Renierit

Renierit (ehemals Reniérit) ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“. Es kristallisiert im tetragonalen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung (Cu1+,Zn)11Fe4(Ge4+,As5+)2S16[1]. Die in den runden Klammern angegebenen Elemente Kupfer und Zink bzw. Germanium und Arsen können sich dabei in der Formel jeweils gegenseitig vertreten (Substitution, Diadochie), stehen jedoch immer im selben Mengenverhältnis zu den anderen Bestandteilen des Minerals.

Renierit
Renierit aus der Typlokalität Kipushi Mine, Katanga, Demokratische Republik Kongo (Größe: 7,5 cm × 5,0 cm × 4,3 cm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2007 s.p.[1]

IMA-Symbol

Ren[2]

Andere Namen

ehemals Reniérit

Chemische Formel (Cu1+,Zn)11Fe4(Ge4+,As5+)2S16[1]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfide und Sulfosalze – Metall : Schwefel (Selen, Tellur) = 1 : 1
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

II/B.03b
II/C.10-010

2.CB.35
02.09.04.01
Ähnliche Minerale Colusit, Germanit, Bornit
Kristallographische Daten
Kristallsystem tetragonal, pseudokubisch
Kristallklasse; Symbol tetragonal-skalenoedrisch; 42m[3]
Raumgruppe P42c (Nr. 112)Vorlage:Raumgruppe/112
Gitterparameter a = 10,6226(5) Å; c = 10,5506(8) Å[4]
Formeleinheiten Z = 2[4]
Häufige Kristallflächen {111}
Zwillingsbildung ausgeprägt
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 3,5[5] bis 4,5[6] (VHN25 = 340 bis 363[5])
Dichte (g/cm3) gemessen: 4,38; berechnet: 4,4[5]
Spaltbarkeit keine
Bruch; Tenazität uneben
Farbe bronzebraun, orangebraun
Strichfarbe dunkelgrau
Transparenz undurchsichtig
Glanz Metallglanz
Magnetismus moderat bis deutlich, teilweise polar[7]
Kristalloptik
Doppelbrechung δ = schwach[8]
Weitere Eigenschaften
Besondere Merkmale polierte Oberfläche zeigt häufig Zwillinge und Anisotropie

Renierit findet sich meist in Form körniger bis derber Mineral-Aggregate, entwickelt aber auch kleine unregelmäßige oder würfelförmige Kristalle bis etwa drei Millimeter Größe von bronzebrauner bis orangebrauner Farbe und metallischem Glanz.

Etymologie und Geschichte

Benannt wurde das Mineral nach dem belgischen Geologen Armand Marie Vincent Joseph Renier (1876–1951).

Der erste Fund wurde 1928 als kleine, auffällige Körner in einen sulfidischen Erz von G. Thorreau[9] beschrieben und falsch interpretiert. Er verglich das Material mit „orangem Bornit“.[10] Spätere Fehldeutungen folgten und erstmals korrekt beschrieben wurde der Renierit 1948 durch Johannes Franciscus Vaes (1902–1978)[11].

Die ursprünglich von Vaes gewählte Schreibweise Reniérite ist seit 2008 diskreditiert, da sich der Namensgeber ohne Akut über dem ‚e‘ schreibt und es sich daher um ein überflüssiges diakritisches Zeichen handelt.[12]

Als Typlokalität gilt die Kipushi Mine (Koordinaten), ehemals Prince Léopold Mine, Kipushi, Provinz Haut-Katanga, in der Demokratischen Republik Kongo.

Klassifikation

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Renierit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung der „Sulfide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : Schwefel, Selen, Tellur  1 : 1“, wo er zusammen mit Mawsonit die „Renierit-Reihe“ mit der System-Nr. II/B.03b innerhalb der „Luzonit-Germanit-Gruppe“ (II/B.03) bildete.

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[13] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Renierit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Metallsulfide, Metall : Schwefel = 1 : 1 (und ähnliche)“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach den in der Verbindung vorherrschenden Metallen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „mit Zink (Zn), Eisen (Fe), Kupfer (Cu), Silber (Ag)“ zu finden ist, wo es zusammen mit Catamarcait, Hemusit, Kiddcreekit, Morozeviczit, Polkovicit und Vinciennit die „Hemusitgruppe“ mit der System-Nr. 2.CB.35.a bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Renierit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfidminerale“ ein. Hier ist er zusammen mit Germanit, Maikainit und Ovamboit in der „Germanitgruppe“ mit der System-Nr. 02.09.04 innerhalb der Unterabteilung „Sulfide – einschließlich Selenide und Telluride – mit der Zusammensetzung AmBnXp, mit (m+n):p=1:1“ zu finden.

Kristallstruktur

Vereinfachte Struktur von Renierit, die c-Achse zeigt nach oben,
_ S _ Zn _ Cu _ Fe _ Ge[4]

Renierit kristallisiert im tetragonalen Kristallsystem in der Raumgruppe P42c (Raumgruppen-Nr. 112)Vorlage:Raumgruppe/112 mit den Gitterparametern a = 10,62 Å und c = 10,55 Å sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3] Dabei sind aber nicht alle Metallionenplätze vollständig besetzt und Kupfer kann Zink substituieren.[4] Die Struktur lässt sich als Mischkristallreihe zwischen den Endgliedern Cu10ZnGe2Fe4S16 und Cu11GeAsFe4S16 schreiben. Dabei wird Zn(II)+Ge(IV) durch Cu(I)+As(V) ersetzt.

Eigenschaften

Renierit-Kristalle täuschen durch polysynthetische Verzwillingung (wiederholte lamellare Aneinanderreihung) die höhere Symmetrie des kubischen Kristallsystems vor. Man nennt solche Kristalle daher pseudokubisch. Die bis zu 3 mm großen Kristalle, normalerweise aber Körner im sub mm-Bereich, erscheinen so als Tetraeder.[7]

Bildung und Fundorte

Renierit aus Tsumeb, Namibia (Größe: 3,4 × 2,4 × 1,7 cm)

Renierit bildet sich durch hydrothermale Vorgänge in germaniumhaltigen Lagerstätten. Begleitminerale sind unter anderem Bornit, Chalkopyrit, Digenit, Enargit, Germanit Sphalerit und Tennantit.

Als seltene Mineralbildung konnte Renierit nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden, wobei bisher (Stand 2015) rund 30 Fundorte als bekannt gelten.[14] Seine Typlokalität Kipushi Mine ist dabei der bisher einzige bekannte Fundort in der Demokratischen Republik Kongo.

Weitere Fundorte sind unter anderem Catamarca in Argentinien; Tasmanien in Australien; Dobritsch (ehemals Hadschilogu Pasardschik) in Bulgarien; Provence-Alpes-Côte d’Azur in Frankreich; auf Sardinien in Italien; auf Honshū in Japan; der Otjikotosee und die Region Otjozondjupa in Namibia; Salzburg und die Steiermark in Österreich; in der nördlichen Kaukasus-Region in Russland; in der Zentralprovinz von Sambia; Asturien in Spanien; sowie Colorado in den USA.[15]

Verwendung

Renierit besitzt auf Grund seines Germaniumgehaltes von etwa 6 % eine Bedeutung als Rohstoff für die Gewinnung dieses Elementes.[16]

Siehe auch

Literatur

  • J. F. Vaes: La reniérite (anciennement applelée «Bornite orange») Un sulfure germanifère provenant de la Mine Prince-Léopold, Kipushi (Congo Belge). In: Annales de la Société Géologique de Belgique. Band 72, 1948, S. 19–32 (französisch).
  • Michael Fleischer: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 35, 1950, S. 135–136 (englisch, rruff.info [PDF; 124 kB; abgerufen am 2. Februar 2023]).
  • Lawrence R. Bernstein, Daniel G. Reichel, Stefano Merlino: Renierite crystal structure refined from Rietveld analysis of powder neutron-diffrection data. In: American Mineralogist. Band 74, 1989, S. 1177–1181 (englisch, [PDF; 599 kB; abgerufen am 2. Februar 2023]).
Commons: Renierite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 1. Februar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. David Barthelmy: Renierite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 2. Februar 2023 (englisch).
  4. Lawrence R. Bernstein, Daniel G. Reichel, Stefano Merlino: Renierite crystal structure refined from Rietveld analysis of powder neutron-diffrection data. In: American Mineralogist. Band 74, 1989, S. 1177–1181 (englisch, [PDF; 599 kB; abgerufen am 2. Februar 2023]).
  5. Reniérite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 52 kB; abgerufen am 2. Februar 2023]).
  6. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  7. Joseph Murdoch: X-Ray Investigation of Colusite, Germanite and Renierite. In: American Mineralogist. Band 24, 1953, S. 794–801 (englisch, minsocam.org [PDF; 461 kB; abgerufen am 2. Februar 2023]).
  8. L. Bernstein: Renierite, Cu10ZnGe2Fe4S16-Cu11GeAsFe4S16: a coupled solid solution series. In: American Mineralogist. Band 71, 1986, S. 210–221 (englisch, minsocam.org [PDF; 1,5 MB; abgerufen am 2. Februar 2023]).
  9. G. Thorreau: Le Giement Prince Leopold, Kipushi, Katanga. In: Mémoires de l’Institut géologique de l'Université de Louvain. Band 4, Nr. 3, 1928, S. 273 (französisch).
  10. Joseph Murdoch: Microscopical Determination of the Opaque Minerals. Wiley & Sons, New York 1916, S. 425–426 (englisch).
  11. J. F. Vaes: La reniérite (anciennement applelée «Bornite orange») Un sulfure germanifère provenant de la Mine Prince-Léopold, Kipushi (Congo Belge). In: Annales de la Société Géologique de Belgique. Band 72, 1948, S. 19–32 (französisch).
  12. Ernst A. J. Burke: Tidying up Mineral Names: an IMA-CNMNC Scheme for Suffixes, Hyphens and Diacritical marks. In: Mineralogical Record. Band 39, Nr. 2, 2008, S. 133 (englisch, cnmnc.main.jp [PDF; 2,8 MB; abgerufen am 2. Februar 2023]).
  13. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 2. Februar 2023 (englisch).
  14. Localities for Renierite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 2. Februar 2023 (englisch).
  15. Fundortliste für Renierit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 2. Februar 2023.
  16. Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 433 (Erstausgabe: 1891).
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