Schienenverkehr in Luxemburg
Der Schienenverkehr in Luxemburg wird heute überwiegend durch die Société Nationale des Chemins de Fer Luxembourgeois (CFL) betrieben.
Geschichte
Netz
Nach dem Zweiten Weltkrieg umfasste das Netz der luxemburgischen Eisenbahnlinien 550 Kilometer, wobei damals noch ein ausgedehntes Schmalspurbahnennetz existierte. Innerhalb von eineinhalb Jahrzehnten wurde das Schienennetz halbiert. Am 15. Februar 1953 wurde mit dem „Jhangeli“ eine im Volksmund sehr bekannte Schmalspurbahn stillgelegt. Ende 2003 hatte das nationale Netz eine Länge von 275 Kilometern, davon 140 Kilometer zweigleisig und 135 Kilometer eingleisig. Insgesamt gab es zu diesem Zeitpunkt 618 Schienenkilometer, wovon 436 Kilometer auf Hauptstrecken und Bahnhöfe entfallen und 182 Kilometer auf Nebenstrecken.
Das Schienennetz umfasst 70 Bahnhöfe und Haltestellen[1] und ist zu 95 Prozent elektrifiziert.
Nationale Sicherheitsbehörde für das luxemburgische Eisenbahnnetz ist die Administration des Chemins de Fer (ACF), Regulierungsstelle das Institut Luxembourgeois de Régulation.
Linien
Hauptträger des Verkehrs sind die 70 Kilometer lange Nordstrecke Luxemburg (Stadt) – Troisvierges – (Lüttich/Belgien) sowie die Ost-West-Verbindung (Trier/Deutschland) – Wasserbillig – Luxemburg (Stadt) – Kleinbettingen – (Arlon/Belgien).[2]
Marktöffnung
Der Zugang zum nationalen Schienennetz und dessen Betrieb und Leitung werden durch das Gesetz vom 6. Juni 2019 geregelt, welches wiederum die Richtlinie 2012/34 der Europäischen Union und deren Änderungsakte 2016/2370 in nationales Recht umsetzt.[3]
Personenverkehr
Durch eine Regelung im Artikel 5 der Verordnung 1370/2007 der Europäischen Union ist Luxemburg von der Liberalisierung der öffentlichen Schienenpersonenverkehrsdienste ausgenommen. Diese Aufträge werden nach wie vor direkt an die CFL vergeben, ohne dass es zu Ausschreibungen kommt. Es steht der CFL dabei nach wie vor frei, mit anderen Eisenbahnunternehmen zusammenzuarbeiten, was im grenzüberschreitenden Verkehr nach Frankreich (SNCF) und nach Belgien (SNCB) auch der Fall ist.
Güterverkehr
Der nationale und internationale Güterverkehr sind in Luxemburg, dem europäischen Recht entsprechend, vollständig liberalisiert.
Allgemeines
Fahrzeuge, die das luxemburgische Eisenbahnnetz befahren, bedürfen – wie bei jedem anderen – eines Nachweises der Kompatibilität zur vorhandenen Infrastruktur. Dieser Nachweis muss nicht selten auch mit Testfahrten erbracht werden. Darüber hinaus müssen mit Sicherheitsaufgaben betraute Personen (Triebfahrzeugführer, Zugführer, Wagenmeister, Rangierer etc.) speziell geprüft und zur Teilnahme am Betrieb zugelassen werden.
Das luxemburgische Eisenbahnnetz zeichnete sich durch technische Besonderheiten bei der Stromversorgung sowie den Signal- und Sicherungssystemen aus, welche von den drei Nachbarländern abgeleitet wurden. Luxemburg war zu klein, um sich historisch gegen die industriellen Nachbarn mit eigenen Standards abzugrenzen.
Der Beginn der starken Entwicklung heutiger Hauptbahnen lag in der Zeit der weitgehenden Integration des Großherzogtums ins Deutsche Kaiserreich. Nach der Eingliederung Elsass-Lothringens erfolgte ein wirtschaftlich-militärischer Ausbau des Netzes, von dem heute sichtbar der Rechtsverkehr (analog zu Grand Est) verblieben ist. Nach dem Ersten Weltkrieg war das Großherzogtum weitgehend von Frankreich dominiert. Nach der kurzen Unterbrechung französischen Einflusses im Zweiten Weltkrieg wurde die Betriebsorganisation danach erneut von Frankreich und Belgien übernommen. In diesen Nachkriegszeitraum fielen die Streckenelektrifizierungen sowie der Aufbau von Zugbeeinflussungsanlagen. Die Strecke nach Belgien wurde entsprechend mit 3 kV Gleichspannung elektrifiziert, die nach Frankreich mit 25 kV Wechselspannung und französischer Fahrleitungsgeometrie. Bei der Zugbeeinflussung entschied man sich für kompatible Varianten der „Crocodile“-Technik. Etwa zum Jahr 2020 konnte man sowohl das Fahrleitungsnetz vollständig auf 25 kV umstellen als auch die veralteten Zugbeeinflussungen durch ETCS ersetzen.[4]
European Train Control System
Die CFL war der erste Netzbetreiber, der sich bereits 1999 für die netzweite Einführung des europäischen Zugbeeinflussungssystems ETCS entschied. Die Ausrüstung des gesamten nationalen Streckenennetzes mit ETCS war Ende 2014 abgeschlossen.[5] Die Umrüstung aller Fahrzeuge der CFL für den Reiseverkehr (Lokomotiven, Triebzüge und Steuerwagen) erfolgte bis Ende 2017.[6]
Maßnahmen infolge des tödlichen Unfalls vom 14. Februar 2017
Nach dem Unfall vom 14. Februar 2017 in Düdelingen, bei dem durch eine Unachtsamkeit eines Triebfahrzeugführers sowie durch einen Ausfall des Zugbeeinflussungssystems Memor II+ der Triebfahrzeugführer ums Leben gekommen war, verfasste die nationale Untersuchungsstelle, die Administration des enquêtes techniques, in ihrem vorläufigen Untersuchungsbericht folgende Empfehlung:
« Recommandation LU-CF-2017-002 : Faire évoluer le plus rapidement possible, l’utilisation sur tout le réseau ferré national, du système d'aide à la conduite Memor II+ vers le système unifié de contrôle-commande ETCS. Fort du constat que le système Memor II+ ne dispose pas de dispositif technique détectant la non-transmission d’une impulsion Memor II+, il s’avère important d’imposer à toutes les entreprises ferroviaires circulant sur le réseau ferré national d’équiper au plus vite tout leur matériel roulant avec le système de sécurité européen ETCS. »
„Empfehlung LU-CF-2017-002 : Den Übergang vom Fahrhilfssystem Memor II+ zum einheitlichen Zugbeeinflussungssystem ETCS so schnell wie möglich vorantreiben. Aufgrund der Erkenntnis, dass das System Memor II+ nicht über eine Einrichtung verfügt, die eine fehlende Übertragung eines Memor II+-Impulses erkennt, erweist es sich als wichtig, allen auf dem nationalen Schienennetz verkehrenden Eisenbahnunternehmen die schnellstmögliche Ausrüstung ihrer Fahrzeuge mit der europäischen Zugbeeinflussung ETCS vorzuschreiben.“
Aufgrund dieser Empfehlung entschied die nationale Sicherheitsbehörde Luxemburgs, die Administration des Chemins de Fer, die Nutzung des Systems Memor II+ nur bis zum 31. Dezember 2019 zu erlauben. Nach Auslauf einer Sondergenehmigung ist seit dem 1. Januar 2021 die generelle Nutzung des Systems ETCS vorgeschrieben.[8]
GSM-R
Ende März 2016 wurde die Ausrüstung von 271 km des luxemburgischen Schienennetzes mit GSM-R durch das österreichische Unternehmen Kapsch CarrierCom für Anfang 2017 angekündigt.[9] Das System wurde erst am 9. Dezember 2018 durch die ACF abgenommen[10] und nachfolgend durch die CFL in Betrieb gesetzt[11].
Ausbauprojekte und Fonds
1995 übernahm der luxemburgische Staat das Eisenbahnnetz von der CFL durch die Einrichtung des Réseau Ferré National Luxembourgeois. Durch den Fonds du Rail wird seitdem die Finanzierung von Instandhaltung und Ausbau des Netzes gewährleistet. Erstmals seit etlichen Jahrzehnten wurde 2003 mit der Verbindung zwischen Dudelange-Usines (Luxemburg) und Volmerange-les-Mines (Frankreich) eine neue Eisenbahnstrecke in Betrieb genommen. Für weitere Ausbauprojekte sind in der Legislaturperiode 1999–2004 die gesetzlichen Grundlagen geschaffen worden.
Ausbauprojekte
Seit November 2012 ist die Strecke Petingen–Luxemburg zweigleisig befahrbar. Hierzu wurde im April 2010 über die Autobahn A6 in Höhe von Zessingen eine neue Eisenbahnbrücke errichtet.[12]
Literatur
- Ed Federmeyer: Schmalspurbahnen in Luxemburg.
- Band 1, (= GAR-Documentation). 1991, ISBN 3-921980-46-1.
- Band 2, (= GAR-Documentation). 1991, ISBN 3-921980-46-1.
- Ed Federmeyer: Eisenbahnen in Luxemburg. Eisenbahn-Kurier, Freiburg 1984, ISBN 3-88255-400-2.
- Ed Federmeyer: Eisenbahnen in Luxemburg.
- Band 1, Herdam-Verlag, Gernrode 2007, ISBN 978-3-933178-21-3.
- Band 2, Herdam-Verlag, Gernrode 2009, ISBN 978-3-933178-24-4.
- Band 3, Herdam-Verlag, Gernrode 2012, ISBN 978-3-933178-27-5.
Weblinks
- rail.lu Die Eisenbahnen in und um Luxemburg
- Administration des Chemins de Fer (Internetseite der nationalen Sicherheitsbehörde)
- 50 Jahre Elektrifizierung der Luxemburger Eisenbahnen. (Briefmarke der Luxemburger Post).
- Frühe Dokumente und Zeitungsartikel über die Luxemburgische anonyme Prinz Heinrich Eisenbahn- und Erzgruben-Gesellschaft in den Historischen Pressearchiven der ZBW
Einzelnachweise
- Rapport intégré 2019 du groupe CFL. (PDF) Abgerufen am 5. Juli 2020 (Jahresbericht der CFL aus 2019, S. 60).
- Le réseau ferré luxembourgeois. (Memento des vom 23. Mai 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Loi relative à la gestion, à l’accès, à l’utilisation de l’infrastructure ferroviaire et à la régulation du marché ferroviaire. Abgerufen am 5. Juli 2020 (Gesetz betreffend die Leitung, den Zugang sowie die Benutzung der Schieneninfrastruktur und über die Regulierung des Eisenbahnmarktes).
- André Feltz, Jürgen Jacobs, Niels Nießen, Tobias Walke: Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Luxemburger Eisenbahnnetzes unter Berücksichtigung von ETCS Level 1 FS. (PDF) In: eurailpress.de. Eurailpress, November 2016, abgerufen am 26. März 2023.
- Rapport annuel de sécurité 2014 de l'Administration des chemins de fer. (PDF) Abgerufen am 5. Juli 2020 (Jahressicherheitsbericht der ACF aus 2014, B.1, Abschnitt 4).
- Rapport annuel 2017 (CFL). (PDF) Abgerufen am 5. Juli 2020 (Jahresbericht der CFL, S. 6).
- Vorläufiger Untersuchungsbericht der Administration des enquêtes techniques zum Eisenbahnunfall vom 14. Februar 2017 in Düdelingen
- Rapport final: Collision ferroviaire du 14 février 2017 à Dudelange. (PDF) Abgerufen am 11. Juli 2020.
- LOGISTIK express Presseservice: Kapsch CarrierCom realisiert landesweites Bahnkommunikationsnetz in Luxemburg. Abgerufen am 5. Juli 2020.
- Rapport annuel de sécurité 2018 de l’Administration des chemins de fer. Abgerufen am 5. Juli 2020 (Sicherheitsjahresbericht der Verwaltung der Eisenbahnen, S. 9).
- Société Nationale des Chemins de Fer Luxembourgeois: Rapport intégré 2018. (PDF) Abgerufen am 5. Juli 2020 (Jahresbericht der Nationalen Gesellschaft der Luxemburgischen Eisenbahnen, S. 17).
- Neue Zugbrücke über die Autobahn A6 gespannt. In: Luxemburger Wort. 24. April 2010.