Route Coloniale

Route Coloniale (kurz RC, deutsch Kolonialstraße) war die Bezeichnung der Fernstraßen in Französisch-Indochina. Es handelte sich dabei um Straßen, für deren Planung, Bau und Unterhalt nicht die einzelnen Landesteile, sondern die übergeordnete Verwaltung (Amt des Generalgouverneurs) zuständig war und deren Kosten somit aus dem Gesamthaushalt Indochinas beglichen wurden.[1]

Außerhalb Indochinas gab es Routes Coloniales im französischen Kolonialreich auch noch in Guadeloupe, Guyana, Martinique, Neukaledonien und Polynesien – allerdings deutlich kürzer und weniger bedeutend.[2]

Straßenbau in Indochina

In Französisch-Indochina begann der Bau überregionaler Straßen erst zur Zeit des Ersten Weltkrieges. Zuvor sahen die Planungen der Kolonialbehörden vor, den gesamten Fernverkehr über Eisenbahn und Schifffahrt abzuwickeln. Im Jahr 1913 wurden erstmals Gelder für den Straßenbau bewilligt. Ab 1918 wurde die Entwicklung des Fernstraßennetzes schnell vorangetrieben, nachdem die Erfahrungen des Weltkrieges und der technische Fortschritt zu einem Umdenken der Kolonialverwaltung geführt hatte. Diese Neuausrichtung des kolonialen Verkehrskonzepts ging zulasten der Eisenbahn, deren Netz von nun an nur noch schleppend erweitert wurde, sowie der lokalen Schifffahrtsunternehmer.

Französische Soldaten während des Indochinakrieges auf der Straße von Saigon nach Dalat, vermutlich die Route Coloniale 20.

Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges zählte das Straßennetz in Indochina zu den besten in Ost- und Südostasien. Verglichen mit Westeuropa war allerdings der Ausbauzustand insgesamt schlecht. Viele ambitionierte Verbindungen waren nie realisiert worden; insbesondere gab es keine einzige ausgebaute Straßenverbindung in Nordlaos und Nordwestvietnam. Auch die Qualität der bestehenden Routen war häufig äußerst dürftig, und während der Regenzeit waren auch viele eigentlich ausgebaute Straßen kaum befahrbar. Im Jahr 1939 besaß Indochina etwa 36.000 Kilometer Straße, davon waren 9000 Kilometer als Routes coloniales klassifizierte Fernstraßen. Die übrigen Straßen unterstanden hingegen als Routes locales den Behörden der einzelnen Landesteile (Annam, Cochinchina, Tonkin, Kambodscha, Laos), wobei sich der Großteil der gebauten Straßenkilometer auf die Ballungsräume Hanoi und Saigon konzentrierte.

Bei den gut ausgebauten Straßen handelte es sich um Routes empierrées, also Straßen mit Kiesbelag in Makadam-Bauweise (meist teergebundener Makadam). Ab den 1930er-Jahren kamen um die Ballungsräume auch Asphaltstraßen auf. Im Jahr 1939 lag der Anteil befestigter Fernstraßen (Makadam und Asphalt) bereits bei über 50 %. Die befestigten Straßen hatten eine Breite von 5 bis 6 Meter im Flachland und 4 bis 4,5 Meter im Bergland. Brücken waren 2,5 bis 3 Meter breit und besaßen nur eine Fahrspur. Als Steinmaterial für den Straßenuntergrund wurde hauptsächlich das genutzt, was vor Ort verfügbar war, also Kalkstein im zentralen und südlichen Tonkin (Großraum Hanoi) und Laterit in Cochinchina (Saigon). Da allerdings beide Gesteinsarten relativ weich und wenig witterungsbeständig waren, wurden zumindest die Hauptverkehrsadern der Städte mit importiertem Gestein wie Granit und Quarzit verstärkt. Teilweise wurden Straßen im ländlichen Cochinchina aufgrund von Materialmangel auch ganz ohne Unterbau erbaut, das heißt der Teer-Makadam-Fahrbahnbelag wurde ohne Steinfundament verlegt.

Die schlechter ausgebauten Straßen wurde in drei Kategorien eingeteilt: Routes terrassées („Terrassierte Straßen“) waren dammähnlich aufgeschüttete Straßen ohne versiegelten Fahrbahnbelag und hauptsächlich im Bergland und in Sümpfen zu finden. Routes non cylindrées waren primitive Straßen bedeckt mit grober, nicht zerkleinerter Gesteinskörnung. Schließlich gab es auch noch völlig unbefestigte saisonale Pfade, die lediglich während der absoluten Trockenzeit befahren werden konnten. Brücken solcher Straßen waren üblicherweise nur einfachste Konstruktionen aus Holz und Bambus.[3]

Die bekannteste Route Coloniale war zweifellos die aus militärstrategischen Erwägungen entlang der chinesischen Grenze errichtete Route Coloniale 4. Obwohl sie niemals ganz fertiggestellt wurde, war sie während des Indochinakrieges heftig umkämpft. Der Sieg der Việt Minh in der Schlacht an der Route Coloniale 4 im Herbst 1950 gilt als Wendepunkt des Krieges, da von nun an die Franzosen in die Defensive gerieten.

Nach der Unabhängigkeit von Vietnam, Kambodscha und Laos wurden aus den Kolonialstraßen die Nationalstraßen der drei Länder. Während in Vietnam und Laos die französische Nummerierung größtenteils bis heute übernommen wurde, wurden die Fernstraßen in Kambodscha neu durchnummeriert.

Liste der Routes Coloniales

Nummer Verlauf (geplant) heutige Nationalstraßen
RC 1
(Route Mandarine[4])
PoipetSisophonBattambangPhnom PenhSaïgonPhan ThiếtPhan RangQuy NhơnQuảng NgãiTouraneHuếĐông HàVinhThanh HóaHanoïBắc NinhLạng SơnKambodscha 5, 1, Vietnam 22, 1
RC 1BisSisophon – Siem Reap – Phnom PenhKambodscha 6
RC 2Hanoï – Tuyên QuangHà GiangVietnam 2
RC 3Hanoï – Thái NguyênCao BằngVietnam 3
RC 4Móng Cái – Lạng Sơn – Cao Bằng (– Hà Giang) – Lào CaiSa Pa (Lai ChâuĐiện Biên PhủLuang Prabang)Vietnam 4A, 4B, 4C, 4D, 4E, 34
RC 5Hanoï – Hải DươngHải PhòngVietnam 5
RC 6Hanoï – Hòa BìnhSam Neua (– Luang Prabang)Vietnam 6, Laos 6
RC 7
(Route de la Reine Astrid[5])
Vinh – Phonsavan – Luang PrabangVietnam 7, Laos 7
RC 8Vinh – Vieng KhamThakhekVietnam 8, Laos 8
RC 9Đông Hà – SavannakhetVietnam 9, Laos 9
RC 10PakséChong MekLaos 16W
RC 11Phan Rang – DalatVietnam 27
RC 12Phan Thiết – DalatVietnam 28
RC 13
(Route René Robin[6])
Saïgon – Chơn ThànhKratieStung Treng – Paksé – Savannakhet – Thakhek – Vientiane – Luang PrabangVietnam 13, Kambodscha 7, Laos 13
RC 14Chơn Thành – Đồng XoàiGia NghĩaBuôn Ma ThuộtPleikuKon Tum – TouraneVietnam 14
RC 15Biên HòaBà RịaCap Saint-JacquesVietnam 15, 51
RC 16Saïgon – Mỹ ThoVĩnh LongCần ThơBạc LiêuVietnam 1
RC 17Phnom Penh – KampotKepHà TiênKambodscha 3
RC 18Bắc Ninh – Hạ Long – Móng CáiVietnam 18
RC 19[7]Quy Nhơn – An Khê – PleikuVietnam 19
RC 20[8]Saïgon – Bảo Lộc – DalatVietnam 20
RC 21[9]Sơn TâyNam ĐịnhVietnam 21
RC 22[10]Saïgon – Tây NinhKampong ChamVietnam 22B, Kambodscha 7
RC 23[11]Muang PhinSaravanLaos 23

Fußnoten

  1. Stéphanie Ponsavady: Cultural and Literary Representations of the Automobile in French Indochina: A Colonial Roadshow, Palgrave Macmillan/Springer, 2018, S. 206
  2. WikiSara: Liste des routes coloniales françaises (abgerufen im Februar 2019)
  3. Naval Intelligence Division: Indo-China, Geographical Handbook Series, B.R. 510, HMSO, Cambridge 1943, S. 409/410
  4. Route Mandarine bezeichnet den Abschnitt von Hanoi bis Saigon, der von den vietnamesischen Kaisern bereits vor der französischen Eroberung gebaut worden war. Vgl. etwa Naval Intelligence Division: Indo-China, Geographical Handbook Series, B.R. 510, HMSO, Cambridge 1943, S. 412
  5. Die Route de la Reine Astrid wurde benannt nach Königin Astrid von Belgien, die gemeinsam mit ihrem Mann Leopold III. Indochina während der Bauarbeiten besuchte und wenig später tödlich verunglückte. Vgl. Karl Gustav Izikowitz: Over the Misty Mountain: A Journey from Tonkin to the Lamet in Laos, White Lotus, Bangkok 2004, S. 6
  6. Naval Intelligence Division: Indo-China, Geographical Handbook Series, B.R. 510, HMSO, Cambridge 1943, S. 416
  7. Bernard B. Fall: Street Without Joy, Stackpole Books, Harrisburg 1994, S. 199. Siehe auch: Schlacht am Mang-Yang-Pass.
  8. Gerald Cannon Hickey: Shattered world: adaptation and survival among Vietnam's highland peoples during the Vietnam War, University of Pennsylvania Press, 1993, S. 51
  9. David G. Marr: Creating Defense Capacity in Vietnam, 1945–1947. In: Mark Atwood Lawrence, Fredrik Logevall: The First Vietnam War: Colonial Conflict and Cold War Crisis, Harvard University Press, 2007, S. 81/82
  10. René Morizon: Monographie du Cambodge, Imprimerie d'Extrême-Orient, 1931, S. 236, 245.
  11. Pierre Gentil: Sursauts de l'Asie: Remous du Mékong, 1950 („Nous voyons le pont de la route coloniale 23, joignant Muong-Phin à Saravan.“)
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