Hilbertraumbasis
Als Hilbertraumbasis wird in der Funktionalanalysis eine Basis eines Hilbertraums bezeichnet. Ein Hilbertraum ist ein (oft unendlichdimensionaler) Vektorraum, der mit einem Skalarprodukt ausgestattet ist und mit der induzierten Norm vollständig ist.
Der natürliche Basisbegriff eines Hilbertraums ist die Verallgemeinerung der Orthonormalbasis der euklidischen Geometrie, das vollständige Orthonormalsystem bzw. die Hilbertbasis. Manchmal, z. B. in der Wavelettheorie, arbeitet man mit Erzeugendensystemen eines Hilbertraumes, von denen die Orthogonalität nur schwer oder gar nicht nachzuweisen ist.
Dieser Artikel beschäftigt sich vornehmlich mit solchen Hilbertraumbasen, die keine Orthonormalsysteme, also keine Hilbertbasen sind.
Im endlichdimensionalen Fall ist die Alternative zu einer Orthonormalbasis eine allgemeine, nicht orthogonale Basis. Für jede Basis im Endlichdimensionalen fallen die zwei charakteristischen Eigenschaften zusammen: Eine Basis ist ein maximales linear unabhängiges System und gleichzeitig ein minimales Erzeugendensystem.
Im unendlichdimensionalen Fall ist das „stabile“ Abweichen vom Begriff der Hilbert-Basis nicht so einfach. Von Spezialfällen abgesehen, verlangt man von einer Basis jedoch, dass jeder Vektor des Hilbertraums eindeutig bestimmte Koordinaten besitzt, die sich stetig mit dem Vektor ändern, sowie dass jeder Vektor durch seine Koordinaten eineindeutig bestimmt wird, mehr noch, dass es zu jedem System zulässiger Koordinaten einen stetig von diesen Koordinaten abhängenden Vektor gibt. Mit anderen Worten, es soll eine bijektive, in beide Richtungen stetige lineare Abbildung des Hilbertraumes in einen Koordinatenraum geben.
Motivation am euklidischen Fall
In einem -dimensionalen -Vektorraum ist eine Basis insbesondere dadurch charakterisiert, dass zu ihr eine bijektive Abbildung zwischen dem Vektorraum und dem Modellvektorraum erzeugt werden kann:
.
Diese Abbildung kodiert wiederum die Basis, denn die Bilder der kanonischen Basisvektoren des Spaltenvektorraums sind gerade die gewählten Basisvektoren von . Die inverse Abbildung zu dieser ordnet jedem Vektor aus seinen Koordinatenvektor bzgl. dieser Basis zu.
In diesem Sinne kann man bijektive Abbildungen von nach mit Basen von identifizieren. Ist auf eine Norm definiert, so folgt aus der Bijektivität, dass die Koordinaten von Einheitsvektoren weder sehr klein noch sehr groß werden können.
Systeme von Vektoren und ihre Eigenschaften
Sei ein Hilbertraum über dem Körper oder . Sei weiter eine (endliche, abzählbare oder gar überabzählbare) Teilmenge des Hilbertraums. Um diese Teilmenge sprachlich von Untervektorräumen zu unterscheiden, wird X System von Vektoren genannt.
Koeffizientenraum
Zu jeder endlichen Anzahl von Vektoren aus X kann man ohne Einschränkung Linearkombinationen bilden. Die Koeffizienten einer solchen Linearkombination kann man in einer Funktion zusammenfassen, die nur an endlich vielen Stellen von Null verschieden ist. Die Linearkombination hat dann die Gestalt
- .
Auf dem Raum dieser Funktionen mit endlichem Träger kann man ein Skalarprodukt definieren als
- .
Nur endlich viele Terme sind von Null verschieden, d. h. die Summe ist als solche definiert.
Jedes Skalarprodukt definiert auch eine Norm und damit eine Metrik. Sei mit die Vervollständigung des Raumes bzgl. dieser Topologie bezeichnet. soll im Folgenden als Koeffizienten- und später als Koordinatenraum dienen. Ist X endlich, so ist dieser Koeffizientenraum isomorph zu einem euklidischen Raum, für X abzählbar ist der Koeffizientenraum isometrisch isomorph zum Folgenraum .
Der Einfachheit halber werden Elemente aus als Koeffizientenvektoren bezeichnet, die Komponente von c zum „Index“ x ist der Wert c(x). Ein Koeffizientenvektor c heißt endlich, falls der Träger von c endlich ist.
Linearkombinationen
Die einfachste Forderung ist nun, dass es zu jedem Koeffizientenvektor auch eine Linearkombination des Systems X geben möge. Im Allgemeinen ist aber die „Summe“
nicht definiert. Für jedes gibt es aber Koeffizientenvektoren mit endlichem Träger und einem Abstand , für welche diese Linearkombination definiert ist. Die Frage ist nun, wann diese endlichen Linearkombinationen einen gemeinsamen Grenzwert für haben.
Definition (Besselsystem)
X heißt Besselsystem, falls die Abbildung mit stetig ist, d. h. falls es eine Konstante B gibt mit
- .
Bemerkung: Diese Ungleichung muss nur für endliche Koeffizientenfolgen bzw. -funktionen mit endlichem Träger erfüllt sein, um schon für alle Koeffizientenfolgen bzw. -funktionen zu gelten.
Unter diesen Umständen bilden die Bildvektoren einer Folge endlicher Approximationen eines Koeffizientenvektors eine Cauchyfolge im Hilbertraum . Diese Folge besitzt also einen Grenzwert, und dieser ist unabhängig von der gewählten approximierenden Folge.
Da ein linearer Operator zwischen zwei Hilberträumen ist, gibt es einen adjungierten Operator . Nach Definition eines adjungierten Operators bestimmt sich dieser zu . Ist X ein Besselsystem, so erfüllt der adjungierte Operator eine Besselsche Ungleichung: Mit der Konstanten B>0 gilt für beliebige Vektoren die Ungleichung
- .
Lineare Unabhängigkeit
In vielen Fällen ist die Definition nicht ausreichend, dass keine nichttriviale Linearkombination aus X der Nullvektor ist. So kann es trotz dieser Eigenschaft der Fall sein, dass es beliebig kleine Linearkombinationen gibt, bei denen der Koeffizientenvektor die Länge 1 hat. Es ist also verschärfend zu fordern, dass X ein Besselsystem ist und es eine untere Schranke A>0 gibt, so dass
für alle Koeffizientenvektoren gilt.
Definition (Rieszsystem)
Ein System X von Vektoren eines Hilbertraumes heißt Rieszsystem, falls es endliche Konstanten gibt, so dass für endliche Koeffizientenvektoren und damit für alle Koeffizientenvektoren die Ungleichungen
erfüllt sind.
Erzeugendensystem
Ein Erzeugendensystem X im Hilbertraum kann dadurch charakterisiert werden, dass das orthogonale Komplement von X nur aus dem Nullvektor besteht. Ist X zusätzlich ein Besselsystem, so bilden die Skalarprodukte die Komponenten des Vektors . D. h., jeder Vektor mit muss der Nullvektor sein.
Wieder ist diese Charakterisierung in vielen Fällen nicht ausreichend, da es möglich wäre, dass auf der Einheitskugel beliebig kleine Werte annimmt. Um dies zu verhindern, fordert man die Existenz einer unteren Schranke A>0 für die Werte auf der Einheitskugel, es sei für alle mit die Ungleichung
erfüllt.
Definition (Frame)
Ein System X von Vektoren in einem Hilbertraum heißt Frame (en. für Rahmen), falls es endliche Konstanten , die Framekonstanten, gibt, so dass für jeden Vektor die Ungleichungen
erfüllt sind. Gilt sogar , so wird X ein straffer Frame (engl. „tight frame“) genannt.
Insbesondere folgt aus dieser Eigenschaft die Existenz eines stetigen pseudoinversen Operators (s. weiter unten).
Definition (Rieszbasis)
Ein System X von Vektoren in einem Hilbertraum heißt Rieszbasis, falls es gleichzeitig ein Rieszsystem und ein Frame ist.
Folgerungen
Pseudoinverse und Bestapproximation
Ein Rieszsystem X spannt einen abgeschlossenen Unterraum im Hilbertraum auf. Zu jedem beliebigen Vektor gibt es eine Bestapproximation in diesem Unterraum, d. h. einen Koeffizientenvektor für welchen der Abstand minimal wird. Dieser Koeffizientenvektor bestimmt sich zu
- .
Der in diesem Ausdruck vorkommende inverse Operator existiert, da das Komposit beschränkt, selbstadjungiert und positiv definit ist. Der inverse Operator kann als Neumann-Reihe konstruiert werden, denn es gilt
- , daher ,
denn der Term
- , mit ,
hat eine Operatornorm kleiner 1.
Der Operator ist der pseudoinverse Operator zu , es gelten die zwei Identitäten
- ist die Identität im Raum der Koeffizientenvektoren und
- ist der orthogonale Projektor auf das Bild .
Pseudoinverse
Als Folge der Frameungleichung ist der Operator surjektiv. Denn das orthogonale Komplement des Bildes ist gerade der Kern von , und nach der linken Ungleichung hat jeder Vektor im Kern die Länge Null.
Analog zur Überlegung zum Rieszsystem ist nun der Operator selbstadjungiert, beschränkt und positiv definit. Es gibt dessen inversen Operator , mit welchem wiederum der pseudoinverse Operator gebildet werden kann. In diesem Fall gelten die Identitäten
- ist die Identität des Hilbertraumes und
- ist die Projektion auf das Bild des adjungierten Operators, welches gleichzeitig das orthogonale Komplement des Kerns ist, .
Kleinster Koeffizientenvektor
Mit einem Frame X kann jeder Vektor als Linearkombination des Systems X dargestellt werden. Oft gibt es mehrere Koeffizientenvektoren, die diese Aufgabe erfüllen. Unter all diesen Koeffizientenvektoren ist der kleinste.
Dualer Frame
Es gibt zu einem Frame X einen dualen Frame , wobei R der oben definierte inverse Operator zu ist. Dieses System ist tatsächlich ein Frame mit Konstanten , er ist dual in dem Sinne, dass die Identität entwickelt werden kann zu
- ,
d. h. die Skalarprodukte mit den Vektoren des dualen Frames ergeben die Komponenten des kleinsten Koeffizientenvektors zu v.
Parseval-Frame
Ein straffer Frame X, dessen Framekonstanten beide gleich 1 sind, wird Parsevalframe genannt, da in ihm die Parsevalsche Gleichung
gilt. Dies ist äquivalent dazu, dass X sein eigener dualer Frame ist, d. h. jeder Vektor kann entwickelt werden als
- .
Es gilt der Satz: Sind die Vektoren eines Parsevalframes X allesamt Einheitsvektoren, so ist X schon eine Hilbertbasis.
Für Rieszbasen
In einer Rieszbasis stimmen die Konstanten der Ungleichung aus der Definition des Rieszsystems mit den Framekonstanten überein und der pseudoinverse Operator ist tatsächlich schon der inverse Operator zu .
Gilt zusätzlich noch A=B=1, so ist X schon ein vollständiges Orthonormalsystem, d. h. eine Hilbert-Basis. In diesem Fall gilt sowohl die Parsevalsche Gleichung
- ,
was äquivalent zu
ist; als auch
- ,
äquivalent zu
- .
Weblinks
- Otto Forster, Joachim Wehler: Skript zur Vorlesung: Fourier-Transformation und Wavelets. LMU München 2000/01