Sauerbruch-Arm
Der Sauerbruch-Arm war eine von dem Chirurgen Ferdinand Sauerbruch konstruierte Prothese, die hauptsächlich für versehrte Kriegsteilnehmer des Ersten Weltkriegs gedacht war. Die hohen Kosten für die Prothese konnten jedoch nur wenige Betroffene aufbringen, so dass ihre Anwendung von vornherein nur begrenzt war. Dazu wurde bei dem verbliebenen Armstumpf durch das Muskelgewebe ein von Haut ausgekleideter Kanal gelegt, durch den ein Elfenbeinstab eingeführt wurde. Damit konnte die Bewegung der verbliebenen Muskulatur im Armstumpf auf die Prothesenteile, insbesondere der Hand (die Hüfnerhand), übertragen werden.
Geschichte
Bereits der italienische Chirurg Vanghetti hatte die Idee, Armamputierte mit einer beweglichen künstlichen Hand zu versorgen.[1] Ausgehend von einer Idee des in ebenfalls in Zürich lehrenden Professors für Maschinenbau Aurel Stodola, der vorschlug, die noch vorhandenen Muskeln im Stumpf als Antrieb für eine künstliche Hand zu nutzen, und einer groben Skizze für eine künstliche Hand, die sich so vom Träger bewusst öffnen und schließen lassen sollte, begann Sauerbruch bereits 1915 an der Umsetzung zu arbeiten. Im Frühjahr 1916 war der chirurgische Teil gelöst, es fehlte jedoch eine passende Handprothese. Zum Einsatz kam schließlich die von Jakob Hüfner entwickelte mechanische Zweizughand. Sie konnte aktiv geöffnet und geschlossen werden. 1920 meldete er seine Erfindung beim Reichspatentamt an. Ein Hauptstandort dieser Operationstechnik war das von Max Lebsche betriebene Caritas-Spital für Schwerkriegsbeschädigte im Schloss Fürstenried/München.[2] Patienten, die beide Hände verloren hatten, wurde nach Möglichkeit, wenn das die Amputations-Situation zuließ, nicht zwei Sauerbruch-Prothesen angelegt, sondern es wurde versucht, im Idealfall am linken Arm (bei Rechtshändern) eine Krukenberg-Plastik zu formen. Diese hat eine hohe Greifkraft und bildete eine sinnvolle Ergänzung zu den Fähigkeiten des Sauerbruch-Arms.
Die Sauerbruch-Prothese setzte sich nicht allgemein durch, u. a. weil im Hautkanal oft Entzündungen und Infektionen auftraten. Der Gedanke, die motorische Steuerung auf die Prothese zu übertragen, wurde indes nicht verworfen, sondern kam bei der myoelektrischen Prothese wieder auf. Dennoch ist auch ihre Verbreitung wegen des hohen Preises begrenzt.
Rezeption
Einen literarischen Nachklang fand der Sauerbruch-Arm in Bertolt Brechts Abhandlung Me-ti. Buch der Wendungen. In dieser Schrift taucht unter dem Titel „Der unpolitische Arzt“ eine an Ferdinand Sauerbruch angelehnte fiktive Figur auf: der Arzt „Schin-fu“, der in Lazaretten arbeitete und durch die Konstruktion einer künstlichen Hand für Soldaten bekannt wurde.[3]
Trivia
Entgegen manchmal kolportierter Informationen trug der Wehrmachtsoffizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg keine Sauerbruch-Prothese.[4]
Literatur
- Martin Friedrich Karpa: Die Geschichte der Armprothese unter besonderer Berücksichtigung der Leistung von Ferdinand Sauerbruch (1875–1951). Dissertation. Bochum 2005 (online, PDF; 4,65 MB).
- Ferdinand Sauerbruch: Die willkürlich bewegbare Hand. Eine Anleitung für Chirurgen und Techniker. Springer, Berlin 1916.
- Marion Maria Ruisinger (Hrsg.). Die Hand des Hutmachers. Deutsches Medizinhistorisches Museum, Heft Nr. 40, Ingolstadt 2014.
- Marion Maria Ruisinger: Medizingeschichte 3 D. In: Bayrisches Ärzteblatt. 3/2014, S. 115.
Weblinks
- Die willkürlich bewegbare künstliche Hand. (1937) im Virtuellen Labor. Ausschnitt aus dem unter Sauerbruchs Regie für die Reichsstelle für den Unterrichtsfilm hergestellten Hochschulfilm
- „Schmuckarme“ und „Ersatzglieder“: Prothetik im Ersten Weltkrieg
- Die Hand des Hutmachers Ausstellung im Medizinhistorischen Museum Ingolstadt
Einzelnachweise
- Nicolai Guleke: Kriegschirurgie und Kriegschirurgen im Wandel der Zeiten. Vortrag gehalten am 19. Juni 1944 vor den Studierenden der Medizin an der Universität Jena. Gustav Fischer, Jena 1945, S. 40.
- Stadtarchiv München: Jubiläumsoperation. Landeshauptstadt München, 2015, abgerufen am 14. Januar 2020.
- Bertolt Brecht: Me-ti / Buch der Wendungen. Werkausgabe Band 12 (Prosa 2), Suhrkamp, Frankfurt am Main 1967, S. 501.
- Ulrich Schlie: Claus Schenk Graf von Stauffenberg: Biografie von Ulrich Schlie. Verlag Herder GmbH, abgerufen am 14. Januar 2020.