzgebiet erklärt, 1998 erfolgte die Aufnahme in das "UNESCO Welt-Kulturerbe" „Hallstatt, Salzkammergut, Dachstein“.[15] Durch die 1969 eröffnete Dachstein-Südwandbahn von der Türlwandhütte (1692 m) zum Hunerkogel (2687 m) begann eine Phase der Massenerschließung und Nutzung der Gletscherflächen durch Weganlagen, Gletscherlifte, Loipen und „alpinen“ Attraktionen wie eine Hängebrücke ins Nichts, der Aussichtsplattform Skywalk oder einem im Sommer mit Planen abgedeckten Eispalast. Durch die Dimensionen und die Vielzahl der technischen Anlagen sind allerdings die Folgen der touristischen Übernutzung wie eine dramatische Verschmutzung der Gletscheroberfläche und jegliche Art von Müll (Plastik, Dosen, Batterien, …) in einer alpin hochsensiblen und eigentlich unter Naturschutz stehenden Region unübersehbar.

Almwirtschaft und Sagen

Die am Plateau liegenden Almen werden von Vischer als Zlacken (Lackenmoosalm), im lang Kohr (Langkaralm), Das Gaid (Gjaidalm), Taubenkor (Taubenkaralm), Schenbihel (Schönbichlalm) und das Matteregg (Modereckalm) bezeichnet. Auch die Bezeichnungen Schladminger Alm und Verfallene Alm sind zu finden. Südöstlich des Schladminger Gletschers auf 2040 m ü. A. liegt die Brunngrube oder auch Lange Grube. In diesem langgezogenen Kar konnte 1996 eine spätbronzezeitliche Siedlung entdeckt werden. Eine 14C-Datierung erbrachte ein Alter von 3.385 Jahren. Ähnliche Funde sind auch von anderen Gebirgsregionen und Gletschervorfeldern bekannt.

Die Sage von der übergossenen Alm spiegelt die vergangene Blütezeit des Dachsteingebirges wider. Vor langer Zeit, so die Sage, war auf den üppigen Almwiesen genug Futter für die Kühe, die im Überfluss Milch gaben, so dass große Käselaibe und würzige Butterstriezel die Vorratskästen der Menschen füllten. Dieser Überfluss machte die Menschen jedoch stolz und übermütig, und sie begannen, sich mit der Milch zu waschen und darin zu baden. Damit nicht genug, sie legten die Fußböden mit Käselaiben aus, und verstopften die Fugen der Wände mit Butter. Als Strafe für diesen Frevel begann es in großen Flocken zu schneien und zu schneien und zu schneien, und der Schneefall hörte über Wochen nicht mehr auf, so dass die Almen unter dem Schnee begraben wurden, der bald zu Eis erstarrte.

Dieses Sagenmotiv von der übergossenen Alm, das im Alpenraum im Zusammenhang mit Gletschern häufig anzutreffen ist, erinnert vielleicht an die Kleine Eiszeit, eine dramatische Klimaverschlechterung, die um 1580 einsetzte und über 100 Jahre andauerte. Damals konnten viele Almen nur beschränkt genutzt werden, einzelne Almen mussten sogar aufgegeben werden. Möglicherweise ist diese Sage jedoch noch älter und beruht auf der Existenz bronzezeitlicher Siedlungen, die im Zuge des Gletscherrückgangs durch die Globale Erwärmung nun wieder zum Vorschein kommen. So zeugen die Steinkränze der Fundamente längst verfallener Almhütten von einer vergangenen Blütezeit.

Literatur

  • Rainer Hochhold: Die Gletscher der Dachsteingruppe. Geogr. Institut der Univ. Innsbruck. 1878. Digitalisat: Die Gletscher der Dachsteingruppe
  • Hans Kinzl: Beiträge zur Geschichte der Gletscherschwankungen in den Ostalpen. In: Z. f. Gletscherkunde. Band 17, H. 1–3: 1929, S. 66–121.
  • Franz Mandl, Harald Stadler (Hrsg.): Archäologie in den Alpen. Alltag und Kult (= Forschungsberichte der ANISA 3 / Nearchos Band 19). Haus im Ennstal 2010.
  • Franz Mandl: Schladminger und Hallstätter Gletscher, Dachsteingebirge. Gletscherbericht 2018. ANISA FB 3, 2016; Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 3, 2016.
  • Franz Mandl: Der Masseverlust und die Absenkung des Eises des Schladminger Gletschers zwischen 1850 und 2014. ANISA FB 1, 18, 2014.Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 1, 2016.
  • Roman Moser, Alfred Mayr: Flächen und Massenverluste der Dachsteingletscher. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines. Band 104, Linz 1959, ooegeschichte.at [PDF].
  • Roman Moser: Die Vergletscherung im Dachstein und ihre Spuren im Vorfeld. Geogr. Institut der Univ. Innsbruck, 1954.
  • Roman Moser: Dachsteingletscher und deren Spuren im Vorfeld. Musealverein Hallstatt (Hrsg.): Hallstatt. 1997, 143 S.
  • Friedrich Simony: Über die Schwankungen in der räumlichen Ausdehnung der Gletscher des Dachsteingebirges während der Periode 1840–1884. In: Mitt. d. Geogr. Ges. Wien. Band 28, 1885, S. 113–135
  • Friedrich Simony: Das Dachsteingebiet. Ein geographisches Charakterbild aus den Österreichischen Nordalpen. E. Hölzl, Wien 1895, 152 Seiten.
Commons: Schladminger Gletscher – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Orthofoto DORIS-Intermap des Landes Oberösterreich
  2. Mandl, F., 2018: DORIS-Intermap des Landes Oberösterreich
  3. Universität Wien, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik: Seismische Eisdickenmessungen österreichischer Gletscher. In: Archiv für Lagerstättenforschung der Geologischen Bundesanstalt. Wien 1987, Band 8, S. 27/28; online; PDF-Datei; 320 kB
  4. Universität Wien, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik: Seismische Eisdickenmessungen österreichischer Gletscher. In: Archiv für Lagerstättenforschung der Geologischen Bundesanstalt. Wien 1987, Band 8, S. 27/28; online; PDF-Datei; 320 kB
  5. Vgl. dazu Hochhold, R. Kap. 4 (S. 18 f) und 66f. Als Bezugsniveau für die Schneegrenze (Gleichgewichtslinie) zur Zeit des Hochstandes um die Mitte des 19. Jahrhunderts kann ein Wert von 2525 m gut vertreten werden, z. Z. des Egesenstandes lag diese um rund 200 m tiefer
  6. Moser, R., 1954: S. 60
  7. Hochhold, R., S. 58f
  8. Simony, Fr., 1895: S. 145
  9. Simony, Fr., 1895: S. 138 bzw. 159
  10. Moser, R., 1954: S. 78
  11. Vgl. Alpenvereinskarte 1915
  12. Moser, R., 1954: S. 81
  13. Moser, R./Mayr, A., 1959: S. 179/180. Die Berechnungen von Franz Mandl (Forschungsberichte der ANISA für das Internet FB 1, 18, 2014 und ANISA FB 3, 2016) ergeben eine Fläche von 2,598 km² ohne den Gletscheranteil entlang des Hohen Gjaidsteins (2794 m ü. A.), mit dem teils vergletscherten Mittersteinkar sogar bis zu 3,814 km² Quelle: Orthofoto, DORIS-Intermap des Landes Oberösterreich
  14. Mandl, F., 2018; Orthofoto, DORIS-Intermap des Landes Oberösterreich, die Hangneigungen wurden dabei nicht berücksichtigt
  15. derdachstein.at
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.