Ruth Drexel

Ruth Drexel (* 12. Juli 1930 in Vilshofen an der Donau, Niederbayern; † 26. Februar 2009 in München)[1] war eine deutsche Schauspielerin und Regisseurin. Besondere Beliebtheit erlangte sie als bayerische Volksschauspielerin und Charakterdarstellerin.

Ruth Drexel im November 2001

Ausbildung und Theater

Ruth Drexels Vater starb 1943 bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg.[2] Eine höhere Ausbildung war für sie als älteste Tochter nicht vorgesehen.[3] Sie wuchs in Trostberg an der Alz auf. Ausgebildet an der Otto-Falckenberg-Schule in München, erhielt sie ein erstes Engagement an den Münchner Kammerspielen. Ruth Drexel spielte 1955 in Bertolt Brechts Stück Der gute Mensch von Sezuan in München, wo Brecht bei den Proben anwesend war. Drexel gehörte 1956/57 dem von Brecht gegründeten Berliner Ensemble an. In den folgenden zwei Jahren spielte sie unter anderem die Yvette in Mutter Courage und Madame Dullfeet in der Uraufführung von Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui.[4] Für ihre Rolle in Franz Xaver Kroetz’ Stück Heimarbeit 1971 an den Münchner Kammerspielen wurde Drexel von der Presse als „Skandalhexe“ bezeichnet.[5] Kroetz gab diese Bezeichnung später in einem Interview ungenau als „Ruth Drexel, Pornohexel“ wieder.[6]

Weitere Stationen waren die Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin, die Wuppertaler Bühnen, das Staatstheater Stuttgart, das Staatstheater Darmstadt, das Düsseldorfer Schauspielhaus und ab 1976 das Bayerische Staatsschauspiel. Als erste Frau inszenierte Drexel dort 1981 als Regisseurin Nestroys Stück Der Talisman.[7] Herausragende Rollen waren Brechts Mutter Courage 1982 und später Frau Eichmann in Heinar Kipphardts Bruder Eichmann am Münchener Residenztheater.[8] Weitere Rollen und Dieter Giesings Regie waren die Balbina in Marieluise Fleißers Volksstück Der starke Stamm und die Valerie in Horvaths Geschichten aus dem Wiener Wald.[4] 2003 trat sie an der Städtischen Bühne Heidelberg auf. 2005 verließ sie das Münchner Theater. Sie verstand sich als kritische Volksschauspielerin, immun sowohl gegen Manierismen als auch gegen intellektuelle Überheblichkeit. Sie arbeitete mit Theatermachern wie Peter Stein und Rainer Werner Fassbinder zusammen.

Film und Fernsehen

1949 trat Ruth Drexel erstmals im Film auf (Heimliches Rendezvous). 1954 spielte sie die Titelrolle in der Fernsehverfilmung Magdalena von Ludwig Thoma. Gleichfalls die Titelrolle spielte sie 1972 im Fernsehfilm Adele Spitzeder unter der Regie von Peer Raben. 1974 hatte sie in der Vorabendserie Münchner Geschichten von Helmut Dietl die Rolle der Wirtin „Ruth Hillermeier“, Mutter von „Susi“, der Freundin der zentralen Figur „Karl ‚Tscharlie‘ Häusler“ (Günther Maria Halmer). 1983 war sie als „Lisi Schleibinger“, die Ex-Frau von Franz Münchinger (Helmut Fischer), in Monaco Franze zu sehen. 1986 spielte sie die „Weißwurst-Paula“ in Franz Xaver Bogners Serie Zur Freiheit. Im gleichen Jahr agierte sie als die Bürgermeisterin der Serie Irgendwie und Sowieso.

Seit 1995 wirkte Drexel als „Resi Berghammer“ in der Sat.1- und ORF-Serie Der Bulle von Tölz als Mutter des Kommissars „Benno Berghammer“ (Ottfried Fischer) mit. Zudem spielte sie seit 2004 als deutsche Miss Marple in Agathe kann’s nicht lassen die Hauptrolle. Für die ARD agierte sie an der Seite von Uschi Glas in der 2004 bis 2006 gedrehten Serie Zwei am großen See.

Intendanz

Neben ihrer schauspielerischen Tätigkeit war sie von 1988 bis 1998 am Münchner Volkstheater Intendantin und damit die erste Frau als Nachfolgerin des ersten Volkstheaterintendanten Jörg-Dieter Haas. 1991 inszenierte sie in München Horváths Italienische Nacht und kam unvermittelt auf den Golfkrieg zu sprechen, denn für sie ließ sich die Gegenwart nicht aus der Theaterarbeit ausgrenzen.[9] Von 1999 bis 2002 war sie wieder Intendantin und Geschäftsführerin des Münchner Volkstheaters, an dem sie mit ihrem bissig-kritischen Volkstheater bemerkenswerte Erfolge erzielte. Schon 1981 hatte sie am Bayerischen Staatsschauspiel als erste Frau eine Regiearbeit (Nestroys Talisman) vorgestellt. Sie war außerdem 1980 Mitbegründerin der Tiroler Volksschauspiele in Telfs und inszenierte dort ab 1981, von etwa 1998 bis Ende 2008 war sie auch deren Leiterin.

Privates

Von 1955 bis 1965 war Ruth Drexel mit Michael Adami verheiratet, den sie in ihrer Ausbildungszeit an der Otto-Falckenberg-Schule kennengelernt hatte. Dieser Ehe entstammte die 1956 geborene Tochter Katharina Adami, Wirtschaftsjournalistin beim BR Fernsehen. Von 1969 bis zu dessen Tod 1998 war sie mit dem Schauspieler Hans Brenner liiert, dieser Verbindung entstammt die Tochter Cilli Drexel, geboren 1975.

Mit dem Stück Späte Gegend verabschiedete sich Ruth Drexel im Dezember 2005 von der Bühne des Münchner Volkstheaters. 2007 musste sie wegen ihrer Krebserkrankung pausieren, an deren Folgen sie auch verstarb.[10] Zuletzt lebte sie in Feldkirchen bei München, wo sie am 2. März 2009 auch beigesetzt wurde.[11]

Zitate

„Egal, was sie spielt, die füllt jede Szene aus.“

Walter Bannert, Regisseur[12]

Ehrungen und Auszeichnungen

Ruth Drexel mit dem Bayerischen Poetentaler, 2001

2017 eröffnete im Prinz-Eugen-Park in München-Bogenhausen eine nach Drexel benannte Grundschule. Sie liegt in der ebenfalls nach Drexel benannten Straße.[13]

Filmografie

Theater

Hörspiele

Nachlass

Der schriftliche Nachlass von Ruth Drexel liegt im Literaturarchiv der Monacensia im Hildebrandhaus.[14][15]

Literatur

  • Christine Dössel: Die Mutter Courage des Volkstheaters. Niederbayerische Löwin, Prinzipalin, Arbeitstier: Zum Tod der Regisseurin und Schauspielerin Ruth Drexel. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 53 v. 5. März 2009, S. 13.
  • Ruth Fühner: Die Dame und das Krokodil. Ruth Drexel und das kritische deutsche Volkstheater. In: Ursula May (Hrsg.): Theaterfrauen. Frankfurt am Main 1998, S. 181–194.
  • Krista Hauser: Ruth Drexel. Eine Biographie. Innsbruck, Wien 2005.
  • Franz Höll (Hrsg.): Münchner Volkstheater: die Spielzeiten 1999–2002. Ruth Drexel, Intendanz; ein Blick zurück. München 2002.
  • Hermann J. Huber: Langen Müller’s Schauspielerlexikon der Gegenwart. Deutschland. Österreich. Schweiz. Albert Langen / Georg Müller Verlag GmbH, München/Wien 1986, ISBN 3-7844-2058-3, S. 197.
  • Siegfried Hummel: Ruth Drexel. Laudatio. In: Bezirk Oberbayern (Hrsg.): Oberbayerischer Kulturpreis 1994. München 1995, S. 6–13.
  • Sybille Krafft: Bayerische Volksschauspieler. 12 persönliche Porträts von Sybille Krafft. Allitera Verlag, München 2013, ISBN 978-3-86906-535-9.
  • Klaus F. Rödder: Die Gesichter der Jane Marple – Die wichtigsten Darstellerinnen der Miss Marple im Kino, TV und auf der Bühne. ISBN 978-3-00-056290-7.
  • Gerhard Stadelmaier: Die Nachbarin Kurasch. Zum Tod von Ruth Drexel. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. März 2009.
  • C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 145 f.
  • Gunna Wendt: Ruth Drexel, Eine Frau mit Eigensinn. LangenMüller Verlag, München 2014, ISBN 978-3-7844-3349-3.
  • Andrea Zückert: Eine Prinzipalin mit Courage. Ruth Drexel. In: Das Bayerland 1990/2, S. 46–48.

Einzelnachweise

  1. https://www.zauberspiegel-online.de/index.php/durchblick-hintergrnde-mainmenu-15/leinwand-aamp-mattscheibe-mainmenu-296/2745-ruth-drexel-ein-nachruf Ingo Löchel: Ruth Drexel – Ein Nachruf
  2. Donaukurier (Ingolstadt) vom 1. Juni 2011 (eingesehen am 1. Dezember 2019)
  3. Ruth Fühner: Die Dame und das Krokodil, Ruth Drexel und das kritische deutsche Volkstheater. In: Ursula May (Hrsg.): Theaterfrauen. Suhrkamp TB 2876, Frankfurt am Main 1998, S. 184.
  4. Rollen in Brechtdramen laut zauberspiegel-online, abgerufen am 1. September 2018.
  5. Krista Hauser: Ruth Drexel. Eine Biographie. Haymon 2005, S. 67.
  6. Thomas Bärnthaler, Gabriela Herpell: „Blut! Sperma! Tränen! Drunter tu ich’s nicht“. Interview mit Franz Xaver Kroetz, Süddeutsche Zeitung Magazin 25/2020, S. 16.
  7. Nachruf im Tagesspiegel vom 5. März 2009, abgerufen am 1. September 2018.
  8. Nachruf in der SZ, abgerufen am 1. September 2018.
  9. Ruth Fühner: Die Dame und das Krokodil. Ruth Drexel und das kritische deutsche Volkstheater. In: Ursula May (Hrsg.): Theaterfrauen. Suhrkamp TB 2876, Frankfurt am Main 1998, S. 184, 187.
  10. Ruth Drexels stiller Abschied, Nachruf bei kurier.at, 7. März 2009 (online nicht mehr verfügbar)
  11. Das Grab von Ruth Drexel, knerger.de.
  12. Der Bulle von Tölz hat keine Mama mehr Nachruf bei Oberpfalznetz.de vom 4. März 2009
  13. Ruth-Drexel-Grundschule startet mit Schülern der Knappertsbusch-Schule – Eine Schule ohne Schüler? Abgerufen am 20. Juni 2020.
  14. Nachlass von Ruth Drexel (Monacensia im Hildebrandhaus) | bavarikon. Abgerufen am 26. Februar 2024.
  15. Ruth Drexel. Abgerufen am 26. Februar 2024 (deutsch).
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