Rosazea
Rosazea oder Rosacea [lateinisch für Kupferfinnen bzw. Kupferfinnenausschlag oder Rotfinnen, auch Kupferrose und Kupferakne genannt – älter auch Gutta rosacea[1] genannt), ist eine Hauterkrankung, die überwiegend im Bereich des Mittelgesichts auftritt, meist im Alter zwischen 30 und 40 Jahren beginnt und sich oft zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr deutlich verstärkt. Sie kann Ähnlichkeiten mit der Akne zeigen, aber die zugrundeliegenden Erkrankungen sind verschieden. Die Rosazea äußert sich durch fleckförmige, teils schuppende Rötungen, aber auch Schwellungen der Gesichtshaut sowie durch entzündliche Papeln und Pusteln.
], veraltete Bezeichnung Acne rosacea (Klassifikation nach ICD-10 | |
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L71.- | Rosazea |
L71.0 | Periorale Dermatitis |
L71.1 | Rhinophym |
L71.8 | Sonstige Rosazea |
L71.9 | Rosazea, nicht näher bezeichnet |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Auslöser
Die Ursache der Rosazea ist bislang weitgehend unklar, doch sind vermutlich verschiedene Faktoren daran beteiligt. Diskutiert werden neben der Regulationsstörung der Gefäßversorgung des Gesichts eine neurogene Entzündung, eine Störung des Immunsystems sowie eine Beteiligung von Haarbalgmilben und Bakterien (z. B. Staphylococcus aureus). Die neurogene Entzündung ist eine Reaktion des zentralen Nervensystems auf Stress. Die Krankheit tritt selten vor dem 30. Lebensjahr, meistens erst ab dem 40. Lebensjahr auf. Frauen wie Männer sind gleichermaßen betroffen (eventuell mit leichtem Überhang bei Frauen). Kaffee-, Tee- oder Alkoholgenuss können ebenso wie scharfe Gewürze und Sonnenbäder eine Verschlechterung bewirken.[3] Heißes Duschen und Sport können die Rötungen kurzfristig erhöhen.[4]
Symptome
Schweregrad I
Rosazea beginnt meist unscheinbar mit Rötungen der Haut, insbesondere bei Hitze, Kälte und emotionalem Stress. Die feinen, oberflächennahen Blutgefäße sind deutlich erweitert, die Haut wirkt sonnenbrandartig gerötet. Diese erste Form der Erkrankung bezeichnet man als Couperose oder erythematös-teleangiektatische Form. Kleine Papeln können vorkommen. Darüber hinaus klagen viele Patienten über eine allgemeine Reizung der Haut, wie zum Beispiel Brennen, Stechen, Juckreiz oder Trockenheit.
Schweregrad II
Im zweiten Stadium, der papulopustulösen Form der Rosazea (Rosacea pustulosa), treten Pusteln, Knötchen sowie Schwellungen auf, die sich entzünden, eitrig degenerieren und über Wochen bestehen können. Die Haut ist geschwollen, gerötet und großporig. Der Verlauf der Erkrankung ist phasisch und kann sich über Jahre hinziehen. Die Ähnlichkeit mit Akne führt manchmal zu Fehldiagnosen, doch die akneartigen eitrigen Pusteln und Quaddeln gehen bei der Rosazea nicht vom Haarfollikel aus.
Schweregrad III
Unter der glandulär-hyperplastischen Rosazea leiden vor allem Männer. Durch Wucherung von Bindegewebe und Talgdrüsen entstehen knotige Verdickungen: „Knollen“ oder sog. Phymen. Die Sonderform des Rhinophyms, die Knollennase, ist wohl die bekannteste Form. Sind auch die Augen betroffen, spricht man von der okulären Form oder Ophthalmo-Rosazea: Veränderungen an den Augen wie Bindehaut- und Lidrandentzündungen, Trockenheit der Augen und im ungünstigsten Fall Hornhautentzündung.
Therapie
Meidung der Auslösefaktoren (s. o.)
Rosazea-Haut reagiert äußerst empfindlich auf chemische und physikalische Reize, sodass alle irritierenden Produkte, die Seifen, Alkohole, Menthol, Kampfer, Peelings usw. enthalten, ebenso gemieden werden sollten wie Reibung und Sonneneinstrahlung. Persönliche und individuell variierende Auslöser oder „Trigger“-Faktoren, die zu plötzlich auftretenden Rötungen des Gesichts oder generell zur Gefäßerweiterung führen (wie Alkohol, scharf gewürzte Speisen, heiße Getränke, Saunabesuche etc.), sollten Betroffene ebenso meiden.
Topische Therapie
Für die ersten beiden Schweregrade der Rosazea reicht meist eine äußerliche Behandlung. In Deutschland sind für die topische Therapie Nitroimidazol (0,75 % Metronidazol in unterschiedlichen Grundlagen) und Azelainsäure (15-prozentig) sowie Ivermectin zur Rosazea-Behandlung zugelassen.
Das Insektizid Ivermectin wird oral oder als Salbe zur Rosazeabehandlung in Deutschland eingesetzt. Dessen Wirkung richtet sich gegen Haarbalgmilben.[5][6] Die Wirksamkeit ist höher als Placebo und ein wenig höher als die von Metronidazol.[7] Diese Milben leben bei praktisch jedem Menschen in der Haut. Ob sie selbst oder in ihnen gefundene Bakterien überhaupt eine erkrankungsverstärkende Rolle spielen, ist allerdings noch unklar.[8]
Kortisonhaltige Medikamente dürfen nicht verwendet werden, da sie die Symptome verstärken.
Systemische Therapie
Die orale Gabe von Antibiotika sollte den schweren Formen der Rosazea vorbehalten sein. Antibiotika wie Metronidazol, aber auch Erythromycin, Clindamycin und Tetracyclin wie Doxycyclin und Minocyclin wirken unterschiedlich effektiv, wobei der Wirkmechanismus in diesen subtherapeutischen Dosierungen nicht wirklich geklärt ist. Es wird vermutet, dass eine „allgemein anti-entzündliche Wirkkomponente“ beim Metronidazol für die Rosazea wirksam ist. Mediziner sehen keine Gefahr der Resistenzbildung bei subtherapeutischen Antibiotika-Behandlungen, da kein Selektionsdruck ausgeübt würde,[9] während eine antibiotische Unterdosierung aus mikrobiologischer Sicht bakterielle Antibiotikaresistenzen fördert bzw. (multi-)resistente Keime anreichert (untersucht vor allem in der Tiermast, sodass subtherapeutische Mengen von Antibiotika, die als Wachstumsförderer eingesetzt wurden, inzwischen EU-weit verboten sind). Dabei müssen allgemeine Nebenwirkungen z. B. auf die wichtige bakterielle Mikroflora und substanzspezifische Nebenwirkungen (wie z. B. bei Tetrazyklinen Lichtempfindlichkeit, Verfärbung von Haut oder Schleimhäuten) sowie Gegenanzeigen (Schwangerschaft) beachtet werden.
Ein weiterer hochwirksamer Wirkstoff ist Isotretinoin, ein Vitamin-A-Säure-Derivat und natürliches Insektizid, das gegen die Haarbalgmilben wirkt, aber viele Nebenwirkungen hat. Es kann insbesondere Reizungen der Haut, Schleimhaut und Bindehaut, Kopfschmerzen sowie Leberfunktionsstörungen, möglicherweise auch Depressionen verursachen. Bei Frauen darf es wegen seiner embryotoxischen Wirkung nur bei absolut sicherem Ausschluss einer Schwangerschaft verwendet werden.
Im August 2013 erhielt das Dermatologie-Unternehmen Galderma von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA die Zulassung für ein Medikament namens Brimonidin, einen α2-Adrenozeptor-Agonisten.[10] Für die EU erfolgte im Dezember 2013 vom Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) die positive opinion, also eine Art Zulassungsempfehlung.[11] Im Februar 2014 wurde Brimonidin – als erstes und einziges Medikament zur Behandlung der Röte bei Rosazea – auch für die 28 Länder der EU zugelassen.[12]
Alternative Therapieformen
Erste Laboruntersuchungen zeigten, dass Lidocain ein erfolgversprechender Wirkstoff bei einer Beteiligung von Staphylokokken an der Rosazea sein könnte, da es spezifisch die durch das Staphylokokken-Toxin ausgelöste Entzündung hemmen kann.[13] Ebenfalls speziell gegen Staphylococcus aureus richten sich Produkte zur äußeren Anwendung, die das aus Bakteriophagen gewonnene Endolysin Staphefekt enthalten.[14] Dieses Enzym zerstört spezifisch die Zellhüllen von S. aureus und bringt die Bakterien dadurch zum Platzen. Weiterhin hat sich die Anwendung von Heilerde in Form von Gesichts-Masken als wirkungsvoll herausgestellt. Diese wirkt antibakteriell und entzündungshemmend.
Operative Entfernung
Eine dauerhafte Beseitigung der Äderchen ist durch Laserbehandlung möglich, bei der die erweiterten Blutgefäße verschlossen und damit unsichtbar werden. Das Rhinophym (Knollennase) kann durch chirurgische Abtragung, z. B. durch Abschleifen oder mit dem CO2-Laser, behandelt werden.
Augenvorsorge
Die Rosazea kann auf das Auge übergreifen und zu dauerhaften Augenschäden (Hornhauttrübung) führen. Deshalb ist eine regelmäßige augenärztliche Kontrolle notwendig.
Rezeption
Bei Wilhelm Busch findet sich in Kritik des Herzens ein Gedicht auf das Rhinophym:[15]
Kinder, lasset uns besingen,
Aber ohne allen Neid,
Onkel Kaspers rote Nase,
Die uns schon so oft erfreut.
Einst ward sie als zarte Pflanze
Ihm von der Natur geschenkt;
Fleißig hat er sie begossen,
Sie mit Wein und Schnaps getränkt.
Bald bemerkte er mit Freuden,
Daß die junge Knospe schwoll,
Bis es eine Rose wurde,
Dunkelrot und wundervoll.
Alle Rosen haben Dornen,
Diese Rose hat sie nicht,
Hat nur so ein Büschel Haare,
Welches keinen Menschen sticht.
Ihrem Kelch entströmen süße
Wohlgerüche, mit Verlaub:
Aus der wohlbekannten Dose
Schöpft sie ihren Blütenstaub.
Oft an einem frischen Morgen
Zeigt sie uns ein duftig Blau,
Und an ihrem Herzensblatte
Blinkt ein Tröpflein Perlentau.
Wenn die andern Blumen welken,
Wenn’s im Winter rauh und kalt,
Dann hat diese Wunderrose
Erst die rechte Wohlgestalt.
Drum zu ihrem Preis und Ruhme
Singen wir dies schöne Lied.
Vivat Onkel Kaspers Nase,
Die zu allen Zeiten blüht!
Literatur
- S2-Leitlinie Rosazea der Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG). In: AWMF online (Stand 28. Januar 2022)
- H. E. Baldwin: Diagnosis and treatment of rosacea: state of the art. In: Journal of Drugs in Dermatology. Band 11, Nummer 6, Juni 2012, S. 725–730, ISSN 1545-9616. PMID 22648219. (Review).
- P. M. Lehmann: Rosazea: Epidemiologie, Pathogenese, Klinik und Therapie. In: Deutsches Ärzteblatt. 104(24), 2007, S. A-1741 / B-1536 / C-1475.
- Ingrid Moll (Hrsg.): Dermatologie. (= Duale Reihe). 6., komplett überarb. und erw. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2005, ISBN 3-13-126686-4.
- A. Müller, R. W. Schlecht, Alexander Früh, H. Still Der Weg zur Gesundheit: Ein getreuer und unentbehrlicher Ratgeber für Gesunde und Kranke. 2 Bände, (1901; 3. Auflage 1906, 9. Auflage 1921) 31. bis 44. Auflage. C. A. Weller, Berlin 1929 bis 1931, Band 2 (1929), S. 217–219.
Weblinks
Einzelnachweise
- Jürgen Martin: Die ‚Ulmer Wundarznei‘. Einleitung – Text – Glossar zu einem Denkmal deutscher Fachprosa des 15. Jahrhunderts (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 52). Königshausen & Neumann, Würzburg 1991, ISBN 3-88479-801-4 (zugleich Medizinische Dissertation Würzburg 1990), S. 135 und 164.
- M. Sand, D. Sand, C. Thrandorf, V. Paech, P. Altmeyer, F. G. Bechara: Cutaneous lesions of the nose. In: Head & face medicine. Band 6, 2010, S. 7, ISSN 1746-160X. doi:10.1186/1746-160X-6-7. PMID 20525327. PMC 290354 (freier Volltext). (Review).
- Volker Nölle: Rosazea – ein Ratgeber. WiKu, Berlin 2003, ISBN 978-3-936749-83-0, S. 27 ff.
- Sport und Rosacea – So vermeiden Sie Schübe – Rosacea Pressebereich. Abgerufen am 25. April 2023.
- H. Schöfer: Topische Therapie der Rosazea. In: Der Hautarzt. Band 64, Nr. 7, 2013, S. 494–499, doi:10.1007/s00105-012-2518-5.
- E. D. Deeks: Ivermectin: A Review in Rosacea. In: American journal of clinical dermatology. Band 16, Nummer 5, Oktober 2015, S. 447–452, doi:10.1007/s40257-015-0150-8. PMID 26254001 (Review).
- E. J. van Zuuren, Z. Fedorowicz u. a.: Behandlungen bei Rosacea. Cochrane Database of Systematic Reviews, 28. April 2015 doi:10.1002/14651858.CD003262.pub5
- David J Goldberg, Alexander Berlin: Acne and Rosacea: Epidemiology, Diagnosis and Treatment. CRC Press, 2011, ISBN 978-1-84076-616-5, S. 57 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Simone Reisdorf: Rosazeatherapie: Mit Doxycyclin gegen Inflammation. In: Deutsches Ärzteblatt. Band 106, Nr. 43. Deutscher Ärzte-Verlag, 23. Oktober 2009, S. A-2159 / C-1810 (aerzteblatt.de).
- Galderma: Galderma Press Release: Galderma Receives FDA Approval of Mirvaso. 26. August 2013, abgerufen am 4. März 2014.
- European Medicines Agency – Human medicines – Mirvaso. 24. September 2015, archiviert vom am 24. September 2015; abgerufen am 13. September 2022. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Galderma: Galderma Press Release: Mirvaso® (Brimonidine) the first and only Treatment targeting the Facial Redness of Rosacea approved by the European Commission. 26. Februar 2014, abgerufen am 4. März 2014.
- Qingqing Jiao u. a.: Lidocaine inhibits staphylococcal enterotoxin-stimulated activation of peripheral blood mononuclear cells from patients with atopic dermatitis. In: Archives of Dermatological Research. 305(7), 2013, S. 1–8.
- Produkte mit Staphefekt sind derzeit nur von der Firma Micreos Human Health verfügbar und besitzen bisher keine Arzneimittelzulassung.
- Otto Nöldecke (Hrsg.): Wilhelm Busch. Sämtliche Werke. Band 6, München 1943, S. 253.