Ruja Ignatova
Ruja Ignatova (bulgarisch Ружа Пламенова Игнатова Ruscha Plamenowa Ignatowa; * 30. Mai 1980 in Russe, Bulgarien) ist eine deutsche verurteilte Betrügerin,[1] deren bulgarische Staatsbürgerschaft ihr aberkannt wurde.[2] Bekannt wurde sie vor allem durch den Aufbau (mit Sebastian Greenwood) der Firma OneCoin, ein als Kryptowährung getarntes illegales Schneeballsystem, das 2017 enttarnt wurde.
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Anfang 2019 wurde sie in den USA wegen Telekommunikationsbetrugs, Wertpapierbetrugs und Geldwäsche in Abwesenheit verurteilt. Ihr Aufenthaltsort ist unbekannt. Sie wird sowohl vom FBI als eine der zehn meistgesuchten Flüchtigen[3][4] mit internationalem Haftbefehl gesucht[5] als auch von Europol zu den meistgesuchten Flüchtigen Europas gezählt[6] (Stand Juli 2022).
Leben
Ruja Ignatova wurde im Mai 1980 als Kind von Plamen Ignatov und Veska Ignatova in eine bulgarische Roma-Familie hineingeboren.[7][8] Ignatovas Vater war Ingenieur, die Mutter Lehrerin.[4] Ihr Bruder ist Konstantin Ignatov. Als sie zehn Jahre alt war, wanderte die Familie nach Deutschland aus und ließ sich in Schramberg im Schwarzwald nieder.[5][8] Ruja war eine sehr gute Schülerin und übersprang in der Grundschule und im Gymnasium jeweils eine Klasse.[8] 1999 machte sie am Gymnasium in Schramberg ein sehr gutes Abitur.[9] Anschließend erhielt sie ein Studienstipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung und studierte Rechtswissenschaft an der Universität Konstanz.[8] 2005 wurde sie dort promoviert.[10][11] Sie heiratete während ihrer Zeit in Konstanz einen Kommilitonen.[4] Laut eigenem Lebenslauf erhielt sie zudem 2004 einen Abschluss in Rechtswissenschaften der Universität Oxford mit dem Titel „Magister Juris in European and Comparative Law“[12] sowie einen Master-Abschluss der Wirtschaftswissenschaften der Fern-Uni Hagen.[9] Laut eigener Angaben war sie Beraterin bei McKinsey & Company und Leiterin eines bulgarischen Vermögensfonds.[9] Mit zunehmendem Erfolg von OneCoin pflegte sie einen luxuriösen Lebensstil, investierte in bulgarische Luxusimmobilien, zum Beispiel im Schwarzmeerort Sosopol[5], und veranstaltete Partys auf ihrer Luxusyacht „Davina“, bei denen Künstler wie Bebe Rexha und Tom Jones auftraten.[5][9] Bei großen Werbeauftritten erschien sie in teuren Kleidern.[5][9] Selbst nannte sie sich „Cryptoqueen“.[5]
Ihre Tochter wurde 2016 geboren.[5] Ihr früherer Ehemann ist Rechtsanwalt.[5] 2022 wurde bekannt, dass ihr die bulgarische Staatsbürgerschaft aberkannt wurde.[2][13] Ruja Ignatova spricht fließend Deutsch, Englisch, Russisch und Bulgarisch.[4]
Kriminelle Aktivitäten
Gusswerk Waltenhofen (2010–2012)
Im Jahr 2010 kauften Ruja Ignatova und ihr Vater Plamen Ignatov ein Gusswerk in Waltenhofen im Allgäu (bei Kempten), welches zuvor Insolvenz angemeldet hatte.[9] Bereits bevor sie die Firma 2012 an Rudolf Keller weiterverkauft hatten, meldete dieser bereits vier Tage später erneut Insolvenz an, wodurch 160 Arbeitsplätze verloren gingen.[9][14] Es wurde bekannt, dass Ruja Ignatova und ihr Vater schon vor dem Verkauf Produktionsanlagen entwendet hatten (der Abtransport einer Alugussanlage nach Bulgarien konnte im letzten Moment verhindert werden).[15] Im Oktober 2016 verurteilte das Amtsgericht Augsburg Ruja Ignatova wegen Insolvenzverschleppung, Betrugs und Verletzung der Buchhaltungspflicht zu einer Bewährungsstrafe von 14 Monaten.[5][9]
BigCoin (2013)
Im Jahr 2013 war sie an einem Multi-Level-Marketing-Betrug namens „BigCoin“ beteiligt.[16]
OneCoin (2013–2017)
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Ruja Ignatova gründete zusammen mit Sebastian Greenwood die Kryptowährung OneCoin und die zugehörige Firma OneCoin Ltd mit Sitz in Dubai, deren Geschäftsmodell auf einem Schneeballsystem aufbaute.[5] Die Firma sammelte weltweit Investoren, so z. B. aus China, Deutschland, dem Vereinigten Königreich, den USA, Hongkong, Indien und Uganda.[5]
Ihr Verschwinden wurde bemerkt, als sie zu einem Investorentreffen im Oktober 2017 in Lissabon nicht erschien.[5] Zuletzt gesehen wurde sie, als sie am 25. Oktober 2017 von Sofia nach Athen flog.[5] Seitdem gilt sie als unauffindbar. Bis zu seiner Verhaftung am 6. März 2019 in Los Angeles übernahm ihr Bruder Konstantin Ignatov die Geschäftsführung von OneCoin.[5][9] Gegen Ruja Ignatova und OneCoin wird weltweit von mindestens 20 Strafverfolgungsbehörden ermittelt,[8] mehr als 4 Milliarden Dollar sollen Anleger verloren haben.[17]
Als Folge der Betrugsvorwürfe und Ermittlungen durch die zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wurde 2017 ein Verbot von OneCoin, eine Beschlagnahmung der deutschen Bankkonten sowie eine Rückabwicklung aller Geschäfte verfügt.[18] Parallele Ermittlungen des FBI führten zu einer Anklage vor einem New Yorker Gericht, welches sie in Abwesenheit wegen Postbetruges, Wertpapierbetruges und Geldwäsche verurteilte.[5] Da sie sich seit 2017 der Öffentlichkeit und damit auch ihrer Verhaftung entzieht, wird sie seit 2022 auf der Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher des FBI geführt.[19] Mitgründer Sebastian Greenwood wurde 2023 in den Vereinigten Staaten u. a. wegen Betrugs zu einer Gefängnisstrafe von 20 Jahren verurteilt.[20]
Verfilmungen
Ende 2020 wurde eine Verfilmung der Geschichte um OneCoin unter dem Namen Fake! mit Kate Winslet in der Hauptrolle angekündigt.[21][22]
Die Sender Sky Deutschland und Channel 4 produzieren mit Tondowski Films, DARE Pictures sowie der Produktionsfirma Fremantle die Dokumentarserie Crypto Queen in drei Teilen.[23]
Unter dem Titel Die Kryptoqueen – Der große OneCoin-Betrug entstand 2022 eine 90-minütige Investigativ-Doku als Koproduktion von a&o Filmproduktion Köln mit WDR in Zusammenarbeit mit ARTE.[24][25] Deren Regisseur Johan von Mirbach drehte parallel eine klassische True-Crime-Serie aus vier kürzeren Folgen, die sich mit der Person Ruja Ignatova beschäftigt.[26] Unter dem Titel Die Kryptoqueen – die Serie wurde sie ab dem 5. November 2022 in der ARD Mediathek gesendet.[27]
Weblinks
- Ruja Ignatova beantwortet Fragen zu OneCoin. Historisches Werbevideo auf YouTube (deutsch, ca. 2016 aufgenommen)
- The Missing Cryptoqueen. Mehrteilige Audioserie, BBC (englisch, seit 2019)
- Die meistgesuchte Betrügerin der Welt. Video-Essay, YouTube-Kanal Simplicissimus (Funk) 2022
- Fahndungsaufruf zu Ruja Ignatova auf der Website des Bundeskriminalamts, 11. Mai 2022.
- Ruja Ignatova auf der FBI-Ten-Most-Wanted-Fugitives-Liste
- Video: Die Kryptoqueen – Der große OneCoin-Betrug | Dokumentarfilm. Dokus im Ersten, 28. November 2022, abrufbar bis 28. November 2023 (89 Min.).
Einzelnachweise
- Der Milliardenbetrug. 25. September 2020, abgerufen am 25. Juni 2021.
- Max Daly: OneCoin's Missing 'Crypto Queen' Is Now One of Europe's Most-Wanted Fugitives In: VICE, 12. Mai 2022
- FBI: Most wanted: RUJA IGNATOVA. Abgerufen am 1. Juli 2022.
- Faith Karimi: This ‘Cryptoqueen’ scammed investors out of $4 billion, the FBI says. Then she boarded a plane and disappeared, CNN vom 22. Januar 2023.
- BBC: Cryptoqueen: How this woman scammed the world, then vanished. Abgerufen am 8. Mai 2021.
- ENFAST / Europol: IGNATOVA, Ruja. In: Europe's most-wanted fugitives. Abgerufen am 11. Mai 2022.
- Jeffrey Gogo: OneCoin Scam 'Cryptoqueen' Ruja Ignatova May Now Be a Man. In: BeInCrypto. 18. November 2022, abgerufen am 1. Dezember 2022 (amerikanisches Englisch).
- Martin Himmelheber: Die „Cryptoqueen“ aus Schramberg. In: NRWZ.de. 22. Mai 2020, abgerufen am 8. Mai 2021 (deutsch).
- Holger Sabinsky-Wolf: Der Krimi um die Krypto-Queen führt ins Allgäu und in den Schwarzwald. Südkurier, 23. Dezember 2019, abgerufen am 8. Mai 2021.
- Universität Konstanz: Abgeschlossene Promotionen | Promotionen | Forschung | Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung – Prof. Dr. Astrid Stadler | Fachbereich Rechtswissenschaft. Abgerufen am 8. Mai 2021.
- Ruja Ignatova: Art. 5 Nr. 1 EuGVO – Chancen und Perspektiven der Reform des Gerichtsstands am Erfüllungsort: Dissertationsschrift (Europäische Hochschulschriften Recht, Band 4227). 1. Auflage. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien 2005, ISBN 3-631-54288-7.
- Ruja Ignatova: Biographische Angaben. Peter Lang Verlag, 2005, abgerufen am 30. Juni 2022.
- Продължава издирването на 41-годишна германска гражданка, родена у нас. (Memento vom 19. April 2022 im Internet Archive) In: MOI Press Office, 18. April 2022 (bulgarisch).
- Martin Dold, Michael Oehler: Schramberg: Ruja Ignatova: Wer steckt hinter Krypto-Queen? In: Schwarzwälder Bote. 10. Juli 2019, abgerufen am 1. Dezember 2022.
- Kreisbote: "So etwas Dubioses nie erlebt". 20. Januar 2012, abgerufen am 9. Mai 2021.
- BigCoin & BNA: The original OneCoin Ponzi points.
- Philip Plickert: Kriminalfall: Milliarden-Betrug mit falscher Kryptowährung. Abgerufen am 8. Mai 2021.
- Onecoin Ltd (Dubai), OneLife Network Ltd (Belize) und One Network Services Ltd (Sofia/Bulgarien): Untersagung von Geschäften mit „OneCoins“ in Deutschland. BaFin, abgerufen am 8. Mai 2021.
- FBI setzt »Krypto-Queen« Ruja Ignatova auf Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher. In: Der Spiegel. 1. Juli 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 1. Juli 2022]).
- Daniel AJ Sokolov: 20 Jahre Haft für Onecoin-Gründer Greenwood. In: Heise.de, 14. September 2023.
- Oscar-winner Kate Winslet to star in ‘Fake!’ — a movie about crypto Ponzi scheme OneCoin. Abgerufen am 7. September 2021 (amerikanisches Englisch).
- Martin Dold: Schramberger Krypto-Queen – Kate Winslet spielt in Hollywood-Film „Fake!“ die Hauptrolle. In: Schwarzwälder Bote. 24. Oktober 2020, abgerufen am 11. Mai 2022.
- "Crypto Queen". In: Sky.de. Sky Deutschland Fernsehen GmbH & Co. KG, 29. Juni 2022, abgerufen am 3. November 2022.
- Video: Die Kryptoqueen – Der große OneCoin-Betrug | Dokumentarfilm. Dokus im Ersten, 28. November 2022, abrufbar bis 28. November 2023 (89 Min.).
- Die Kryptoqueen. Der grosse Onecoin Betrug. In: Arte TV. Arte, November 2022, abgerufen am 3. November 2022.
- Martin Himmelheber: Eine Art Todesengel. In: Kontext:Wochenzeitung. Kontext:Vereinfür ganzheitlichen Journalismus e. V., 2. November 2022, abgerufen am 3. November 2022.
- Vierteilige WDR/ ARD-Doku-Serie „Die Kryptoqueen“ ab 5. November exklusiv in der ARD Mediathek. In: WDR.de. Westdeutscher Rundfunk, 24. Oktober 2022, abgerufen am 3. November 2022.