Rehbein-Linie

Die Rehbein-Linie Mündener Fahrgastschifffahrt war eine Binnenreederei mit Sitz in Fuldatal, die von 1971 bis 2019 bestand. Sie bot Ausflugsfahrten von Kassel, ab 2016 von Hann. Münden auf Fulda, Werra und Weser an.

Rehbein-Linie
Rechtsform
Gründung 1971
Auflösung 2019
Auflösungsgrund Betriebseinstellung aus Altersgründen
Sitz Fuldatal
Leitung Rudolf Rehbein (1970–ca. 2000/02)
Anna-Elisabeth Rehbein (ca. 2000/02–2019)
Mitarbeiterzahl max. 15
Branche Schifffahrt

Geschichte

Vorgeschichte

Nach dem Tod von Kapitän Ernst Ziege, dem Besitzer des Kasseler Schaufelraddampfers Elsa, führte der Schiffsführer Rudolf Rehbein den Betrieb des Schiffes für die Familie zunächst weiter. Als diese 1970 die finanziellen Mittel für eine Generalüberholung nicht aufbringen konnte, verkaufte sie den Dampfer an die Mindener Fahrgastschiffahrt.[1] Rudolf Rehbein nutzte die Marktlücke und machte sich 1971 mit einer eigenen Reederei in Kassel selbständig. Sitz des Betriebes wurde das an Fulda angrenzende Fuldatal.

Tourenprogramm

Von Kassel aus bot die Reederei regelmäßige Ausflugs- und Rundfahrten sowie Charterverkehre und Sonderfahrten an. Die Halbtagefahrten führten zum Fuldastausee, die Tagesfahrten nach Hann. Münden und die als „Zwei-Flüsse-Fahrten“ angebotenen Touren ins Weserbergland nach Bad Karlshafen.[2]

Entwicklung der Flotte

Ihr erstes Schiff, die 1952 gebaute und für 100 Passagiere zugelassene Wappen von Kassel, kauften die Inhaber gebraucht an der Donau und ließen sie über Land an den neuen Liegeplatz in Kassel transportieren.[3] Für die bevorstehende Bundesgartenschau 1981 in Kassel erwarb die Reederei zwei weitere Schiffe. Zunächst erweiterte 1979 die zwar ältere, aber größere und für 166 Passagiere ausgelegte Fuldatal die kleine Flotte, im nächsten Jahr wurde sie durch die 1928 gebaute und für 220 Passagiere noch größere Brüder Grimm verstärkt.[4] Die letztere vermarktete Rehbein als „Abenteuer- und Märchen-Raddampfer“, den er auch für Partyfahrten einsetzte.[5]

Die frühere Europa als Fritze B. im Jahr 2020

Eine erste Flottenerneuerung startete die Reederei 1988: Mit der 1988 angekauften Deutschland ersetzte er die beiden alten Schiffe Wappen von Kassel und Fuldatal. Die Deutschland war mit 381 Plätzen deutlich größer als die beiden Vorgänger und erhielt bundesweite Aufmerksamkeit, da Rehbein auf ihr eine Kegelbahn einbauen ließ. Der erste eigene Neubau war die Europa. Sie zeichnete sich durch ihren geringen Tiefgang aus, damit sie auch noch bei Niedrigwasser eingesetzt werden konnte, und ersetzte die Brüder Grimm.[6] Letzte Anschaffung war im Jahr 2000 die kleine, für 50 Fahrgäste zugelassene Stadt Münden, mit der Fahrten auf der Werra angeboten werden konnten.[7]

Generationenwechsel

Anfang der 2000er-Jahre zog sich der Firmengründer aus dem Unternehmen zurück und übergab die Reederei seinem Sohn Klaus-Dieter und dessen Frau Anna-Elisabeth, die Eigentümerin wurde. Etwa ab diesem Zeitraum begann ein Rückgang der Fahrgastnachfrage für Schiffsausflüge auf Fulda und Weser. Einige der dort ansässigen Unternehmen stellten ihren Betrieb ein, die Rehbein-Linie verkleinerte sukzessive ihre Flotte: 2011 verkaufte sie die Deutschland an die Saar, 2014 die Stadt Münden nach Polen.[6][8]

Letzte Jahre

Als die Kasseler Fuldaschleuse wegen baulicher Mängel ab Herbst 2016 nicht mehr genutzt werden durfte, verlegte die Rehbein-Linie die Europa von Kassel nach Hann. Münden.[9] Seitdem führten die Touren der Europa auf der Weser bis Veckerhagen und auf Wunsch bis Bad Karlshafen und zurück. Auf der Fulda war das Schiff bis Bonaforth unterwegs, bei Bedarf bis Spiekershausen.[10] Aufgrund eines nicht gefundenen Nachfolgers beendete die Rehbein-Linie mit dem Saisonende 2019 ihre Tätigkeit. Im letzten Geschäftsjahr der Reederei nutzten rund 12.000 Fahrgäste das Schiff für Ausflugsfahrten. In Hochzeiten hatte die Reederei bis zu 15 Angestellte beschäftigt.[11][8]

Schiffe der Rehbein-Linie

Name Baujahr Werft Vermessung Dienstzeit Anmerkungen, Verbleib
Wappen von Kassel 1952  ? 100 Passagiere 1971–1988 1970/71 gebraucht von der Donau gekauft und über Land nach Kassel transportiert; nach Außerdienststellung als Privatyacht mit Liegeplatz in Spiekershausen genutzt;[2][3]
Fuldatal 1937  ?, Leiden 166 Passagiere, 27,80 Meter 1979–1988 ex nl. Carolina, dt. Horst; 1979 Ankauf für Bundesgartenschau in Kassel; 1988 Maria Croon der Personenschifffahrt Maria Croon, 1995 Stadt Aurich des Verkehrsvereins Aurich;[12]
Brüder Grimm 1928  ? ca. 220 Passagiere 1980–1995 ex Colonia 4, Motorschiff im Mississippi-Look (Heckrad), 1995 nach Belgien verkauft: The Old Piper;[2][13]
Deutschland 1938  ?, Amsterdam 381 Passagiere, 36,02 Meter 1988–2011 ex Groß Mainz 1, Rheinperle; 1988 auf der Werft Gustavsburg neu aufgebaut; Einbau einer Kegelbahn; 2011 an die Saar verkauft;[2][14][8]
Stadt Münden 1992 Schiffswerft Willems, Emmeloord 50 Passagiere, 17,40 Meter 2000–2014 ex nl. Lentenfest, de Vrijstate II, Filia Mosae; 2000 Ankauf für Fahrten bis zur Schlagdspitze und zur Werra, 2014 nach Polen verkauft;[15][8]
Europa 1995 Schiffswerft Georg Placke, Aken 300 Passagiere, 30,38 Meter 1995–2019 auf Bestellung der Rehbein-Linie eigens als „Flachgänger“ mit Tiefgang von 0,60 Metern bestellt; letztes Schiff der Reederei; 2019 an die Nordstern Reederei verkauft; [2][16]

Nachfolgebetrieb

Mit Einstellung der Reederei 2019 fand auch die Fahrgastschifffahrt im Drei-Flüsse-Eck Fulda – Werra – Weser zunächst ihr Ende. Nach mehrjährigen Versuchen, einen Nachfolger für die Rehbein-Linie zu finden, präsentierte die Stadt Hann. Münden im Frühjahr 2020 einen neuen Betreiber. Seit 2020 bietet die Weserstein Touristik Schiffsfahrten von Hann. Münden aus an.[17]

Literatur

  • Dieter Schubert, Deutsche Binnenfahrgastschiffe. Illustriertes Schiffsregister, Welz Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-933177-10-3.
  • Britta Eichner-Ramm: Sinkende Nachfrage nach Schifffahrten in Hann. Münden, In: Göttinger Tageblatt vom 9. Oktober 2015 (Online-Version).
  • Axel Welch: Probleme bei der Personenschifffahrt: Steht die Dampferfahrt in der Region vor dem Aus? In: Hessische/Niedersächsische Allgemeine vom 28. April 2018 (Online-Version).
  • Michael Caspar: Rehbein-Linie: Fuldataler suchen Nachfolger, In: Göttinger Tageblatt vom 25. Juni 2018 (Online-Version).
  • Ekkehard Maass: Rehbein-Linie in Münden macht Schluss, In: Hessische/Niedersächsische Allgemeine vom 17. September 2019 (Online-Version).
  • Ekkehard Maass: Rettungsversuch gescheitert: Mündener Ausflugsschiff fährt künftig in Berlin, In: Hessische/Niedersächsische Allgemeine vom 11. Dezember 2019 (Online-Version).

Einzelnachweise

  1. Axel Schwarz: Der legendäre Kapitän des Dampfers Elsa: heute vor 50 Jahren starb Ernst Ziege. In: Hessische/Niedersächsische Allgemeine vom 12. Oktober 2016 (Online-Version).
  2. Schubert, S. 194.
  3. Wappen von Kassel bei binnenschifferforum.de.
  4. Am 1. Mai beginnt Saison der Fahrgastschiffe, In: Hessische/Niedersächsische Allgemeine vom 28. April 2011 (Online-Version).
  5. Wilhelm Hammermüller: Chronik von Sandershausen, Manuskript, Niestetal 1994, S. 24 (Online-Version).
  6. Eichner-Ramm.
  7. Sven Schreivogel: Klarschiff – Leinen los!, In: HMÜ aktuell vom 18. April 2019 (Online-Version).
  8. Caspar.
  9. Maass, 11. Dezember 2019.
  10. Welch.
  11. Maass, 17. September 2019
  12. Schubert, S. 280.
  13. The Old Piper – FGS bei binnenschifferforum.de.
  14. Deutschland – FGS – 04402700 bei binnenschifferforum.de.
  15. Stadt Münden (2) – FGS – 02206240 bei binnenschifferforum.de.
  16. Europa – FGS – 05803330 bei binnenschifferforum.de.
  17. Weserschifffahrt: Neuer Betreiber gefunden bei ndr1.de.
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