Roter August

Der Rote August (chinesisch 紅八月 / 红八月) wird als Begriff verwendet, um auf eine Reihe von blutigen Massakern in Peking hinzuweisen, die auf Anordnung der chinesischen Regierung hauptsächlich im August 1966 während der Zeit der Kulturrevolution stattfanden.[1][2][3][4][5] Laut der offiziellen Statistik von 1980 wurden von August bis September 1966 in Peking insgesamt 1772 Menschen – darunter Lehrer und Schulleiter vieler Schulen – von den Roten Garden getötet.[1][6][7][8][9] Laut offizieller Statistik aus dem Jahr 1985 betrug die Zahl der Todesopfer während des Roten Augusts über 10.000.[8][10][11] Die Bewegung der Zerstörung der „Vier Alten“ begann auch im Roten August.[1][6][12][13] Der Rote August von Peking gilt als Ursprung des Roten Terrors in der chinesischen Kulturrevolution.[1][14][15][16]

Am 18. August 1966 traf sich Mao Zedong zum ersten Mal mit Roten Garden auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Dieses Treffen löste ein Massaker in Peking aus.

Geschichte

Historischer Hintergrund

Mao Zedong traf sich am 18. August 1966 auf dem Tiananmen-Platz mit der Anführerin der Roten Garde, Song Binbin

Der „Überragende Führer“ Mao Zedong rief im Mai 1966 die Kulturrevolution aus. Am 5. August wurde Bian Zhongyun (卞仲耘), die stellvertretende Direktorin der „Experimental-Hochschule der Normaluniversität Peking“, von den Roten Garden zu Tode geprügelt.[1][7][17][18][19] Sie war die erste Intellektuelle in Peking, die von den Roten Garden getötet wurde.[1][17]

Massaker

Am 18. August 1966 traf sich Mao Zedong mit Song Binbin (宋彬彬), einer Anführerin der Roten Garden, auf dem Tian’anmen-Platz in Peking.[1][9][17] Das Treffen stärkte die „Moral“ der Roten Garde erheblich und löste das massive Abschlachten in Peking aus.[1][12] Zur selben Zeit begannen die Roten Garden, die Vier Alten zu zerstören.[1][12]

Am 22. August 1966 genehmigte Mao ein Dokument des Ministeriums für öffentliche Sicherheit, in dem er anordnete, nicht einzugreifen oder die Bewegung revolutionärer Studenten zu unterdrücken.[5] Am folgenden Tag hielt Mao auf einer Arbeitskonferenz des Zentralkomitees der KPCh eine Rede, in der er öffentlich die Studentenbewegung unterstützte und jegliche Intervention in die „Kulturrevolution der Studenten“ ablehnte.[20][21]

Während der Massaker lehnte Mao Zedong öffentlich jede staatliche Intervention gegen die Studentenbewegung ab.[22] Xie Fuzhi, der Minister für öffentliche Sicherheit, befahl ebenfalls, die Roten Garden zu schützen und sie nicht zu verhaften.[18][23] Zum Beispiel begannen am 25. August 1966 Tausende von Roten Garden ein einwöchiges Massaker auf dem Ganlan-Markt (榄杆市) im Bezirk Chongwen.[12][18][24]

Bis Ende August 1966 war die Situation völlig außer Kontrolle geraten und zwang das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas und die chinesische Regierung zu mehreren Interventionen, die die Massaker allmählich beendeten.[18][25]

Anzahl der Todesfälle

Rote Garde auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking im September 1966

Laut offizieller Statistik von 1980 wurden von August bis September 1966 in Peking insgesamt 1772 Menschen von den Roten Garden getötet. Dazu gehörten Lehrer und Schulleiter vieler Schulen. Außerdem wurden 33.695 Häuser durchsucht und 85.196 Familien gezwungen, Peking zu verlassen.[1][6][7][8][9]

Forscher wiesen darauf hin, dass laut offizieller Statistik von 1985 die tatsächliche Zahl der Todesopfer während des Roten Augusts über 10.000 betrug. Außerdem wurden 92.000 Häuser durchsucht und 125.000 Familien gezwungen, die Stadt zu verlassen.[8][10][11]

Während des Roten Augusts gehörten zu den von den Roten Garden angewendeten Tötungsmethoden das Erschlagen, das Auspeitschen, das Erwürgen, das Tottrampeln, das Verbrühen, das Enthaupten und vieles mehr.[12][17] Säuglinge und Kinder wurden getötet, indem man sie gegen den Boden warf oder in zwei Hälften schnitt.[12][17][26][27] Lao She, ein bekannter chinesischer Schriftsteller, wurde im Roten August verfolgt und starb durch Suizid.[28][29]

Folgen und Einfluss

Die politische Propaganda der Roten Garde auf dem Campus der Fudan-Universität: „Verteidige das Zentrale Parteikomitee mit Blut und Leben! Verteidige den Vorsitzenden Mao mit Blut und Leben!“

Der Rote August von Peking gilt als Ursprung des Roten Terrors in der chinesischen Kulturrevolution.[1][14][15][16] Einige der Roten Garden der Beijing No.6 High School schrieben sogar mit dem Blut ihrer Opfer „Es lebe der rote Terror!“ an die Wand.[30]

Der Rote August stachelte die Bewegung der Roten Garden in mehreren Städten Chinas an, darunter Shanghai, Guangzhou, Nanjing und Xiamen, wo lokale politische Führer, Intellektuelle, Lehrer und Mitglieder der „Fünf schwarzen Kategorien (黑五类)“ von den Roten Garden verfolgt und sogar getötet wurden.[31][32]

Das Datum 18. August 1966, das den Schlüsselpunkt des Roten Augusts darstellte, wurde mit der Reichspogromnacht verglichen, die einen Auftakt zum Holocaust des NS-Staats bildete.[16][32][33][34][35][36] Darüber hinaus wurde der Rote August zusammen mit den anschließenden Massakern in ganz China während der Kulturrevolution mit dem Massaker von Nanking verglichen, das das japanische Militär während des Zweiten Chinesisch-Japanischen Kriegs durchgeführt hatte.[32][34][35][36]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Youqing Wang: Student Attacks Against Teachers: The Revolution of 1966. In: University of Chicago. 2001; (englisch).
  2. A Massacre in Daxing County During the Cultural Revolution. In: Chinese Law & Government. 14. Jahrgang, Nr. 3, 7. Dezember 2014, S. 70–71, doi:10.2753/CLG0009-4609140370 (englisch).
  3. Tom Phillips: The Cultural Revolution: all you need to know about China's political convulsion In: The Guardian, 11. Mai 2016. Abgerufen am 23. Dezember 2019 (englisch).
  4. Yifu Dong: My Grandfather Survived China's Cultural Revolution. Why Does He Still Love Mao? In: Foreign Policy. Abgerufen am 23. Dezember 2019 (englisch).
  5. Guo Jian, Yongyi Song, Yuan Zhou: Historical Dictionary of the Chinese Cultural Revolution. Scarecrow Press, 2006, ISBN 978-0-8108-6491-7 (englisch, google.com).
  6. Guo Jian, Yongyi Song, Yuan Zhou: Historical Dictionary of the Chinese Cultural Revolution. Rowman & Littlefield, 2015, ISBN 978-1-4422-5172-4 (englisch, google.com).
  7. Jiajun Wang: 怎样反思“红卫兵”. Phoenix Weekly (凤凰周刊), 5. September 2014, abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  8. Yongyi Song: 文革中“非正常死亡”了多少人?---- 读苏扬的《文革中中国农村的集体屠杀》. In: Boxun. Dong Xiang (动向), 2011, abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  9. Chinese Red Guards Apologize, Reopening A Dark Chapter. In: NPR.org. Abgerufen am 14. Februar 2020 (englisch).
  10. Xiaoming Peng: 记下老红卫兵的血债. In: Beijing Spring (北京之春). 2. März 2013, abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  11. Hongqiu Sai: 毛泽东大笑谈杀人. In: Boxun. 北京周末诗会, abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  12. Luowen Yu: 文革时期北京大兴县大屠杀调查. In: Chinese University of Hong Kong. Chinese University of Hong Kong, abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  13. Wang Youqin: 恐怖的“红八月”. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. Dezember 2019; abgerufen am 28. Juni 2020 (chinesisch).
  14. Jingming Xiong, Yongyi Song, Guoliang Yu: 中外學者談文革. The Chinese University Press, Hong Kong 2018, ISBN 978-988-17563-3-6 (chinesisch, google.com).
  15. 47周年回放:再忆文革“八.一八”和 “红八月”. In: Radio Free Asia. 15. August 2013, abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  16. Zhong Jin: 红八月,血迹未乾. In: Independent Chinese PEN Center. Abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  17. Youqin Wang: Victim of the Cultural Revolution -- An Investigative Account of Persecution, Imprisonment and Murder. University of Chicago; (chinesisch).
  18. 卞仲耘丈夫:宋彬彬没参与打人 但她是一伙儿的. In: Phoenix New Media (凤凰网). Abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  19. Tom Lasseter: Chinese haunted by bloody 'Red August'. In: Austin American-Statesman. Archiviert vom Original am 12. Juni 2020; abgerufen am 12. Juni 2020 (englisch).
  20. Zedong Mao: Talk At The Work Conference Of The Centre. In: Marxists Internet Archive. 23. August 1966;.
  21. Zedong Mao: 在中央工作会议上的讲话. In: Marxists Internet Archive. 23. August 1966; (chinesisch).
  22. Zedong Mao: Talk At The Work Conference Of The Centre. In: www.marxists.org. Abgerufen am 14. Februar 2020 (englisch).
  23. 文革公安部长谢富治谈红卫兵打死人:我们管不着. In: Phoenix New Media (凤凰网). Abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  24. 榄杆市事件. In: Sohu. 31. Mai 2019, abgerufen am 14. Februar 2020 (chinesisch).
  25. Nianyi Wang: 《亲历重庆大武斗》序. In: China News Digest (华夏文摘). 13. Juni 2006, abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  26. 北京大兴文革屠杀:婴儿被劈成两半. In: Boxun. 1. August 2013, abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  27. 集体遗忘文革,无疑是一种更深远的民族公耻. In: Ipkmedia (光传媒). Archiviert vom Original am 29. Juni 2020; abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  28. A Massacre in Daxing County During the Cultural Revolution. In: Chinese Law & Government. 14. Jahrgang, Nr. 3, 7. Dezember 2014, S. 70–71, doi:10.2753/CLG0009-4609140370 (englisch).
  29. Paul Brady: Death and the Nobel-On Lao She's "Suicide". In: Chinese University of Hong Kong. 1974; (englisch).
  30. Youqin, Wang: 学生王光华之死. In: The University of Chicago. Archiviert vom Original am 26. Dezember 2018; abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  31. 1966年首都红卫兵上海搞武斗:没打死就是文斗. In: Tencent. Century (世纪), 28. September 2013, abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  32. Ligong Xi: 也说“老红卫兵”. In: Boxun. 2012, abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  33. 王容芬经历的"8·18". In: Deutsche Welle. 19. August 2011, abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  34. Chuanye Wang: 沉重的回忆(41)“文革”风暴到来的时候. In: Chinese University of Hong Kong. Archiviert vom Original am 24. März 2020; abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  35. Jun Lang: 伫视王晶垚-宋彬彬对簿历史的公堂——《宋彬彬谈话纪要》的解读及其它(下). In: China News Digest (华夏文摘). 2012, abgerufen am 10. Dezember 2019 (chinesisch).
  36. Sheng-Mei Ma: Contrasting Two Survival Literatures: On the Jewish Holocaust and the Chinese Cultural Revolution. In: Holocaust and Genocide Studies. 2. Jahrgang, Nr. 1, 1. Januar 1987, ISSN 8756-6583, S. 81–93, doi:10.1093/hgs/2.1.81 (englisch, oup.com).
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.