Regionalwert Aktiengesellschaft

Die Regionalwert Aktiengesellschaften sind Bürgeraktiengesellschaften der Social-Entrepreneurship-Bewegung,[1] die Betriebe von der ökologischen Landwirtschaft über die Lebensmittelverarbeitung bis zum Handel und zur Gastronomie finanzieren.

Leitbild und Idee

Ökonomisches Leitbild der Regionalwert AG ist die Subsistenzwirtschaft. Der Initiator Christian Hiß möchte aber nicht zurück zu einzelnen, sich selbst versorgenden Bauernhöfen, sondern die Idee auf ganze Regionen übertragen, die für die eigene Versorgung mit Lebensmitteln Sorge tragen. Das Ziel ist, Produzenten auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfung mit den Konsumenten und Anteilseignern in der Bürgeraktiengesellschaft zusammenzubringen. Die beteiligten Menschen sollen dadurch über ihre Versorgung mitentscheiden, so dass die lokale Ernährungssouveränität erhöht wird.[2] Dabei sollen Unternehmen unterstützt werden, die für viele Investoren wegen mangelnder finanzielle Rendite unattraktiv sind, aber sich verpflichten, soziale und ökologische Nachhaltigkeitsstandards einzuhalten[3][4] und damit einen „ökologischen Mehrwert“ erzeugen.[5] Daher wird sowohl der finanzielle Erfolg, als auch eine „auf Nachhaltigkeitskriterien basierende Rechenschaftslegung“ durchgeführt.[6][7] Durch unternehmerisches Handeln sollen so gesellschaftliche Problemstellungen gelöst werden und die Agrarwende vorangetrieben werden.[8]

Geschichte

Die erste Regionalwert-AG wurde 2006[9] in Eichstetten am Kaiserstuhl für den Regierungsbezirk Freiburg von dem Gärtner und Landwirt Christian Hiß gegründet. Sie verfügte 2011 über 500 Anteilseigner.[3] Mittlerweile gibt es Regionalwert-Aktiengesellschaften in den Räumen München,[10] Hamburg,[11][12][13][14][15] Rheinland (seit 2017)[16][17][18] und Berlin-Brandenburg.[19][20] In einigen weiteren Regionen wird an der Gründung gearbeitet,[21] zudem gibt es im Rhein-Main-Gebiet eine von der Regionalwert AG inspirierte Bürger-AG.[22]

Struktur

Die Regionalwert-AGs sind nach geltendem deutschem Aktienrecht strukturiert. Bürger und Organisationen (etwa Unternehmen, Kirchen, Stiftungen) können vinkulierte Namensaktien erwerben, deren Handel dadurch eingeschränkt wird. Das oberste Organ ist die Hauptversammlung, die Aktionäre werden durch einen Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand vertreten. Der Vorstand führt die Geschäfte. Die Betriebe der Land- und Ernährungswirtschaft, die mit Finanzkapital der Bürger ganz oder teilweise finanziert sind, werden Partnerbetriebe genannt. Sie sind nicht offizielles Organ der Aktiengesellschaft und haben zwar Rederecht, aber keine Stimmrechte in der Hauptversammlung.

Die Regionalwert Treuhand ist das Dach der Bürgeraktiengesellschaften. Sie vergibt die Nutzungsrechte an der geschützten Wort-Bild-Marke und berät interessierte Regionen.

Auszeichnungen

Der Initiator Christian Hiß wurde für die Gründung der ersten Regionalwert AG mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet.[23]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Madeleine Böhm, Simon Funcke: Die Regionalwert AG als Beispiel eines erfolgreichen regionalen Unternehmensnetzwerkes, Working Paper 09-2017, Zentrum für Erneuerbare Energien, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
  2. Christian Hiß: Bäuerliche Landwirtschaft – ein Vorbild für regionale Versorgungswirtschaften. In: Kritischer Agrarbericht 2017. ABL Verlag (kritischer-agrarbericht.de [PDF]).
  3. Felix Oldenburg: Wie Social Entrepreneurs wirken – Beobachtungen zum Sozialunternehmertum in Deutschland. In: Helga Hackenberg, Stefan Empter (Hrsg.): Social Entrepreneurship – Social Business: Für die Gesellschaft unternehmen, S. 119–132, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-17759-5, doi:10.1007/978-3-531-92806-7_7.
  4. Tobias Federwisch: Soziales Unternehmertum im ländlichen Raum: Perspektiven einer neuen Anpassungsstrategie. In: Swantje Grotheer, Arne Schwöbel, Martina Stepper (Hrsg.): Nimm's sportlich - Planung als Hindernislauf, ISBN 978-3-88838-389-2, Verlag der ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Hannover, S. 98–109.
  5. Birgit Weitemeyer: Eine neue Gemeinnützigkeit? Organisations- und Rechtsformen von Nonprofit-Organisationen. In: Annette E. Zimmer, Ruth Simsa (Hrsg.): Forschung zu Zivilgesellschaft, NPOs und Engagement: Quo vadis? Springer VS, Wiesbaden 2014, S. 41–62, ISBN 978-3-658-06177-7, doi:10.1007/978-3-658-06177-7_2.
  6. Miriam Rummel: Wer sind Social Entrepreneurs in Deutschland? Soziologischer Versuch einer Profilschärfung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-18366-4, doi:10.1007/978-3-531-94152-3. S. 42.
  7. Christian Hiß: Richtig rechnen! Durch die Reform der Finanzbuchhaltung zur ökologisch-ökonomischen Wende. oekom, München 2015, ISBN 978-3-86581-749-5.
  8. Jens Blankennagel: Regionale Bio-Aktie: Neues Unternehmen will Agrarwende vorantreiben. In: berliner-zeitung.de. 17. Mai 2019, abgerufen am 18. Mai 2019.
  9. Annette Jensen: Biobauer mit Aktiengesellschaft: Der Gemüse-Kapitalist. zeo2 2/2014.
  10. www.regionalwert-ag-isar-inn.de, abgerufen am 26. Mai 2019.
  11. Axel Schröder: Regionalwert AG Hamburg: Bürger retten Bauernhöfe. In: Deutschlandfunk, 16. Juli 2015.
  12. Bauern gründen Bürger-Aktiengesellschaft, Deutschlandfunk Kultur, Länderreport, 25. April 2019 (mp3).
  13. Steffen Preißler: 850 Hamburger investieren in regionale Lebensmittel. Hamburger Abendblatt, 8. März 2019.
  14. Frank Jung: Nord-Bündnis für die Agrarwende, Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag, 9. Januar 2019.
  15. www.regionalwert-hamburg.de, abgerufen am 26. Mai 2019.
  16. Regionalwert AG Rheinland. Abgerufen am 29. Januar 2017.
  17. Gunther Willinger: So geht Agrarwende von unten. In: Die Zeit, 15. April 2018.
  18. Annette Lübbers: Ökologisch, regional und fair: Die Regionalwert AG Rheinland unterstützt Biolandwirte durch Bürgeraktien. In: Publik-Forum 4/2018, S. 62.
  19. Regionalwert Berlin-Brandenburg, abgerufen am 26. Mai 2019.
  20. Ina Matthes:: Eine Aktie an Kuh und Kohl. In: Märkische Oderzeitung. 14. Juli 2018 (moz.de).
  21. www.regionalwert-treuhand.de, abgerufen am 26. Mai 2019.
  22. Dirk Posse: Zukunftsfähige Unternehmen in einer Postwachstumsgesellschaft. Eine theoretische und empirische Untersuchung. Vereinigung für Ökologische Ökonomie e.V., Heidelberg 2015, ISBN 978-3-9811006-2-4, S. 97 (voeoe.de [PDF; 1000 kB]).
  23. Christian Hiß wird erster „Social Entrepreneur der Nachhaltigkeit“, Rat für Nachhaltige Entwicklung, 2009.
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