Reichsführerschule
„Reichsführerschulen“ (RFS), anfänglich nur als „Führerschulen“ bezeichnet, waren Kaderschmieden des nationalsozialistischen deutschen Staates der Jahre 1933 bis 1945.
Die NSDAP errichtete spezielle „Reichsführerschulen“ als Ausbildungsstätten für die „politischen Leiter“ der „NS-Kampfverbände“: SA, SS und der HJ; jeder dieser Kader musste eine dieser „Reichsführerschulen“ erfolgreich durchlaufen haben.
Reichsführerschulen der NSDAP
Anfangs als „Führerschulen“ bezeichnet, wurden diese Schulungs- und Fortbildungsstätten für Kader des NS-Staates später in „Reichsführerschulen“ umgewandelt und in vier Kategorien eingeteilt:
- Reichsführerschule der NSDAP München, Neu Grünwald.[1][2]
- Reichsführerschule (der NSDAP und der DAF 1933–1936, des SD 1936–1945)[3] Bernau bei Berlin, Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes
- Landesführerschulen „Paulinum“ in Hirschberg, Lobeda (Thüringen), Königswinter (Rheinland), Saßnitz (Rügen) und Plassenburg (Kulmbach)
- Gauführerschulen, die in fast allen politischen Gauen der NSDAP bestanden
- Sonderschulen wie beispielsweise die „Landesschule der Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation“
Die Schulungen auf den Reichsführerschulen fanden meist in vierwöchigen Kursen statt, an denen jeweils ca. 50 bis 80 Personen teilnahmen. Der Teilnehmerkreis bestand aus besonders ausgewählten Vertretern einzelner Dienstgradgruppen. Die Lehrgänge sollten demnach nicht nur die Qualität der SA-Führung steigern, sondern auch deren politische Loyalität festigen. Den erfolgreichen Absolventen und Absolventinnen wurde im Anschluss an den Schulbesuch die Tyr-Rune verliehen.
Am 7. Mai 1933 wurde Otto Gohdes Reichsschulungsleiter der NSDAP und der DAF in Berlin. Es gab zwei Reichsgeschäftsstellen: in München im Hotel Reichsadler, Herzog-Wilhelm-Str. 22; in Berlin am Leipziger Platz 14.
1945 wurden die Reichsführerschulen als Teil der NSDAP verboten und aufgelöst.
Reichsführerschule der SA
Die erste Reichsführerschule wurde am 15. Juni 1931 in München eröffnet.[4] Sie sollte eine systematische Ausbildung der SA-Führung gewährleisten. Die vom damaligen SA-Gruppenführer und späteren Obergruppenführer Kurt Kühme geleitete Institution legte den Schwerpunkt auf die weltanschauliche Schulung der Kursteilnehmer, die meistens vier Wochen auf Kosten der Reichsleitung hier verbrachten. Als Lehrkräfte fungierten dabei oft prominente NSDAP-Mitglieder. Im Unterricht wurden organisatorische, praktische und rechtliche Fragen erläutert sowie Vorträge gehalten. Diese Vorträge hielten SA Führer aus der OSAF, u. a. Adolf Hühnlein, aber auch Alexander Freiherr von Humboldt-Dachroeden sowie der damalige Reichszeugmeister Büchner.[5] Dazu gab es ein sportliches Begleitprogramm sowie Fahrten bis nach Italien. Kühmes Stellvertreter war zeitweise der SS-Offizier Theo Berkelmann, zeitweise ausgestattet mit dem Dienstrang eines SA-Standartenführers. Er wurde danach Himmlers Adjutant.
An den sieben Lehrgängen 1931 nahmen insgesamt 468 SA-Führer teil.[6] Seitens der SA waren Kursteilnehmer aus allen Dienstgraden vor Ort: Richard Fiedler, Hermann Ritter von Schöpf, Peter Kock, Karl Lorch, Siegfried von Kuenheim, Arved Theuermann, aber auch mit Georg Widmayr ein Sturmbann-Adjutant aus Berlin. Bereits bei den ersten Lehrgängen waren vereinzelt SA-Führer aus Wien und Klagenfurt anwesend.
Das Gebäude der SA-Reichsführerschule befand sich in der Briennerstraße 44 in München. Die Schule wurde aufgrund der Notverordnung vom 13. April 1932 am 15. April 1932 von der Stadtpolizei München geschlossen, nachdem sie am Tag zuvor durchsucht worden war. Nach Wiederzulassung der SA nahm sie wieder ihren Lehrbetrieb auf. Sämtliche hohe SA-Führer waren zu Beginn Teilnehmer an Kursen der Schule.[7][8] Der Leiter der Mecklenburger SA, der Gutsbesitzer Andreas von Flotow, war 1931 in einem Kurs, fiel in Ungnade und wurde Sommer 1933 von der SA ermordet.
Der Leiter der Reichsführerschule der SA mit gleichzeitiger Zuständigkeit für die SS hatte eine gewichtige Position in der Obersten SA-Führung.[9] Vertreter der Schule hielten auch außerhalb der Einrichtung bei größeren Veranstaltungen Vorträge.[10] Weitere Leiter der SA-Reichsführerschule waren Heinrich Bennecke, Max Luyken und Otto Ivers. Kurt Hintze war Abteilungsleiter an der Lehreinrichtung und ging später zur SS. Leiter des Rassenhygieneamtes der SA-Reichsführerschule wurde der SS-Führer Karl Astel. Bekanntere Lehrgangsteilnehmer der SS waren u. a. Franz Breithaupt und Karl Wolff, beide teils langjährige Adjutanten von Himmler.
Andere Reichsführerschulen
In den mittleren und späten 1930er Jahren wurden weitere Reichsführerschulen gegründet, die sich ausschließlich um die Ausbildung ihres eigenen Nachwuchses oder die sich speziell um eine besondere Ausbildung kümmerten:
- SS-Führersportschule Mihla an der Werra
- RAD-Führerschule Spandau
- (Reichs-)Akademie für Jugendführung der Hitlerjugend
- Reichsjugendführerschule der HJ Potsdam
- Reichsjugendführerinnenschulen des Bundes Deutscher Mädel (BDM) in Potsdam[11]
- Reichsführerschule der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt Falkensee
- Reichsführerschule des Deutschen Roten Kreuzes in Groß Schulzendorf
- Reichsführerinnenschule 3 des BDM in Boyden, Ostpreußen
- Führerschule des Berliner-Institutes für Leibesübungen (1935–1945)
- Reichs-Reiterführer-Schule in Berlin-Zehlendorf (1936–1938)[12]
- Reichsführerschule des NSKK in Döberitz-Elsgrund
Siehe auch
Literatur
- Christian Zentner und Friedemann Bedürftig (Hrsg.): Das große Lexikon des Dritten Reiches, Teil der Anne-Frank-Shoah-Bibliothek, Südwest-Verlag, München 1985, S. 476. ISBN 3-517-00834-6.
Zeitgenössische Literatur
- F. A. Brockhaus: Der Neue Brockhaus. Allbuch in vier Bänden und einem Atlas, Zweiter Band F–K, Leipzig 1938, S. 135.
- Philipp Bouhler, Gottfried Feder, Wilhelm Kube, Ernst Röhm u. a.: Nationalsozialistisches Jahrbuch 1934. Jg. 8, Frz. Eher Nachf. GmbH, München 1933/34, S. 157 ff. Übersicht der Obersten SA-Führung (OSAF) 1933/34 (RF Reichsführerschule). (propagandistisch geprägte Schrift).
Weblinks
Einzelnachweise
- ..... Sportschule der Führer. Auf dem Sportplatz der Reichsführerschule der NSDAP in Neu Grünwald bei München. 29. August 1931., in: IB, Folge 35, 6. Jahrgang, Zentralverlag, München, Samstag 29. August 1931, S. 742.
- Wasmuths Monatshefte für Baukunst, (W.M.B.) Band/ Jg. 18, Ernst Wasmuth AG, Berlin 1933, S. 265 ff. DNB 012896543 – Katalogeintrag der Deutschen Nationalbibliothek
- Sebastian Lehmann: Schulungsort für den Massenmord, vormals in: www.bpb.de. Vgl. u. a. Kreisleiter der NSDAP in Schleswig-Holstein. Lebensläufe und Herrschaftspraxis einer regionalen Machtelite. in: IZRG-Schriftenreihe, Band 13, Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2007. ISBN 3-89534-653-5.
- Zeittafel. Fortsetzung., in: Geschichte der SA. Sonderdruck 4 Der Zeitschrift DIE SA., Zentralverlag, München Juni 1941.
- Sebastian Lehmann:" ... mit Stiehr von 21.00 bis 3.00 morgens Plakate geklebt". Das Werden eines "Straßenterroristen" im Spiegel der retrospektiven Tagebuchaufzeichnungen von Otto Gubitz, Bad Segeberg, in: Jahrbuch "Demokratische Geschichte", Band 20, Hrsg. Beirat für Geschichte in der Gesellschaft für Politik und Bildung Schleswig-Holsteins e.V., Schleswig-Holsteinischer Geschichtsverlag, Malente 2010, S. 184 ff. PDF. ISSN 0932-1632
- Mathias Rösch: Die Münchner NSDAP 1925–1933. Eine Untersuchung zur inneren Struktur der NSDAP in der Weimarer Republik, in: Studien zur Zeitgeschichte, Band 63, Oldenbourg, München 2002, S. 245. ISBN 3-486-56670-9. Neuauflage Online-Ressource, De Gruyter Oldenbourg, München 2014. ISBN 978-3-486-56670-3.
- Bundesarchiv, SA Reichsführerschule München-Lehrgangsberichte, in: BArch NS 26/312, in: Deutsche Digitale Bibliothek.
- SA-Reichsführerschule München-Signatur-Buch 1931–1934; u. a. Dritter Lehrgang der Reichsführerschule 9.-30.8.31.
- Die S.A. (Sturmabteilung) der N.S.D.A.P., Hrsg. Reichsleitung NSDAP, in: Nationalsozialistisches Jahrbuch 1933, Auflage 7, Frz. Eher Nachf. GmbH. Druck Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, München 1933, S. 155 ff.
- Die Reichswettkämpfe der SA. Das Programm der Veranstaltungen im Olympia-Stadion Berlin vom 13. bis 15. August 1937., in: NSK-Nachrichten, NSK-Folge 168, Blatt a, Druck M. Müller & Sohn KG, Berlin, Heft 23. Juli 1937.
- Potsdam. Am 27. April 1934 wird in Potsdam eine Reichsjugendführerinnenschule feierlich eingeweiht., in: Brandenburg`33 Erinnern vor Ort, Hrsg. Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus, Potsdam.
- Matthias Donath: Architektur in Berlin 1933-1945. Ein Stadtführer. 2. Auflage, Lukas Verlag, Berlin 2007, S. 157. ISBN 3-936872-26-0.