Ritterburg (Eckernförde)

Die so genannte Ritterburg zu Eckernförde ist keine Ritterburg. Es handelt sich dabei um ein dreigeschossiges unter Denkmalschutz stehendes Geschäfts- und Wohnhaus mit Renaissancegiebel aus dem 15. oder 16. Jahrhundert.

Die „Ritterburg“ von der Fußgängerzone aus gesehen
Erster bekannter Stadtplan Eckernfördes von Georg Braun/Frans Hogenberg, spätestens 1618 veröffentlicht, mit Kenntlichmachung der „Ritterburg“

Der Name Ritterburg

Zur Namensgebung wird in vielen Publikationen, auch von der Stadt Eckernförde selbst[1], in etwa der folgende Sachverhalt angegeben: Das Gebäude hätte seinen Namen von einem Gastwirt mit dem Namen Ritter erhalten, der in dem Gebäude im 19. Jahrhundert eine Gastwirtschaft führte. Im Gebäude selbst hätten nie Ritter gelebt – wie im 16. Jahrhundert üblich, sei es eines der Stadthäuser von Adligen gewesen, von denen aus sie Handel betrieben.

Diese Darstellung ist spekulativ und zumindest teilweise falsch: Im 16. Jahrhundert bewohnten das Gebäude die Ritter Rantzau. 1226 mit dem Ritter Johann Ranzow begründet, gehörte die Ritterfamilie Rantzau Ende des Mittelalters zu den einflussreichsten Familien der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft. Ein Zweig des Uradelsgeschlechts von Rantzau wurde zwar 1650 in den Grafenstand erhoben (davor waren alle Rantzaus „nur“ Adelige), zu diesem Zweig gehörten aber nicht die damaligen Eigner der Ritterburg oder ihre Nachfahren. Vom Ehepaar Paul und Beate Rantzau (geborene Sehestedt) ist aus dem 16. Jahrhundert bekannt, dass sie (mindestens) 15 Kinder hatten (neun Söhne und sechs Töchter[2]) und dass sie auf Gut Ludwigsburg (damals Kohøved genannt) in dieser Zeit die ehemalige Wasserburg durch den Neubau eines Herrenhauses ersetzen ließen. Fraglich ist deshalb, ob von der Ritterburg aus zu dieser Zeit überhaupt Handel betrieben werden sollte oder das Gebäude etwa nur als nahes Ausweichquartier während der umfangreichen Bauarbeiten auf Gut Ludwigsburg diente.

Der These, dass der Gastwirt Claus Heinrich Ritter, der, aus der Maingegend kommend, in dem Gebäude seit 1825 eine Gastwirtschaft betrieb, der Namensgeber für die Bezeichnung als Ritterburg war, mangelt es am Nachweis dafür, dass diese Bezeichnung nicht auch schon zuvor (mal) geführt wurde. Ungewöhnlich wäre es bereits in der Zeit des Entstehens der Ritterburg in der Gegend keineswegs gewesen, einem großen städtischen Wohngebäude des Adels- oder des Ritterstandes einen auf -burg endenden Namen zu geben; in Eckernförde hieß beispielsweise ein etwa zur gleichen Zeit errichtetes Adelswohnhaus Blomenburg. Die Gastwirtschaft selbst wurde zudem vom Gastwirt Claus Ritter und nachfolgend von seiner Witwe Elise Ritter auch nicht unter dem Namen Ritterburg geführt, sondern schlicht als Gastwirthschaft Ritter betrieben.[3] Spekulativ bleibt auch die in einzelnen Werken zu findende Angabe, dass ein Nachfolgergastwirt von Claus und Elise Ritter die Gaststätte nach dem Namen seiner Vorgänger (und nicht etwa aufgrund anderer ihm vorliegender Informationen) zur „Ritterburg“ machte.[4] Eine andere Deutung des Namens ist die als „Haus der Ritterbürger“.[5]

Geschichte

Der Puttenfries (oben) ist als solcher nicht mehr erkennbar
Die Ritterburg 1911 (oder früher)

Das Haus entstand als gotisches Bauwerk spätestens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in unmittelbarer Nähe des damaligen Stadttores und der Stadtmauer[6]. Es steht heute in der Hauptgeschäftsstraße Eckernfördes, der Kieler Straße (Nr. 48; Eckhaus zum Sauersgang). Seit 2004 ist an der Fassade wieder (wie zuvor schon in den 1950er Jahren über der Eingangstür) die Jahreszahl 1537 aufgetragen. Nach Karl Friedrich Schinkel sei das Haus aber rund 35 bis rund 50 Jahre früher errichtet worden[7]. Das Stadttor wenige Meter daneben war in etwa derselben Zeit entstanden. Bei der Entstehung der „Ritterburg“ wurden mittelalterliche Grabsteine im Sockel verbaut.[8] Die Familie Rantzau[9] ließ 1590 den ursprünglichen gotischen Staffelgiebel der „Ritterburg“ an der Vorderfront in einen unterbrochen geschweiften Renaissancegiebel umgestalten – ein Volutengiebel aufgrund der Voluten an den unteren Enden.[10] Über einen ursprünglich an der Rückseite wohl ebenfalls befindlichen Staffelgiebel fehlt es an weiteren Angaben. Der Puttenfries an der Frontseite mit seinen sieben Putten ist mittlerweile derart mit Wandfarbe übertüncht worden, so dass er als solcher nicht mehr erkennbar ist. Schon früh besaß das Gebäude ein angebautes Hinterhaus[11][12], das seit Rantzaus Zeiten bis zur Übernahme durch den Gastwirt Claus Heinrich Ritter 1825, der daraus eine Übernachtungsunterkunft machte, als Stall und Speicher diente. Das Hinterhaus musste Anfang der 1960er Jahre einem neuen Anbau weichen. Im 18. Jahrhundert waren die Bewohner der Ritterburg Branntweinbrenner.

Nach dem Zweiten Weltkrieg beherbergte das Gebäude im Erdgeschoss zunächst das Restaurant Zur Ritterburg und danach eine Schlachterei (Markgraf), ein Kleinkaufhaus (Corso), einen Supermarkt (coop), eine Drogeriemarktfiliale (Ihr Platz) und derzeit ist ein Bekleidungsgeschäft (Herrenausstatter an der Schlei) in dem Gebäude untergebracht. Ein Restaurant mit dem Namen „Zur Ritterburg“ gab es nachweislich in den 1910er Jahren (siehe Foto); die letzte Gastwirtschaft, die diese Bezeichnung führte, bestand bis in die 1970er Jahre hinein und befand sich zuletzt im 1. Stockwerk.[13] Die Umgestaltung der Fassade im Erdgeschossbereich und die damit verbundene Aushöhlung erfolgte im Rahmen des Umbaus zum Kleinkaufhaus Anfang der 1960er Jahre. „Leider ist mit dem Erdgeschoß in der Neuzeit grausam umgegangen worden“, urteilte 1978 Theo Christiansen.[14]

Das Stadttor in unmittelbarer Nähe wurde um 1760 abgebaut; das alte Stadtschreiberhäuschen – zuletzt ein Fischgeschäft (Büll) – wie ein zweites angrenzendes Gebäude – zuletzt ein Blumenladen (Klünder) – mussten Ende der 1960er Jahre für Straßenausbaumaßnahmen der Kieler Straße (zu diesem Zeitpunkt noch Hauptdurchgangsstraße der Innenstadt) Platz machen; rund 10 Jahre später wurde die Kieler Straße in eine Fußgängerzone umgewandelt.

Literatur

  • Karl Friedrich Schinkel: Eckernförde – ein Spaziergang durch die Stadtgeschichte. Verleger: Manfred Goos, Horn-Bad Meinberg, 2. Auflage 2002, Seiten 466 ff.

Siehe auch

Commons: Ritterburg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Eckernförde Gestern und Heute. Archiviert vom Original am 12. April 2013; abgerufen am 22. Januar 2016.
  2. Kirchengestühl der Sankt Nicolai-Kirche Eckernförde, Ciriacus Dirkes 1578: Pawell Rantsov mit sinen negen Soins, Biate Rantsov mit errenn sos Doihters.
  3. Adreßbuch und Geschäfts-Handbuch für Stadt und Kreis Eckernförde, Seite 120; Verlag von C. Heldt's Buchhandlung, 1897
  4. So etwa in: Heimatgemeinschaft Eckernförde e.V. und Abteilung für Regionalgeschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel, ECKernförde-Lexikon, Husum Druck- und Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Husum 2014, ISBN 978-3-89876-735-4, Seite 281.
  5. Etymologisch hat sich das Wort Bürger aus dem Wort Burg entwickelt, das seinerseits auf dem althochdeutschen burga („Schutz“) wurzelt. Seit dem 12. Jahrhundert ist das Wort nicht nur für Burgbewohner, sondern auch für Stadtbewohner belegt; ferner war burg im Altenglischen die Bezeichnung für „Stadt“.
  6. siehe auch Stadtplan von Braun und Hogenberg (zwischen 1588 und 1618)
  7. Schinkel, Seite 466
  8. Hans Heinrich Janssen: Mittelalterliche Grabsteine im Sockel der sogenannten Ritterburg, In: Heimatgemeinschaft Eckernförde, Jahrbuch 2018, S. 21 ff.
  9. Paul Rantzau war 1579, Beate Rantzau 1589 verstorben
  10. die Aussage „Der charakteristische Renaissancegiebel erinnert an eine Ritterburg“ des Museumsvereins Eckernförde e.V. und der Stadt Eckernförde in der Publikation Eckernförde - Ein Stadtrundgang, 2015, Seite 29 ist unhaltbar
  11. möglicherweise ist es gleichzeitig zum Bau des Vorderhauses entstanden
  12. siehe ebenfalls Stadtplan von Braun und Hogenberg
  13. siehe auch Fotos aus den Jahren 1935 und 1955 auf https://www.bildindex.de/document/obj20503016#%7Chome
  14. Theo Christiansen: Eckernförde - Die Ostseestadt in Bildern, Schleswiger Druck- und Verlagshaus, 1978, ISBN 3-88242-036-7, Text zu Bild Nr. 24 im Bilderteil

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.