Richard Pietzsch

Richard Pietzsch (* 23. März 1872 in Blasewitz; † 28. Januar 1960 in München) war ein Maler des Deutschen Impressionismus.

Biographie

Richard Pietzsch, geboren am 23. März 1872 in Blasewitz bei Dresden (1921 nach Dresden eingemeindet), stammte aus einer kulturell engagierten Lehrer-Familie. Er studierte von 1891 bis 1894 an der Akademie der Bildenden Künste Dresden und wechselte im Herbst 1894 an die Akademie der Bildenden Künste München, wo er zunächst bei Paul Hoecker und ab Herbst 1895 bei Franz von Stuck studierte. 1897 bezog Pietzsch sein erstes Atelier in München-Schwabing. Im Frühjahr 1899 konnte er dank der Unterstützung durch Fritz von Uhde seine Werke zum ersten Mal auf der Frühjahr-Ausstellung der Münchener Secession zeigen.[1]

Ab 1900 erhielt Pietzsch zunehmende Anerkennung der Kunstöffentlichkeit: regelmäßige Beteiligung an den Ausstellungen der Münchener Secession (deren Mitglied er bald nach 1900 wurde), der Berliner Secession (von Max Liebermann und Walter Leistikow unterstützt) sowie auf deutschlandweiten Ausstellungen, Veröffentlichung seiner Arbeiten u. a. in der Jugend (Zeitschrift) und Museumsankäufe. Seit 1903 lebte er in Grünwald im Isartal. 1905 vergab der Deutsche Künstlerbund an ihn eines der Stipendien des ersten Jahrganges für den Aufenthalt im neu gegründeten Künstlerhaus Villa Romana in Florenz, wo er sich von April 1906 bis Silvester 1906 aufhielt.[2] Im gleichen Jahr hatte er die schwedische Malerin Fanny Westberg geheiratet. Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt auf Korsika kehrte Pietzsch im Frühsommer 1907 nach Deutschland zurück, wo er die Leitung der Landschaftsklasse an der Damen-Akademie des Münchner Künstlerinnenvereins (bis 1909) übernahm.[3] In den folgenden Jahren lebte er in Grünwald, Icking, Wolfratshausen und ab 1913 wieder in München. Vom Herbst 1915 bis Januar 1916 war er als Kriegsmaler im nordfranzösischen Laon und an der Aisne-Front. Es entstanden Gemälde und Zeichnungen, die das zivile und militärische Leben im Alltag des Ersten Weltkriegs festhielten. Von 1916 bis 1930 lebte Richard Pietzsch im oberbayerischen Bad Tölz. 1913 wurde er zum Titularprofessor an der Akademie der Bildenden Künste München ernannt, 1925 folgte die Ehren-Mitgliedschaft. Regelmäßige Mal-Reisen führten ihn durch Oberbayern, nach Norddeutschland und nach Schweden. 1930 kehrte er nach München zurück, als ihm die Stadt München das Asam-Schlössl (ehemaliger Barockwohnsitz der Gebrüder Cosmas Damian Asam und Egid Quirin Asam) in München-Thalkirchen am Isar-Ufer als freie Wohnung und Atelier auf Lebenszeit überließ.[4] Zwischen 1942 und 1944 beteiligte sich Pietzsch aktiv an den von den Nationalsozialisten initiierten Großen Deutschen Kunstausstellungen im Haus der Deutschen Kunst und stellte dort insgesamt 5 Werke aus, von denen er zwei verkaufte.[5] Bei einem Bombenangriff im Herbst 1944 wurde nicht nur das Asamschlössl stark beschädigt, sondern auch Atelier und zahlreiche Gemälde vernichtet. Pietzsch wich in ein Notatelier in der kleinen oberbayerischen Ortschaft Beuerberg aus. Im Januar 1952 kehrte er nach München zurück, wo ihm die Stadt in der Schwabinger Franz-Joseph-Straße erneut Atelier und Wohnung zur Verfügung gestellt hatte. Er beteiligte sich noch an den Kunstausstellungen im „Haus der Kunst“. Im Juni 1953 vergab die Bayerische Akademie der Schönen Künste eine Ehrengabe an den Künstler.[6] Gemalt hat er nach 1945 kaum noch, da ihn eine arthritische Erkrankung der Malerhand behinderte. Er starb am 28. Januar 1960 in München. Seit 1962 ist eine Straße im Münchner Stadtteil Solln nach ihm benannt.

Familie: Seine Frau Fanny Westberg (1874–1958) an der Stockholmer Akademie ausgebildet, war auch nach ihrer Heirat noch als Malerin tätig und stellte gemeinsam mit ihrem Mann aus[7], ebenso wie die gemeinsame Tochter Ingeborg. Der Sohn, Harald Pietzsch (1910–1944 als Soldat gefallen), war als Architekt und Kreisbaumeister im Berchtesgadener Land tätig. Sein älterer Bruder Martin Pietzsch prägte mit seinen Villen- und Kinobauten das Bild der Dresdner Stadtteile Blasewitz und Loschwitz. Die Nichte Sibylle Pietzsch, Dramaturgin, Architektin, Schriftstellerin, heiratete nach der Emigration in die USA 1934 in zweiter Ehe den Bauhaus-Künstler László Moholy-Nagy.[8]

Werk

Zum großen Teil umfasst das Werk Pietzschs Landschafts-Darstellungen. Aus seiner Villa-Romana-Zeit stammen italienische und korsische Motive; seinem Temperament eher entsprachen jedoch die Landschaft Schwedens, das er von 1904 bis 1923 wiederholt bereiste. Wichtigster Motivgeber war Süddeutschland, wo er im Berchtesgadener Land, im Altmühl- und Donautal, am Mittelrhein, im Chiemgau, in Tirol und besonders im Isartal zwischen München und dem Vorkarwendel malte. Besonders interessierten ihn die atmosphärischen Veränderungen einer Landschaft mit dem Wechsel der Jahreszeiten oder des Wetters. Seine Aufmerksamkeit galt nicht nur der Landschaft als topographischer Gegebenheit, sondern ihrer geschichtlichen Prägung. Er zeigt die bayerische Kulturlandschaft mit ihrer jahrhundertelangen Prägung durch bäuerliche Tätigkeit („Münchner Schafschur“, „Flachsschlagen“) ebenso wie das unaufhaltsame Vordringen der Technik („Reichsautobahnbau“, „Telefonmasten bei Murnau“). In Tölz, Berchtesgaden oder den Münchner Vororten beobachtete er die allmählichen urbanisierenden Veränderungen und hielt in seinen Gemälden das ländliche architektonische Erbe fest. Einen kleinen, aber qualitativ wichtigen Bestandteil seines Werks bilden die Stillleben, Interieurs und Familienszenen. Als unermüdlicher und geschulter Zeichner hinterließ Richard Pietzsch außerdem eine große Anzahl von Kohlezeichnungen, Aquarellen und Pastellen, die seine stilistische und motivliche Vielseitigkeit dokumentieren.

Stilistische Einordnung

„Richard Pietzsch ist ein charakteristischer Vertreter der Münchner Plein-air-Malerei. Die frühen Werke bis kurz nach der Jahrhundertwende zeigen mit ihrem tonigen Kolorit und den stimmungsvoller Naturmotiven noch den Einfluss Stucks. Danach entwickelt Pietzsch einen impulsiven, kraftvollen Strich, der die Herkunft aus dem französischen, besonders aber dem süddeutschen Impressionismus nicht verleugnet. Die Vitalität, manchmal fast peitschende Bewegtheit der Malweise ist (…) vergleichbar mit dem Werk der Berliner Max Liebermann und Fritz von Uhde.“ (Ulrich Bischoff).[9] In den späten zwanziger und dreißiger Jahren beruhigt sich der Stil zugunsten einer die Flächen ausbalancierenden Komposition und eines dünnflüssigeren, fein nuancierenden Farbauftrags. Werke von Richard Pietzsch befinden sich u. a. im Besitz folgender Museen: Galerie Neue Meister Dresden, Villa Romana Florenz, Städel Museum Frankfurt, Bayerisches Armeemuseum Ingolstadt, Stadtarchiv Halle, Neue Pinakothek München, Städtische Galerie im Lenbachhaus München, Münchner Stadtmuseum, Oberhausmuseum Passau, Historisches Museum Regensburg sowie im Besitz von Städten und Gemeinden des Isartals.

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Zils (Hrsg.): Geistiges und künstlerisches München in Selbstbiographien. Kellerer, München 1913, S. 280 (Digitalisat).
  2. Thomas Föhl und Gerda Wendemann (Hrsg.): Ein Arkadien der Moderne? 100 Jahre Künstlerhaus Villa Romana in Florenz. Eine Ausstellung der Villa Romana e.V. in Kooperation mit der Klassik-Stiftung Weimar und der Deutsche-Bank-Stiftung, Berlin 2005, S. 46 f.
  3. Yvette Deseyve: Der Künstlerinnen-Verein München e.V. und seine Damen-Akademie. Eine Studie zur Ausbildungssituation von Künstlerinnen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. München 2005, S. 199.
  4. Dorle Gribl, Thomas Hinz: Leben in Thalkirchen. Geschichte eines Münchner Stadtteils 1900-1990. München 1990, S. 61.
  5. .
  6. Ausstellungskatalog des Münchner Kunstvereins: Richard Pietzsch zum 85. Geburtstag 1957.
  7. Gösta Lilja, Bror Olsson, Knut Andersson u. a. (Hrsg.): Svensk Konstnärslexikon. Allhelms-Verlag 1952-1967, Band 5, S. ?.
  8. Jeanine Fiedler: Moholy-Magy, Sybil. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-00198-2, S. 701 f. (Digitalisat).
  9. in: Bruckmanns Lexikon der Münchner Kunst: Münchner Maler im 19./20. Jahrhundert. Band 6, München 1994, S. 182.

Literatur

  • Ausstellungskatalog: Richard Pietzsch. Gemälde als Zeitgeschichte. Ausstellung der Galerie von Abercron München, 1987
  • Ausstellungskatalog: Gedächtnis-Ausstellung Joseph Jaekel, Richard Pietzsch, Erich Seidel, Baukunst-Galerie des Gerling-Konzerns Köln, 1988 (mit einem Vorwort von Günther Ott)
  • Ausstellungskatalog: Richard Pietzsch. Katalog II. Arbeiten auf Papier. Ausstellung der Galerie von Abercron München, 1992
  • Ausstellungskatalog: Richard Pietzsch. Arbeiten auf Papier. Ausstellung der Galerie Les Arts, Rottach-Egern, 1993
  • Peter Breuer: Münchener Künstlerköpfe. München, o. J. (1937), S. 40–42
  • Ulrich Christoffel : Richard Pietzsch, in : Die Kunst 87, 1943, S. 39–45
  • Walter Frei: Malerisches Erbe zwischen Isar und Loisach, München 2018, ISBN 9783777432120
  • Wilfried Hartleb: Richard Pietzsch. Ein Maler unterwegs zwischen Vornbach und Passau. Zeichnungen aus dem Sommer 1929. Katalog zur Ausstellung in der Landkreisgalerie Passau, Schloß Neuburg am Inn. Herausgegeben vom Landkreis Passau, Kulturreferat, 2015, ISBN 978-3-939723-48-6
  • Friedrich Jansa: Deutsche Bildende Künstler in Wort und Bild. Leipzig 1912, S. 448
  • Horst Ludwig: Münchner Landschaftsmalerei im 19. und 20. Jahrhundert, Folge 17 Nach- und Spätimpressionismus, Teil I: Nachimpressionisten. In: Weltkunst, Heft 4, 15. Februar 1990, S. 328–331.
  • Horst Ludwig: Vom Blauen Reiter zu Frisch gestrichen, München 1997, S. S. 127 f und S. 349
  • Eugen Kalkschmidt: Richard Pietzsch. In: Westermanns Monatshefte 78, 1933/34, Januar-Heft 1929, S. 401–408
  • Richard Pietzsch: Gemälde. Landschaften, Stadtbilder, Stillleben. Katalog der Galerie von Abercron. Mit Werkbeispielen, Biographie und Literaturverzeichnis Zum Download als pdf
  • Juliane Roh: 50 Jahre Malerei im bayerischen Raum, in: Das Kunstwerk 7, 1953, S. 3–28
  • Karl Friedrich Selle: Richard Pietzsch, in: Die Kunst 27. 1913, S. 306–312
  • Georg Jacob Wolf: Richard Pietzsch, in: Kunst und Künstler in München. Studien und Essays (= Über Kunst der Neuzeit 12. Heft), Straßburg 1908, S. 102
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