Regelutilitarismus

Regelutilitarismus (englisch ‚rule utilitarianism‘) ist eine ethische Position, welche sich auf Prinzipien des Utilitarismus beruft. Der Regelutilitarismus wendet das Kriterium des größten allgemeinen Glücks auf Handlungsregeln an, jedoch nicht auf konkrete einzelne Handlungen. Der Regelutilitarismus kann deshalb als Antwort auf Kritiken am Akt- oder Handlungsutilitarismus gesehen werden. Selbst zählt er jedoch zu den Ethiken der Deontologie, da er mit Hilfe einer, zwar nach dem utilitaristischen Prinzip begründeten Regel, doch stets nur die Handlung selbst betrachtet, und nicht die konkreten Folgen einer Handlung, wie der Utilitarismus als eine Teleologie es tut.

Der Regelutilitarismus kann als Antwort auf Kritiken am Akt- oder Handlungsutilitarismus gesehen werden. Die Probleme des Handlungsutilitarismus (englisch ‚act utilitarianism‘) demonstriert das folgende Beispiel (nach R.B.Brandt): Herr Müller hat dem 12-jährigen Fritz versprochen, 10 Euro zu geben, wenn er seinen Rasen mäht. Nachdem der Rasen gemäht ist, fragt sich Herr Müller als guter Utilitarist, ob es denn der Maximierung des allgemeinen Glücks entspricht, wenn er Fritz das versprochene Geld gibt. Vielleicht sollte er das Geld der Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ spenden …

Das Vorgehen von Herrn Müller widerspricht den üblichen moralischen Intuitionen. Regelutilitaristen wie R.B. Brandt akzeptieren diese Kritik. Sie halten es für unzulässig, eine einzelne Handlung, die die Befolgung einer utilitaristisch gerechtfertigten Regel darstellt, ihrerseits noch einmal auf ihre utilitaristische Rechtfertigung zu überprüfen. Die einzelne Handlung (dass Herr Müller Fritz die versprochenen 10 € gibt) wird durch die Regel („Versprechen soll man halten“) gerechtfertigt, und nur diese Regel ist utilitaristisch zu rechtfertigen.

Andere Utilitaristen sehen keinen Grund für den Regelutilitarismus. Sie folgen darin Bentham. Dieser war der Ansicht, dass es für die Pflicht zur Einhaltung eingegangener Verpflichtungen in jedem Einzelfall auch eine handlungsutilitaristische Begründung gibt. Wenn jemand sein Versprechen nicht einhalte, dann richte er einen großen Schaden an, weil er damit die für Vertrauen und Berechenbarkeit sorgenden Institute des Versprechens und des Vertrages für die gesamte Gesellschaft untergrabe. Außerdem schade er seinem Ruf als zuverlässiger Partner und damit auch seinen eigenen Interessen.

Der Regelutilitarismus kann als Antwort auf die Kritik gesehen werden, dass der Handlungsutilitarismus Benthams eine Ethik der Mehrheit sei. Der Handlungsutilitarismus ließe dieser Kritik folgend Minderheitendiskriminierungen zu, wenn sie insgesamt die Tendenz haben, das aggregierte Glück aller Einzelnen, das Glück der Gesellschaft zu befördern. Der Regelutilitarismus lässt im Gegensatz dazu Minderheitendiskriminierungen moralisch insofern nicht gelten, als er Handlungsregeln fordert, welche von allen Individuen strikt eingehalten werden müssen.

Literatur

  • Richard B. Brandt: Ethical Theory, Englewood Cliffs, New Jersey: Prentice Hall 1959.
  • Richard B. Brandt: Some Merits of One Form of Rule-Utilitarianism, in: University of Colorado Studies in Philosophy 1967, 39–65, auch in: ders.: Morality, Utilitarianism, and Rights, Cambridge University Press, New York 1992, 111–36, (Einleitung; PDF; 745 kB)
    • dt. Übers. in: Otfried Höffe (Hg.): Einführung in die utilitaristische Ethik, München: C. H. Beck 1975, 2. A. UTB 1992, 121–132.
  • Richard B. Brandt: A Theory of the Good and the Right, Oxford 1979.
  • B. A. Brody: The Equivalence of Act and Rule Utilitarianism, in: Philosophical Studies 1967.
  • A. C. Ewing: What Would Happen if Everyone Acted Like Me?, in: Philosophy 28 (1953), 16–29.
  • Tom Hill Jr.: Assessing Moral Rules: Utilitarian and Kantian Perspectives, in: Philosophical Issues 15 (2005), 158–178.
  • Brad Hooker: Act-consequentialism versus Rule-consequentialism, in: Politeia 24 (2008), 75–85.
  • Brad Hooker: Right, Wrong, and Rule-consequentialism, in: Henry West (Hg.): Blackwell Guide to Mill’s Utilitarianism, Boston: Blackwell Publishers 2006, 233-48.
  • Brad Hooker: Ideal Code, Real World: A Rule-Consequentialist Theory of Morality, Oxford: Oxford University Press 2000.
  • David Lyons: Forms and Limits of Utilitarianism, Oxford 1965.
  • E. F. McClennen: The Rationality of Being Guided by Rules, in: A. R. Mele & P. Rawling (Hgg.): The Oxford Handbook of Rationality, New York: Oxford University Press 2004, 222–239.
  • Tim Mulgan: Future People, Oxford: Oxford University Press 2006.
  • John Rawls: Two Concepts of Rules, in: Philosophical Review 64 (1955), 3–22.
  • Samuel Scheffler: The Rejection of Consequentialism, Oxford: Clarendon Press 1982.
  • Michael Slote: Common-Sense Morality and Consequentialism, London: Routledge and Kegan Paul 1985.
  • J. J. C. Smart: Extreme and Restricted Utilitarianism, in: Philosophical Quarterly 6 (1956), 344-54, überarbeitet in: T. K. Hearn (Hg.): Studies in Utilitarianism, New York 1971, 251–64,
    • dt. Übers. in: Otfried Höffe (Hg.): Einführung in die utilitaristische Ethik, München: C. H. Beck 1975, 2. A. UTB 1992, 119–32.
  • A. K. Stout: "But Suppose Everybody Did the Same?", in: Australasian Journal of Philosophy 32, 1–29.
  • J. O. Urmson: The Interpretation of the Philosophy of J. S. Mill, in: Philosophical Quarterly 3 (1953), 33–39,
    • dt. Übers. in: Otfried Höffe (Hg.): Einführung in die utilitaristische Ethik, München: C. H. Beck 1975, 2. A. UTB 1992, 87–95.
  • Henry West: Mill's Moral Conservatism, in: Midwest Studies in Philosophy 1 (1976), 71–80.
  • Bernard Williams / J. J. C. Smart (Hg.): Utilitarianism. For and Against, Cambridge: Cambridge University Press 1973,
    • dt. Übers.: Kritik des Utilitarismus, Frankfurt/Main: Klostermann 1979.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.