Reiten
Reiten bezeichnet die Fortbewegung des Menschen auf dem Rücken eines Tieres. Dabei kann es sich um Pferde, aber auch um andere Reittiere wie Esel oder Kamele handeln.
Pferde als Reittiere
Geschichte
Pferde spielten weltweit eine wichtige Rolle in der Menschheitsgeschichte, in Verkehr, Handel, Landwirtschaft und beim Militär.
Das Pferd wurde wahrscheinlich um 3500–3000 v. Chr. in Zentralasien domestiziert. Das geschah wohl unabhängig voneinander, an unterschiedlichen Orten.[1][2] Früheste Belege für domestizierte Pferde sind rund 5000 Jahre alt und befinden sich in der Botai-Kultur.[3] Es wurden Pferdezähne mit Verschleißspuren von Knochen- und Haartrensen sowie Pferche mit Pferdemist gefunden.[4] Außerdem fanden sich rund 5600 Jahre alte Tonscherben mit Resten von Kumys (vergorener Stutenmilch).[5] Erste Hinweise für regelmäßiges Reiten fanden sich an rund 5000 Jahre alten menschlichen Knochen, welche der Jamnaja-Kultur zugeordnet wurden.[6]
Die frühen Großreiche der Assyrer und Hethiter, und die Hurriter im Mitanni-Staat profitierten von der Nutzbarmachung des Pferdes im Krieg. Pferde kamen hierbei sowohl als Reit- als auch als Zugtiere (z. B. von Streitwagen) zum Einsatz. Ein Handbuch zur Ausbildung von Pferden stammt von Kikkuli aus dem 15. Jahrhundert v. Chr.
In dem Zeitraum von 1650 bis 1550 v. Chr. brachten die Hyksos durch die Eroberung Unterägyptens Pferde als Nutztiere nach Ägypten.[7] Sie zogen Streitwägen.
Reiternomadenvölker wie die Skythen besiedelten ab etwa dem 8./7. Jahrhundert v. Chr. die eurasischen Steppen nördlich des Schwarzen Meeres.
Im antiken Griechenland gelangte die Reitkunst in eine Blütezeit. Xenophons (ca. 430–354 v. Chr.) Werke Hipparchikos und Über die Reitkunst werden heute vielfach als Grundlage der Hippologie gesehen. Seine Grundsätze gelten heute noch als unverändert.
Angefangen in der Antike bis hin zur Neuzeit, galt die militärische Waffengattung Kavallerie als beherrschend, da sie sehr viel schneller und wendiger war als die Fußtruppen. Die Reitkunst ermöglichte es dem Reiter, das Tragtier auch als Waffe einzusetzen (so beim Pferd über die Kapriole als Befreiungsschlag). Die Kavallerie prägte auch den modernen Reitsport, der aus ihren Lehrmethoden hervorging.
Der Höhepunkt der Pferdenutzung wurde um 1910 erreicht, die Motorisierung war noch nicht weit fortgeschritten. Die Pferde bildeten im Ersten Weltkrieg die Basis der Infrastruktur.[8][9] Ebenfalls im Zweiten Weltkrieg spielten Pferde eine wichtige Rolle. Die Pferde der Wehrmacht waren als Armeepferde ein wichtiger Bestandteil des militärischen Transportwesens. In ihrer Masse war die Wehrmacht nicht motorisiert, sondern bespannt und beritten. Dies hatte technische, taktische und ökonomische Gründe.[10]
Ursprünglich als schnelle Reisemöglichkeit eingesetzt, ist Reiten heute in Industriestaaten hauptsächlich im Reitsport, in der Freizeitgestaltung sowie auch im therapeutischen Reiten gebräuchlich. Oft wird das Wanderreiten über Reitwege geführt. Daneben gibt es noch verbreitete Reiterstaffeln der Polizei sowie Kavallerieeinheiten der Armee zur Repräsentation, beispielsweise in Großbritannien und in Frankreich.
Ausbildung
Die meisten Pferde werden als Dreijährige eingeritten. Junge Pferde mit guter Grundausbildung sollten beim ersten Aufsitzen keine Angst bekommen. Sie werden im Voraus meist an den Sattel und das Gewicht auf dem Rücken gewöhnt und Ablongiert. Dann betrachten sie es einfach als eine weitere Übung und werden nur in Ausnahmefällen Abwehrreaktionen zeigen.
Einwirkung
Der Reiter kann auf verschiedene Weisen auf das Reittier einwirken. Die Einwirkungen werden Hilfen genannt. Zu diesen zählen Gewichtsverlagerung, Schenkeldruck, Zügel oder Leinen und die Stimme. Auch Hilfsmittel wie Gerten und Sporen dienen der Einwirkung. Dabei ist das Zusammenspiel der Hilfen für die Kommunikation mit dem Tier entscheidend, eine isolierte Hilfe ist wenig wirkungsvoll.
Gut ausgebildete, feinfühlige Tiere reagieren auf minimale, von außen kaum wahrnehmbare Hilfen. So erkannte der „Kluge Hans“, ein „rechnendes“ Pferd, anhand von Spannung und Erleichterung des Fragenstellers, wie oft er mit dem Huf klopfen sollte.
Ausrüstung
Den Reittieren werden verschiedene Arten von Sätteln aufgelegt, um dem Reiter einen möglichst komfortablen und sicheren Sitz zu geben und das Gewicht des Reiters möglichst gleichmäßig auf dem Rücken des Reittiers zu verteilen. Je nach Einsatzzweck gibt es verschiedene Arten von Sätteln. Ein Springsattel ermöglicht kürzere Steigbügel, was für das Springreiten notwendig ist. Ähnlich wie der Rennsattel, der es dem Jockey (Rennreiter) erlaubt, die größte Geschwindigkeit zu erreichen, indem er sich nach vorne lehnt. Ein Dressursattel erlaubt einen langen, tiefen Sitz. Der Westernsattel ermöglicht es dem Reiter, lange bequem zu sitzen.
Außerdem wird meistens ein Zaum oder ein Halsreifen verwendet und auf Hals und Kopf des Reittiers einwirken zu können.
Des Weiteren gibt es in jeder Sparte der Reiterei ganz unterschiedliches Zubehör. In fast allen Sparten zu finden ist Zubehör zum Schutz der Beine, wie Hufglocken, Gamaschen oder Bandagen zum Stützen der Sehnen, Gelenke und Bänder.
Auch sogenannte Hilfszügel finden sich regelmäßig wieder. Es gibt eine Reihe verschiedener Hilfszügel mit unterschiedlichen Einwirkungen. Alle Hilfszügel sollen dem Reiter dabei helfen, das Pferd in Anlehnung zu reiten, was Bestandteil der klassischen Ausbildungsskala von Pferden ist.
Reitweisen
In deutschen Pferdesportanlagen wird hauptsächlich eine Ausbildung als Dressur-, Spring- und Vielseitigkeitsreiter (Kombination aus Dressur-, Geländeritt und einem Springparcours) angeboten. Aber auch freizeitlich kann man an Ausritten teilnehmen. Die damit verbundene Reitweise wird oft auch die „Englische Reitweise“ genannt. Der sportliche Fachverband als Mitglied im Deutschen Olympischen Komitee ist die Deutsche Reiterliche Vereinigung.
In Amerika ist das Westernreiten verbreitet, das in Deutschland im „Ersten Westernreiter Union Deutschland e. V.“ (EWU) organisiert ist.
Die Reitweisen unterscheiden sich in der Hilfengebung sowie bei Ausrüstung von Pferd und Reiter. Gemeinsam haben sie jeweils zum Ziel, das Pferd schonend aufzubauen, sodass es das zusätzliche Gewicht ohne gesundheitliche Beeinträchtigung tragen kann.[11]
Pferde haben drei Grundgangarten: Schritt, Trab und Galopp. Bei manchen Rassen kommen auch weitere Gangarten vor, wie beispielsweise Pass oder Tölt, mit dem große Distanzen bequem zurückgelegt werden können. Im Trab und im Galopp hat ein Pferd eine „Schwebephase“, das heißt, es berührt mit keinem Bein den Boden.
Weitere Reittiere
Als Reittiere sind neben verschiedenen Pferderassen auch andere Pferdearten wie Esel, Maultiere oder Maulesel im Einsatz. Zebras wurden nur in Ausnahmefällen als Reittiere eingesetzt, da sie kaum zu zähmen sind.[12]
Ebenfalls geritten werden Elefanten und Altweltkamele (Dromedare, Trampeltiere). Kamele bewegen sich im Passgang, wobei die Beine nicht wie im Trab diagonal, sondern rechts und links paarweise bewegt werden.
Weniger häufig werden auch andere Tierarten als Reittiere verwendet. In nördlichen Regionen werden auch Rentiere und Elche geritten, beispielsweise bei den Ewenken.[13]
Auch Rinder, beispielsweise Wasserbüffel[14] und Yaks,[15] Kühe und Ochsen[16] können geritten werden.[17] Bullenreiten ist dagegen nur ein Rodeo-Wettbewerb.
Strauße dienen in neuerer Zeit als Reittiere für Touristen-Attraktionen. Gleiches gilt für Lamas, die von Kindern geritten werden können.[18]
Im Science-Fiction und Fantasy-Genre gibt es auch fiktive Reittiere wie Drachen, beispielsweise in Drachenreiter, Die Drachenkämpferin, Drachenreiter von Pern oder Eragon oder den Hippogreif in Harry Potter und der Gefangene von Askaban.
Siehe auch
Literatur
- Burchard Brentjes: Das älteste Reittier des Menschen. Berlin 1960.
Weblinks
- Linkkatalog zum Thema Reiten bei curlie.org (ehemals DMOZ)
Einzelnachweise
- Thomas Jansen u. a.: Mitochondrial DNA and the origins of the domestic horse. In: PNAS. Band 99, Nr. 16, 2002, S. 10905–10910. doi:10.1073/pnas.152330099 (Volltext (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Januar 2023. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.; PDF)
- Vera Warmuth u. a.: Reconstructing the origin and spread of horse domestication in the Eurasian steppe. In: PNAS. Online-Vorabveröffentlichung vom 7. Mai 2012, doi:10.1073/pnas.1111122109
- Alan K. Outram, N. A. Stear, R. Bendrey, S. Olsen, A. Kasparov, V. Zaibert, N. Thorpe, R. Evershed: The Earliest Horse Harnessing and Milking. In: Science. Band 323, 2009, S. 1332–1335.
- Hélène Martin, Dominique Armand: Das Pferd: Domestikation. In: Steppenkrieger. Reiternomaden des 7.–14. Jahrhunderts aus der Mongolei. Primus Verlag, LVR-Landesmuseum Bonn, 2012, S. 88 f. Auszug:"Die Fundorte, die als Wiege der Pferdehaltung vorgeschlagen wurden, liegen in Gegenden wie Ukraine und Kasachstan und sind zwischen 5000 und 6000 Jahre alt. Als Beispiel sei etwa die Siedlung Botai in Kasachstan genannt, die auf etwa 3700–3100 v. Chr. datiert wird und in der die ältesten Belege für die Domestikation des Pferdes gefunden wurden."
- Прорыв в прошлое
- Reitkultur: Menschen ritten erstmals vor 5000 Jahren auf Pferden. Abgerufen am 3. März 2023.
- Kurt Sethe: Neue Spuren der Hyksos in Inschriften der 18. Dynastie. In: Georg Steindorff (Hrsg.): Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde. Siebenundvierzigster Band. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1910, S. 73–86 (Digitalisat [abgerufen am 12. April 2016]).
- Rainer Pöppinghege: Tiere im Ersten Weltkrieg. Eine Kulturgeschichte. Rotbuch Verlag, Berlin 2014, ISBN 3-86789-200-8, S. 31.
- Isabel Stettin: Wie Front-Hund Stubby zum Helden wurde. Tiere im Ersten Weltkrieg. In: Süddeutsche Zeitung Online. Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH/ Süddeutsche Zeitung GmbH, 20. April 2014, abgerufen am 9. Mai 2020.
- Sie waren die wichtigsten Helfer der Wehrmacht. Pferde im Krieg. In: welt.de. 24. November 2016, abgerufen am 26. November 2016: „Das hatte technische, taktische und ökonomische Gründe. Zum einen waren Infanteriedivisionen, die nach wie vor das Rückgrat der deutschen Armee bildeten, mittlerweile mit zahlreichen schweren Waffen und anderem technischen Gerät ausgestattet. Beides musste transportiert werden. Der schnelle Bewegungskrieg, den die Wehrmacht führte, setzte zudem auch bei den Fußtruppen ein Maß an Mobilität voraus, wie sie im Ersten Weltkrieg – zumal im Stellungskrieg im Westen – selten verlangt worden war. Und die industriellen Möglichkeiten des Dritten Reiches, Kraftfahrzeuge, Betriebsstoff und Bereifung in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen, waren sehr begrenzt.“
- Wichtig sind hierbei vor allem eine artgerechte Haltung und die Vermeidung von Überforderungen beim Sport (Memento vom 14. Mai 2011 im Internet Archive)
- Valerii Glazko: An attempt at understanding the genetic basis of domestication. In: Animal Science Papers and Reports. 21 (2), 2003, S. 109–120
- Öl- und Gasreichtum gefährdet Ureinwohner und einzigartige Natur.
- Marajo – die Insel der Büffel. Carsten Upadek, WDR, 22. Dezember 2016.
- Der Yak als Last- und Reittier. Yakranch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)
- Sina reitet einen Ochsen, BR24, 2. Februar 2023
- Kühe reiten, agrarheute.com, abgerufen am 2. Februar 2023
- Lamatrekking