Schlacht bei Ulm
Schlacht bei Ulm ist die zusammenfassende Bezeichnung für eine Reihe von Gefechten und Schlachten während des dritten Koalitionskrieges, in deren Verlauf zwischen dem 8. und dem 20. Oktober 1805 ein Teil der bis zur Iller vorgedrungenen österreichischen Armee von französischen Truppen unter Napoleon I. eingekreist und gefangen genommen wurde.[1] Die Schlacht bei Elchingen am 14. Oktober 1805 war das größte Einzelgefecht im Verlauf dieser Kämpfe um Ulm, die in der Literatur zumeist als „Feldzug von Ulm“ oder „Campagne von Ulm“ bezeichnet werden.[2]
Vorgeschichte
Politische Vorgeschichte
Nach den relativ friedlichen Jahren 1802 und 1803, die den Friedensverträgen von Lunéville und Amiens folgten, befand sich die Französische Republik mit England seit Mai 1803 erneut im Krieg. Seit Sommer 1803 bereitete Napoleon eine Invasion von England vor und versammelte zu diesem Zweck eine Armee in den Seehäfen zwischen Bretagne und Holland, davon befanden sich etwa 150.000 Mann im Lager von Boulogne.[3] Die erste Phase dieses Krieges wurde hauptsächlich zur See und in den Kolonien ausgefochten. Frankreich besetzte während dieser Zeit in Deutschland das Kurfürstentum Hannover, das in Personalunion zwar mit der englischen Krone verbunden war, aber nicht am Krieg beteiligt war, und es blockierte außerdem die deutsche Nordseeküste.[4] Nicht zuletzt auch deshalb unterzeichnete im Dezember 1804 England einen Bündnisvertrag mit Schweden, dem am 11. April 1805 ein Allianzvertrag[5] mit Russland zur Befreiung von Holland und der Schweiz folgte. Dem Bündnis schlossen sich bald Sardinien (Piemont) und Neapel an. Auf Drängen der Verbündeten trat am 9. August schließlich auch Österreich der Allianz bei. Die Regierung in Wien war damals zum einen empört, dass Frankreich die Republik Ligurien und andere Territorien in Norditalien annektiert hatte und zum anderen ließ die Krönung Napoleons zum König von Italien befürchten, dass er nun auch die österreichischen Besitzungen in Norditalien beanspruchen werde.
Auf der anderen Seite musste Napoleon nach der Niederlage seiner Flotte in der Schlacht bei Kap Finisterre am 22. Juli 1805 seine Pläne von einer Invasion Großbritanniens voraussichtlich auf Jahre hinaus verschieben. In der sicheren Erwartung eines Krieges mit Österreich befahl der Kaiser Ende August die Verlegung der Armee von Boulogne an den Rhein. Gleichzeitig erging der Befehl an die Armeekorps’ von Marmont in Holland und von Bernadotte in Hannover an den Main vorzurücken. Marschall Augereau sollte von der Bretagne nach Straßburg folgen, wohin Napoleon auch die „Kavalleriereserve“, das heißt die schwere Kavallerie unter Marschall Murat, sowie die kaiserliche Garde dirigierte.[6] Ab 27. August marschierte die Grande Armée, die zu diesem Zeitpunkt fast 195.000 Mann stark war, in Eilmärschen auf getrennten Wegen in Richtung Süddeutschland.
Noch bevor die französische Armee ihre Lager an der Küste verließ, gelang es Frankreich mit dem Kurfürstentum Bayern am 25. August 1805 einen geheimen Bündnisvertrag abzuschließen, in dem der Kurfürst sich verpflichtete, Frankreich im Kriegsfall eine Armee von 20.000 Mann zu stellen.[7] Kurz vor Ausbruch der Kämpfe schloss Baden ebenfalls einen Bündnisvertrag mit Frankreich ab (am 5. September). Der Kurfürst von Württemberg dagegen folgte dem Bündnisangebot erst, als französische Truppen bereits seine Residenz erreicht hatten (am 5. Oktober in Ludwigsburg).[8]
Am 8. September überschritt die österreichische „Donauarmee“ den Inn und eröffnete damit den offenen Krieg mit Frankreich. Da nach dem Bündnisvertrag die zugesagten russischen Truppen unter den Befehl eines österreichischen Generals gestellt werden sollten, ernannte Kaiser Franz den noch sehr jungen Erzherzog Ferdinand von Österreich-Este zum Oberbefehlshaber der Armee in Deutschland, dem er jedoch auf Drängen der „Kriegspartei“ Feldmarschallleutnant[9] (FML) Mack als Generalquartiermeister (d. h. als Generalstabschef) zur Seite stellte.[10] In einem geheimen Befehl billigte er FML Mack das Recht zu, ebenfalls mit dem Kaiser direkten Kontakt aufzunehmen. Dadurch besaß die Armee faktisch zwei Oberbefehlshaber, die obendrein in keinem Punkt dieselben Ansichten vertraten.[11] Diese merkwürdige Tatsache sollte Erzherzog Ferdinand erst in Ulm erfahren, wenngleich Mack schon von Anfang an immer wieder seine abweichende Meinung unter Berufung auf geheime Instruktionen durchgesetzt hatte.[12]
Der Einmarsch der österreichischen Truppen in Bayern hatte auf der Voraussetzung basiert, dass Preußen neutral bliebe und dass die französische Armee ebenfalls die Neutralität des preußischen Fürstentums Ansbach respektieren würde (was nicht geschah), und außerdem auf der Annahme, dass Napoleon wegen der britischen Bedrohung zur See einen Teil seiner Armee an der Kanalküste zurücklassen müsse. Darüber hinaus hegte man in Wien die Hoffnung, dass die süddeutschen Fürsten wahrscheinlich auf die Seite Österreichs treten würden, sobald die Armee in ihren Residenzen erscheinen würde und zum vierten war der Hofkriegsrat überzeugt gewesen, dass Frankreich, genau wie in den Kriegen zuvor, die Entscheidung erneut in Norditalien suchen würde.[13] Daher entsandte Wien, obwohl man bereits Ende August wusste, dass Kaiser Napoleon mit seiner „Küstenarmee“ in Richtung Straßburg aufgebrochen war, den größeren Teil seiner Armee unter dem Oberbefehl von Erzherzog Karl nach Italien.[14]
Vorausgehende Operationen
Die bayerischen Truppen zogen sich vor der österreichischen Armee ohne Widerstand an den Main zurück, wo sie auf die französische Armee warteten. Die langsam vorrückenden Österreicher, die dabei noch versuchten, die süddeutschen Fürsten auf ihre Seite zu ziehen, erreichten erst am 21. September die Iller. Nur wenig später überquerte die Grande Armee bereits den Rhein in breiter Front zwischen Mainz und Straßburg. Schon zu diesem Zeitpunkt wusste Napoleon von der Aufstellung der österreichischen Armee an Iller und Donau.[15] Um den Österreichern einen Vormarsch durch den Schwarzwald vorzutäuschen, entsandte Napoleon die – für den Kampf im Wald und im Gebirge eigentlich ungeeignete – schwere „Reservekavallerie“ unter Murat zunächst in Richtung der Passstraßen vor, mit dem Auftrag, dort sichtbar Präsenz zu demonstrieren. Später sollte Murat nördlich des Schwarzwalds über Pforzheim und Stuttgart der Armee folgen.[16] Zuletzt blieben an der Straße nach Freudenstadt nur noch wenige Truppen zurück, um dadurch noch möglichst lange einen Marsch durch den Schwarzwald vorzutäuschen.[17]
Mittlerweile durchquerte ein Teil der französischen Grande Armee (das 1., 2. und 3. Armeekorps sowie die bayerischen Truppen) die zu Preußen gehörende Markgrafschaft Ansbach, um auf diesem Weg die Donau möglichst schnell zu erreichen. Die übrigen Truppen (das 4., 5., 6. Armeekorps, die Kavalleriereserve und die Reserveartillerie) marschierten vom Rhein kommend, den diese zwischen Mannheim und Straßburg überschritten hatten, durch Württemberg zunächst in Richtung Ries zur Donau. Die Grande Armee besaß Anfang Oktober zusammen mit der bayerischen Armee eine Stärke von mehr als 205.000 Mann.[18] In Preußen aber, das in der Hoffnung auf den Erwerb von Hannover[19] zunächst durchaus geneigt schien, auf die Seite Napoleons zu treten, löste die bewusste Verletzung seiner Neutralität große Empörung aus. Im Gegenzug erlaubte Berlin nun auch den Durchmarsch russischer Truppen durch Schlesien und schloss am 3. November in Potsdam sogar einen geheimen Vertrag mit Russland, der offiziell auf eine „bewaffnete Vermittlung“, inoffiziell aber letztlich auf den Eintritt des Landes in den Krieg zum 15. Dezember hinauslief.[20]
In einer für die österreichische Armee überraschend kurzen Zeit erreichten die vordersten Teile der Grande Armee schon am 6. Oktober die Donau. Nur einen Tag später überschritt sie zwischen Donauwörth und Ingolstadt den Fluss, an ihrer Spitze die Kavallerie von Murat. Damit war die österreichische Armee in Oberschwaben, die zu diesem Zeitpunkt fast 80.000 Mann zählte,[21] bereits umgangen und schwebte in großer Gefahr noch ehe der erste Schuss gefallen war. Kaiser Napoleon hatte dadurch sein erstes Ziel erreicht, bevor die erwartete russische Armee am Inn angelangt war.[22] Obwohl die österreichische Armee in Deutschland bereits früh über Anmarsch und Verteilung der Grande Armée gut informiert war, konzentrierte sie sich zu diesem Zeitpunkt noch immer südlich der Donau in Oberschwaben. Ein großer Teil der Armee stand zwischen Ulm und Günzburg,[23] größere detachierte „Abteilungen“ oder „Kolonnen“[24] befanden sich südlich von Biberach (FML Jellačić)[25] und bei Neuburg an der Donau (FML Kienmayer)[26], außerdem gab es noch einige Bataillone bei Stockach und in der Nähe des Bodensees (unter General Mayer) zur Beobachtung der Straßen nach dem Elsass. Weitere Truppen sollten noch später aus Vorarlberg und Oberösterreich folgen. Eine wichtige Rolle bei der falschen Lageeinschätzung Macks spielte der in französischen Diensten stehende Spion Karl Ludwig Schulmeister, der falsche Informationen an die Österreicher lieferte und diese damit in Sicherheit wiegte.[27]
Verlauf der Kämpfe
Schon am 6. Oktober hatte die französische Vorhut unter General Vandamme die Donau bei Donauwörth erreicht. Nach dem geglückten Übergang über den Fluss eilte ein Teil der schweren Reservekavallerie entlang des Lechs in Richtung Augsburg, das bereits am Abend des 8. Oktobers erreicht wurde.[28] Von dort marschierte ein Teil der Armee weiter nach Süden nach Landsberg am Lech (das Armeekorps von Marschall Soult). Gleichzeitig drangen bayerische und französische Truppen in Richtung Isar vor, um dem erwarteten russischen Heer schon möglichst weit im Osten zu begegnen. Nach der Überquerung der Donau schwenkte jedoch der größere Teil der Grande Armée wieder nach Westen ein und errang in der Schlacht bei Wertingen am 8. Oktober ihren ersten Erfolg. Dies war zugleich der erste bewaffnete Kampf in diesem Krieg. Im Verlauf der weiteren Operationen wurde die österreichische Armee an Donau und Iller rasch von allen ihren Verbindungen nach Österreich abgeschnitten. Dabei kam es zu einer Reihe kleinerer Gefechte, die – wie Mack in seiner kurz nach dem Krieg erschienenen Verteidigungsschrift schreibt – „nicht eine, sondern zehn Schlachten neben einander zur nämlichen Zeit und auf einem Raum von einigen [deutschen] Quadratmeilen“[29] waren.
Erst zu diesem Zeitpunkt (also am 6./7. Oktober) erkannte nach eigenem Bekunden FML Mack vollständig die drohende Gefahr, in der die österreichische Armee schwebte.[30] Anstatt nun aber der Abteilung von FML Jellačić bei Biberach entgegenzumarschieren und durch noch unbesetztes Oberschwaben nach Süden auszuweichen, um so den Anschluss an die Armee von Erzherzog Johann in Tirol zu finden, wollte er auf das nördliche Donauufer ausweichen. Da Napoleon zur Deckung seiner rückwärtigen Verbindungen das Armeekorps von Marschall Ney an der Donau zurückgelassen hatte, gab er dieses Vorhaben nach einem kurzen Gefecht in der Nähe der Donaubrücken von Günzburg am 9. Oktober wieder auf. Danach zog sich Mack mit seinen Truppen immer mehr nach Ulm zurück.[31] Auf der anderen Seite entsandte Napoleon, um das Entkommen der Österreicher über Vorarlberg und Tirol endgültig zu verhindern, gleichzeitig das Armeekorps von Marschall Soult nach Memmingen, wo es am 13. Oktober ankam und am 14. die Besatzung der Stadt zur Kapitulation zwang.[32]
Am 11. Oktober versuchte die österreichische Armee, von Ulm aus nach Norden auszubrechen. Doch wenige Kilometer nördlich der Stadt stießen die Kolonnen unter Erzherzog Ferdinand auf eine französische Division (Dupont), die gegen Ulm vorging. Im anschließenden Gefecht bei Haslach (acht Kilometer nordöstlich von Ulm, heute Jungingen) konnten die österreichischen Truppen die Division, die zum Armeekorps von Ney gehörte, zerschlagen. Dennoch befahl FML Mack den Rückzug der Truppen nach Ulm. Obwohl dieses Gefecht siegreich verlaufen war, schien Mack überzeugt gewesen zu sein, dass ein Entkommen nicht mehr möglich sei.[33] Gleichzeitig machte er jedoch Pläne, über Stuttgart nach Ellwangen zu marschieren, um dadurch die französischen Verbindungslinien zu blockieren, womit er einen großen Teil des 12. Oktobers verbrachte.[34] An diesem Tag befahl Mack überdies eine völlige Neueinteilung der österreichischen Armee in Ulm, die sich an das neue französische System anlehnte.[35] Obwohl an sich ein Fortschritt, erfolgte der Schritt doch zum falschen Zeitpunkt, da es immer eine Zeitlang dauert, bis die neuen Unterstellungsverhältnisse alle eindeutig geklärt sind. An diesem Tag befand sich auf dem Nordufer der Donau lediglich noch die bei Haslach geschlagene französische Division Dupont.
Durch die Umstrukturierung verzögert, versuchte die österreichische Armee erst zwei Tage später, also am 13. Oktober, erneut nördlich von Ulm auszubrechen. Dies gelang zunächst auch der etwa 12.000 Mann starken Kolonne unter dem Befehl von FML Werneck, der sogar bis nach Heidenheim an der Brenz durchstieß. Eine weitere Kolonne unter FML Loudon, die auf ausdrücklichen Befehl von Mack zuerst donauabwärts marschiert war, vertrieb die Franzosen aus Elchingen (ca. 15 km östlich von Ulm), wo sie jedoch auf die Truppen von FML Graf Riesch wartete, die ihr folgten. Dabei versäumten sie es allerdings, die Brücke über die Donau zu zerstören (sie wurde dann am nächsten Tag von französischen Truppen zum erneuten Angriff auf Elchingen benutzt). Die aus den beiden Vorstößen sich ergebende Chance zum Ausbruch der gesamten Armee nach Norden ließ Mack jedoch ungenutzt verstreichen, da er noch während des Vorstoßes der Kolonnen den Entschluss fasste, in Ulm zu bleiben.[36] Auch am nächsten Tag ließ Mack keine Truppen nachrücken, als es durch den Angriff von Marschall Ney am 14. Oktober zur Schlacht von Elchingen kam,[37] und er hielt Fürst Schwarzenberg zurück, der mit seiner Kolonne („Corps“) am Morgen des 14. Oktobers eigentlich Werneck folgen sollte.[38] Nach der Niederlage der österreichischen Truppen bei Elchingen wurde Mack endgültig mit rund 27.000 Mann in Ulm eingeschlossen.[39]
Am nächsten Tag, am 15. Oktober, gelang es der französischen Armee im direkten Gegenzug die beherrschenden Höhen nördlich der Stadt, den Michelsberg und den Frauensberg[40], mit den darauf angelegten großen Verschanzungen zu besetzen, aus denen sie dann sofort die Stadt beschoss. Die französischen Truppen drangen teilweise sogar bis zu den Stadttoren von Ulm vor, anschließend gingen nördlich der Donau die meisten Vororte der Stadt verloren.[41] Auf dem rechten Donauufer standen die vordersten französischen Truppen an der Donau bei Dellmensingen (ca. 12 km vor Ulm), an der Iller bei Kirchberg (5 bis 6 km südl. von Ulm) und östlich der Iller schon bei Pfuhl, nur wenig stromabwärts von Ulm. Allen am Kampf Beteiligten war spätestens jetzt klar, dass die österreichische Armee sich in der Stadt nicht mehr lange halten könne. Am späten Nachmittag sandte Marschall Ney einen Parlamentär zu FML Mack und forderte ihn zur Kapitulation auf, was dieser aber zurückwies. Am späten Abend bot Mack dem dienstältesten General in der Stadt, FML Graf Riesch, an, das Kommando über die Armee zu übernehmen,[42] was dieser jedoch ablehnte.[43] Wie sehr die Autorität von Mack erschüttert war, zeigt eine schriftliche Erklärung, die alle anwesenden österreichischen Generale unterzeichneten. Darin stellten sie fest, die Stadt Ulm sei keine Festung,[44] sie könne nicht langfristig verteidigt werden. Ein Entsatz durch die russische und die Armee von FML Kienmaier sei selbst unter günstigen Bedingungen nicht vor drei Wochen zu erwarten.[45]
Am Morgen des 16. Oktobers drängten sich in der Stadt zusätzlich noch viele Bewohner aus den umliegenden Ortschaften zusammen. In den Straßen lagen tote Pferde und in den Häusern und Spitälern tote Menschen, die nicht mehr bestattet werden konnten. An diesem Tag kam es dann zu weiteren Verhandlungen mit der französischen Armee, bei denen die Beteiligten sich jedoch noch nicht über die Bedingungen der Kapitulation einigen konnten. Nach einer weiteren Beschießung der Stadt am späten Nachmittag durch die französische Artillerie akzeptierte FML Mack schließlich am Vormittag des 17. Oktobers die Kapitulation der österreichischen Armee[46] in Ulm, unter der Bedingung, dass die Waffenübergabe erst am 25. Oktober stattfinde, wenn bis dahin die Armee nicht von außen entsetzt werden würde.[47] Danach besetzte eine französische Brigade das Neu-Tor und die umliegenden Häuser in Ulm; die Brücke über die Donau wurde wieder hergestellt. Mit dem nun eintretenden Waffenstillstand war nach nur einer Woche der Kampf für die österreichische Armee in Deutschland zu Ende.[48]
Die endgültige Waffenübergabe der noch verbliebenen 25.500 Mann (einschließlich der Kranken und Verwundeten in den Spitälern)[49] erfolgte vorzeitig am 20. Oktober, als auch Mack überzeugt wurde, dass von außen keine Hilfe mehr zu erwarten sei.[50] An diesem Tag, also am 20. Oktober, stand General Kutusow mit einer russischen Armee von etwa 50.000 Mann noch immer in Braunau am Inn.[51]
Die Abteilung von FML Werneck war, wie ihr befohlen worden war, nach dem geglückten Ausbruch am 13. Oktober noch drei Tage bei Giengen stehen geblieben, um auf die Armee aus Ulm zu warten, anstatt sofort in Richtung Böhmen abzumarschieren. Am 17. Oktober wurde Werneck bei Neresheim eingeholt und geschlagen, so dass er am 18. Oktober mit rund 2.000 Mann bei Trochtelfingen kapitulieren musste. In Begleitung der wenigen Truppen unter Führung von FML Fürst Schwarzenberg, denen am Abend des 14. Oktobers der Ausbruch aus der Stadt gelang, befand sich der (nominelle) Oberbefehlshaber der österreichischen Armee in Deutschland, Erzherzog Ferdinand.[52] Er erreichte, verfolgt von den Reitern Murats, mit etwa 2.000 Mann am 22. Oktober die Stadt Eger in Böhmen.[53]
Während dieser Ereignisse hatte sich FML Kienmayer mit seiner Abteilung langsam über Dachau und München in Richtung Salzburg zurückgezogen, um sich dann mit der russischen Armee unter Kutusow zu vereinigen. Eine Abteilung unter FML Jellačić (ca. 10.000 Mann)[54] hatte schon am 13. Oktober von Mack den Befehl erhalten, von Ulm über Memmingen[55] und Bregenz nach Vorarlberg zu gehen, um dort die Pässe nach Tirol zu decken.[56]
Folgen
Nach der Kapitulation der österreichischen Truppen in Ulm stand Napoleon der Weg nach Wien offen. Bereits am 12. Oktober hatten französische und bayerische Truppen unter Marschall Bernadotte München besetzt,[57] wohin sich zunächst die österreichische Abteilung unter FML Kienmaier zurückgezogen hatte, und drangen von dort aus langsam zur österreichischen Grenze vor. Nach der Kapitulation von Ulm folgte Kaiser Napoleon ebenfalls mit dem Gros der Grande Armée dorthin. Anschließend hatten die französischen Truppen auf dem Weg zur österreichischen Hauptstadt nur noch einige Nachhutgefechte mit der sich langsam zurückziehenden russischen Armee entlang der Donau zu bestreiten[58] und konnten schließlich Wien am 13. November kampflos besetzen. Von dort aus verfolgte Kaiser Napoleon weiter die nach Mähren zurückweichende russische Armee, da er möglichst bald eine Entscheidungsschlacht erzwingen wollte, ehe sich diese mit den anderen feindlichen Armeen vereinen konnten, die noch im Anmarsch waren.[59]
Kutusow hatte bereits bei Krems die Donau überschritten (→ Schlacht von Dürnstein) und sich von dort nach Norden in Richtung Brünn zurückgezogen, wo er diese Verstärkungen erwartete. Aber Napoleon, der dem sich abzeichnenden Kriegseintritt Preußens auf jeden Fall zuvorkommen wollte, gelang es, die Russen und Österreicher durch geschickte Vortäuschung von zahlenmäßiger Schwäche vorzeitig in die Schlacht von Austerlitz zu locken, bevor die anderen aus Polen heranrückenden russischen Truppen oder die „italienische Armee“ unter Erzherzog Karl, der schon durch Westungarn heraneilte, das Schlachtfeld erreichen konnten.
Literatur
- Franz Willbold: Napoleons Feldzug um Ulm – Die Schlacht von Elchingen am 14. Oktober 1805. Ulm 1987.
- Thomas Schuler: Napoleon in Bayern. Band 3: Die Schlacht von Elchingen. Die Befreiung von München. Anton H. Konrad Verlag, Weißenhorn 2010, ISBN 978-3874375436.
- Jean Thiry: Ulm – Trafalgar – Austerlitz. Berger-Levrault, Paris 1962.
- Franz Reißenauer: Günzburg – Geschichte einer schwäbischen Stadt. Band 1: Von den Anfängen bis 1805. Wißner-Verlag, Augsburg 2009, ISBN 978-3-89639-721-8, S. 402–410.
Weblinks
- Ulm Campaign animated battle map by Jonathan Webb
Einzelnachweise
- Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912; Duffy Die Schlacht bei Austerlitz, 1979
- Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912; Schaeben, Der Feldzug um Ulm im Jahre 1805, 1910; Maude, The Ulm Campaign 1805, 1912; Willbold, Napoleons Feldzug um Ulm, 2005
- streng genommen die „Batavische Republik“, wie der durch seine Verfassung an Frankreich geknüpfte Staat damals offiziell hieß
- Schneidawind, Der Krieg von 1805, 1848, 2ff (gegen die offene Verletzung der Neutralität der norddeutschen Länder protestierte damals allerdings nur der König von Schweden in seiner Eigenschaft als Herzog von Pommern und damit auch deutscher Reichsfürst)
- Braubach, Von der französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß (= Gebhardt, deutsche Geschichte Bd. 14), 1974, 74ff
- Rabou, La Grande Armée, 1865, T.1, 9ff; Yorck v. Wartenburg, Napoleon as a General, 1902, Vol. 1, 202ff
- Braubach, Von der französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß (= Gebhardt, deutsche Geschichte Bd. 14), 1974, 77
- Vertrag von Ludwigsburg (Pfister, Aus dem Lager des Rheinbundes, 1897, 4; Wolzogen, Memoiren, 1851, 24ff)
- auch „Feldmarschall-Lieutenant“ geschrieben, zweite Stufe des Generalrangs; entspricht somit dem „Général de division“ nach der französischen, „Generalleutnant“ nach der preußischen oder „Generalmajor“ nach der anglo-amerikanischen Rangordnung, die auch bei der Bundeswehr gebraucht wird
- der zuständige Kriegsminister, Erzherzog Karl, hatte für diese Stellung eigentlich Generalmajor Mayer v. Heldenfeld vorgesehen (Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, 40, vgl. dazu auch Schoenhals, Der Krieg in Deutschland 1805, 1873, 29ff)
- Maud, The Ulm Campaign 1805, 1912, 92ff; Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, 144ff. In nicht wenigen vereinfachenden Darstellungen wird Mack als „Oberbefehlshaber der Armee“ bezeichnet. FML Mack, der das persönliche Vertrauen von Kaiser Franz genoss, verhielt sich zwar vielfach so, als sei er der Oberbefehlshaber der österreichischen Truppen in Süddeutschland, aber er war es nicht. Oberbefehlshaber der österreichischen Truppen in Ulm wurde er offiziell erst, nachdem es Erzherzog Ferdinand gelungen war, mit einigen Teilen der Armee von dort auszubrechen.
- in seinen vertraulichen Berichten an Kaiser Franz schrieb der Erzherzog, er sei wiederholt „mit den Plänen des FML Mack nicht einverstanden“ und dieser gehe auch nicht auf die „Gegenvorstellungen anderer bewährter Generale“ ein, so dass letztlich immer das geschehe, was dieser wolle (Moriggl, Der Feldzug des Jahres 1805 und seine Folgen, 1861, 137)
- Mack, Vertheidigung des Feldzuges von 1805, 1806, 44ff und 58ff; Maud, The Ulm Campaign 1805, 1912, 95ff
- Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, 152
- Hardegg und Biffart, Vorlesungen über Kriegsgeschichte, 1862, 75ff; Großer Generalstab (Hrg.), Studien zur Kriegsgeschichte, Bd. 3, 1903, 15
- nach der ursprünglichen Marschdisposition, sollte ein Teil der Armee durch den Schwarzwald oder entlang des Rheins zum Bodensee zu marschieren. Nach der Disposition vom 20. September sollte dann die gesamte Armee den Schwarzwald nördlich umgehen (Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, Beilagen 15 – 18)
- bis Anfang Oktober, dann folgte sie der Armee nördlich des Schwarzwaldes (Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, Beilage 20)
- Großer Generalstab (Hrg.), Studien zur Kriegsgeschichte, Bd. 3, 1903, 14
- bereits im März 1803, also noch vor Ausbruch des Krieges mit England, bot Napoleon König Friedrich Wilhelm den Erwerb von Hannover an (Treitschke, Deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts, 1900, Bd. 1, 213)
- Braubach, Von der französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß (= Gebhardt, deutsche Geschichte Bd. 14), 1974, 77
- einschließlich der Truppen, die noch im Anmarsch waren und der Kolonne von Kienmayer; daher war die Stärke der Truppen an der Iller kaum viel höher als 60.000 (vgl. dazu Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, 295f und 520ff)
- die russischen Truppen unter dem Befehl von General Kutusow (knapp 50.000 Mann) standen am 20. Oktober Braunau am Inn (Maud, The Ulm Campaign 1805, 1912, 90).
- die Abteilungen von FML Riesch und FML Fürst Schwarzenberg, die zusammen etwa 33–35.000 Mann stark waren. Ein Teil dieser Truppen war allerdings ebenfalls detachiert oder diente als Besatzung von umliegenden Städten (vgl. Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912; Schoenhals, Der Krieg in Deutschland 1805, 1873, 51)
- das österreichische Heer besaß 1805 noch keine höheren taktische Verbände (etwa die Division oder das Armeekorps bei der Grande Armée). Die Untergliederung der Armee geschah damals noch immer mehr oder weniger willkürlich nach den jeweiligen Bedürfnissen und den Wünschen des gerade kommandierenden Oberbefehlshabers. Die Bezeichnungen „Brigade“, „Kolonnen“ oder „Corps“ wurden zwar häufig verwendet, aber dabei handelt es sich bloß um Namen für kurzfristig zusammengestellte Verbände für eine bestimmte Aufgabe.
- in der Literatur häufig auch „Jellachich“ geschrieben
- nur deren vordersten Teile hatten die Donau erreicht, der größere Teil aber hatte kaum die Isar passiert
- Terry Crowdy: The Enemy Within: A History of Spies, Spymasters and Espionage. Osprey, 2008. ISBN 978-1-84603-217-2. S. 147f (Siehe dazu auch weiter unten: Macks Verhalten am 13. Oktober).
- Burton, From Boulogne to Austerlitz, 1912, 38f; Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912; Schoenhals, Der Krieg in Deutschland 1805, 1873, 55ff und 60
- Mack, Vertheidigung des Feldzuges von 1805, 1806, 68f (eine deutsche Quadratmeile umfasst eine Fläche von mehr als 56 Quadratkilometern)
- allerdings hatte ihn in einer schriftlichen Anfrage bereits am 1. Oktober Erzherzog Ferdinand auf die französischen Truppen am Neckar hingewiesen, um zu erfahren, was er (also Mack) dagegen unternehmen wolle (Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, 520)
- Burton, From Boulogne to Austerlitz, 1912, 40; Yorck v. Wartenburg, Napoleon as a General, 1902, Vol. 1, 220f
- Moriggel, Der Feldzug des Jahres 1805 und seine Folgen, 1861, 147
- Burton, From Boulogne to Austerlitz, 1912, 42
- Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, 521
- Schneidawind, Der Krieg im Jahre 1805, 1848, 96
- Yorck v. Wartenburg, Napoleon as a General, 1902, Vol. 1, 225; Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, 521; Moriggel, Der Feldzug des Jahres 1805 und seine Folgen, 1861, 140 (in geheimen Meldungen, die er von einem Agenten aus Württemberg erhielt, wurde behauptet, die Engländer seien in Boulogne gelandet. Seitdem deutete Mack die Bewegungen der französischen Armee südlich von Ulm in Richtung Westen als „Rückzugsbewegungen“; die Einwände anderer Generale gegen diese Interpretation wies er zurück.)
- Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, 456 ff.
- Moriggel, Der Feldzug des Jahres 1805 und seine Folgen, 1861, 142
- Yorck v. Wartenburg, Napoleon as a General, 1902, Vol. 1, 226
- so der Name des Berges auf zeitgenössischen Landkarten, heute Fort Albeck
- Burton, From Boulogne to Austerlitz, 1912, 46; Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, 470; Schoenhals, Der Krieg in Deutschland 1805, 1873, 91ff
- Erzherzog Ferdinand befand sich bei den am 14. Oktober ausgebrochenen Truppen, so dass Mack nun der alleinige Oberbefehlshaber in Ulm war
- Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, 472
- die Befestigungen von Ulm waren im Jahr 1800 weitgehend geschleift worden
- Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, 473ff; Schoenhals, Der Krieg in Deutschland 1805, 1873, 92
- in seiner Verteidigungsschrift von 1806 (Mack, Vertheidigung des Feldzuges von 1805, 1806) und in mehreren Briefen an Fürst Schwarzenberg vertritt Mack die Ansicht, dass Ulm durchaus noch zu halten gewesen sei, zumal die Franzosen gar kein Belagerungsgeschütze mit sich geführt hätten. Er habe nur wegen der Widersetzlichkeiten seiner Kameraden die Kapitulation widerwillig unterzeichnet.
- Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, 478; Yorck v. Wartenburg, Napoleon as a General, 1902, Vol. 1, 226
- Schoenhals, Der Krieg in Deutschland 1805, 1873, 101
- eine genaue Angabe der österreichischen Verluste ist nicht möglich, da dazu keine Unterlagen im österreichischen Kriegsarchiv vorliegen; überdies erlitt das österreichische Heer die meisten Verlusten an Toten und Verwundeten nicht in Ulm selbst, sondern in den zahlreichen kleineren Gefechten, die im Verlauf dieses Feldzuges stattfanden. Vgl. dazu die ausführliche Darstellung von Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm (1912)
- nachdem ihm Marschall Berthier zuvor bei seinem Stab in der Abtei Elchingen am 19. Oktober grob auf einer Karte die derzeitigen Positionen der französischen Truppen dargelegt hatte (Schoenhals, Der Krieg in Deutschland 1805, 1873, 102)
- die ersten 8.000 Russen waren bereits am 10. Oktober dort eingetroffen (Yorck v. Wartenburg, Napoleon as a General, 1902, Vol. 1, 222; Bernhardi, Denkwürdigkeiten des Obersten Toll, Bd. 1, 130)
- wegen der verheerenden politischen Wirkung, die die Gefangennahme eines Erzherzogs habe müsse, drängten in einem Kriegsrat am 14. Oktober mehrere hohe Offiziere den Prinzen, einen Ausbruchsversuch zu unternehmen. Dieser wurde dann trotz der Einwände, die Mack dagegen vorbrachte, auch beschlossen und am Abend erfolgreich ausgeführt (Moriggel, Der Feldzug des Jahres 1805 und seine Folgen, 1861, 147ff; Schoenhals, Der Krieg in Deutschland 1805, 1873, 89ff).
- Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, 1912, 481–493
- unter dem Kommando von Jellačić standen allerdings auch die Besatzungen von Memmingen, Wangen und Lindau, so dass sich höchstens 5.000–6.000 Mann bei ihm befanden
- da Marschall Soult bereits am 13. Oktober vor Memmingen erschien, marschierte er über Biberach und Wangen
- Yorck v. Wartenburg, Napoleon as a General, 1902, Vol. 1, 225; Moriggel, Der Feldzug des Jahres 1805 und seine Folgen, 1861, 145
- Burton, From Boulogne to Austerlitz, 1912, 42; Yorck v. Wartenburg, Napoleon as a General, 1902, Vol. 1, 223
- das schwerste Gefecht fand am 11. November bei Dürnstein in der Nähe von Krems statt (vgl. Duffy, Die Schlacht bei Austerlitz, 1979, 80f)
- Duffy, Die Schlacht von Austerlitz, 1979, 91ff