Reformationsdenkmal (Stuttgart)

Das württembergische Reformationsdenkmal an der Hospitalkirche in Stuttgart ist eine Denkmalanlage, die 1917 aus Anlass der Vierhundertjahrfeier von Luthers Thesenanschlag geschaffen wurde. Das Denkmal wurde nach Plänen von Theodor Fischer von dem Bildhauer Jakob Brüllmann entworfen und in einheimischem Crailsheimer Muschelkalk ausgeführt.

Reformationsdenkmal, 2014.

Im Mittelpunkt der abgeschrankten Anlage thront der siegreich wiederauferstandene Christus mit der Siegesfahne. Ihn umgeben Sitzfiguren des Reformators Martin Luther und von Johannes Brenz, dem Reformator Württembergs, außerdem Reliefs mit Szenen aus dem bäuerlichen Leben und Reliefs und Inschriftentafeln aus dem Reformationszeitalter.

Das Stuttgarter Reformationsdenkmal, in Ausmaßen und Komposition ein Spiegelbild der sprichwörtlichen „schwäbischen Bescheidenheit“, kann sich zwar an Größe nicht mit dem „größten Reformationsdenkmal der Welt“,[1] dem Lutherdenkmal in Worms messen, es gilt aber zusammen mit dem Reformationsdenkmal in Genf als bedeutende und neuartige Weiterentwicklung des Denkmalgedankens,[2] nicht zuletzt deswegen, weil es anders als alle anderen Denkmäler nicht Luther, sondern den auferstandenen Christus in den Mittelpunkt stellt.

Aufbau

Teil der Südfassade der Hospitalkirche mit dem Reformationsdenkmal.
Lageplan des geplanten Reformationsdenkmals, Zeichnung von Theodor Fischer, 1902.[3]
1 Hospitalkirche
2 Reformationsdenkmal
3 Mittelportal
   4 Hospitalbrunnen
5 Rasenflächen
6 Hospitalplatz mit Allee

Das Langhaus der Hospitalkirche wurde im Zweiten Weltkrieg bis auf die Süd- und Westfassade zerstört. Das Denkmal lehnt sich an die verbliebene Südfassade des Langhauses. Die Westfassade musste in den fünfziger Jahren dem Neubau eines Verwaltungsbaus weichen. Aus dem gleichen Grund wurde die Südfassade zum Chor hin um zwei Achsen verkürzt, so dass nur noch fünf Wandfelder erhalten blieben.[4] Die vier äußeren Felder werden von Fenstern durchbrochen, das mittlere Feld wird von dem ehemaligen Südportal und einem darüberliegenden Fenster eingenommen.

Südfassade der Hospitalkirche von hinten. Das Denkmal liegt hinter dem linken Spitzbogenfenster.

Das Denkmal steht auf einem zweistufigen, niedrigen Podest von 4,50 × 7,25 Metern Ausdehnung[5] und ist dem hohen Fenster rechts des ehemaligen Südportals vorgelagert. Der auferstandene und siegreiche Christus thront im hellen Licht des dahinterliegenden Fensters, das den Auferstehungsgedanken unterstreicht. Links und rechts wird das Denkmal von den beiden Strebepfeilern gerahmt, die das Fenster flankieren. An die Pfeiler lehnen sich die Sitzfiguren von Johannes Brenz und Martin Luther. Die Wand zwischen der Christusfigur und den Reformatorenfiguren ist mit Inschriften und Reliefs besetzt. Die Postamente der Reformatoren sind mit einer niedrigen Brüstungsmauer verbunden, die den Denkmalbezirk bis auf einen breiten Mitteleingang abschrankt, wie dies auch bei größeren Grabdenkmälern der Zeit üblich war.

Der Hospitalplatz war früher mit einer Allee bepflanzt (siehe Lageplan), von der nur die Kastanienreihe an der Südfassade der Hospitalkirche übrigblieb. Der Erbauer des Neuen Hospitalhofs Arno Lederer plädierte 2010 für die Freistellung der Fassade und des halbversteckten Reformationsdenkmals. Die gefällten Bäume sollten durch eine Baumreihe auf der gegenüberliegenden Straßenseite ersetzt werden.[6] Dieser Vorschlag wurde jedoch abgelehnt.[7]

Christus mit der Siegesfahne

Die Figur des siegreich wiederauferstandenen Christus thront auf einem etwa 3 Meter hohen Unterbau, der wie die Reformatorenfiguren mit dem Kappgesims der beiden flankierenden Strebepfeiler abschließt. Die Figur Christi ist mit etwa 2,30 Meter etwas höher als die Reformatorenfiguren mit 1,90 Metern Höhe.[8]

Ein Bein der halb knienden Figur ist wie in Sitzhaltung rechtwinklig abgewinkelt, während das andere mit dem Knie den Boden berührt. Die dadurch entstehende scheinbare Schreitbewegung deutet darauf hin, dass Christus gerade erst dem Grabe entstiegen ist. Das körperlange, wehende Gewand legt sich in strenge, schwungvolle Falten, die den „Eindruck des Emporschwebens“[9] unterstützen.

In der rechten Hand hält Christus die Siegesstandarte, das Zeichen seines Sieges über den Tod. Der reich gedrechselte Fahnenstock trägt ein starres Querbanner von schmaler länglicher Form, das in einem zweizipfligen Schwalbenschwanz endet. Christus hält die Fahne, die fast die Breite des dahinterliegenden Kirchenfensters einnimmt, hinter seinem Kopf, so dass sein Gesicht nicht verdeckt wird. Die Standarte zeigt das kreuztragende Lamm als Symbol des Kreuzestods Christi, den Abendmahlkelch mit schwebender Hostie sowie zwei Rosetten, zwei fünfzackige Sterne und andere, nicht gedeutete Ornamente.[10]

Unterbau

Der Unterbau der zentralen Christusfigur besteht aus einer Inschriftentafel, symbolischen Figuren der vier Evangelisten und dem Sarkophag, auf dem Christus thront.

Die Inschriftentafel trägt einen Ausspruch Jesu:

„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Johannes 14, 5)

Der Sarkophag ruht auf blockhaft stilisierten Symbolfiguren der vier Evangelisten (Fußklötze), links Mensch und Löwe für Matthäus und Markus, rechts Stier und Adler für Lukas und Johannes.

Das „schwarze Loch“ zwischen den beiden Blöcken mit den Evangelistenfiguren kann als Symbol des Grabes angesehen werden, dem Christus entstiegen ist: „Die tief schattende Höhlung unter dem Sarkophag ist wesentlich dafür, die Christusfigur als »auferstehend« erscheinen zu lassen.“[11]

Sarkophagreliefs

Auf der Frontseite des Sarkophags ist die Grablegung des nackten Christusleichnams durch Josef von Arimathäa und Nikodemus dargestellt.

Die beiden Seitenreliefs des Sarkophags werden dominiert durch ein großes Rundmedaillon mit einem Tatzenkreuz als Symbol des Kreuzestods Christi, von dem ein Strahlenkranz ausgeht als Symbol seiner Wiederauferstehung. Die Ecken der Reliefs sind mit kleinen Rundmedaillons mit christlichen Symbolen besetzt.

Eckmedaillons (von links oben nach rechts unten).
Eckmedaillons (von links oben nach rechts unten).

Luther und Brenz

Die beiden Reformatoren, der Reformator Württembergs Johannes Brenz und der deutsche Reformator Martin Luther, sitzen Christus zu Füßen. Die Figuren enden auf der Höhe des Kappgesimses der beiden flankierenden Strebepfeiler, das gleichzeitig die Fußlinie der Christusfigur bildet. Die etwa 1,90 Meter hohen Statuen sind in sitzender Haltung dargestellt. Der lehnenlose Sitz ist mit einem quaderförmigen Sockel von etwa 1,10 Meter Höhe verbunden, der den Strebepfeilern vorgelagert ist. Einschließlich Sockel erreichen die Figuren eine Höhe von etwa 3 Metern.[12]

„Als historische Figuren unterscheiden sie sich von dem visionären Christus durch die volle Rundplastik und die porträtmäßige Ausgestaltung … “.[13] Beide Figuren tragen fußlange Talare und haben eine aufgeschlagene Bibel vor sich auf den Knien liegen. Der barhäuptige, bartlose Luther schaut mit fernem Blick in die Höhe, und seine rechte Hand „tut sich auf wie um eine Offenbarung zu fassen, zu halten, schriftbereit und gelöst von zusammengeballten Ringen“.[14] Der bärtige Brenz trägt ein Barett (das sogenannte „Brenzhütle“). Er blickt verinnerlicht und demütig auf die Bibel vor ihm; und während der linke Arm auf der Bibel ruht, weist er mit der rechten Hand auf sich selbst zurück.[15]

„Eine Schwierigkeit lag in der Parallelisierung von Luther und Brenz angesichts der überragenden geistigen und geschichtlichen Bedeutung Luthers. Der Künstler hat sie durch die durchdachte Kontrapost­stellung der beiden Figuren, der ihr geistiger Ausdruck entspricht, formell überwunden. … Brenz in ernstem sinnendem Nachdenken ist derjenige, der die Gedanken Luthers wie der heiligen Schrift »nach-denkt«, die Dinge an ihrem Maßstab mißt und die Kirche nach ihnen ordnet, Luther ist der ursprüngliche Feuergeist, dem in höchster Anspannung des inneren Ohrs die neue Anschauung aufgeht, die der Mund gedrungen ist, zu verkünden.“[16]

Brüstungsmauer

Linke Seite.
Rechte Seite.

Die beiden Stirnseiten der Brüstungsmauern tragen Reliefs mit bäuerlichen Darstellungen. Das linke Relief zeigt eine Frau mit einer Getreidegarbe im Arm. Sie unterhält sich mit einer Mutter, die mit ihren zwei Kindern unterwegs ist. Daneben sieht man eine pflanzende Frau und einen Sämann. Das rechte Relief zeigt einen Mann und eine Frau beim Pflügen mit einem Ochsen.

An der Seite trägt die Brüstungsmauer links die Inschrift:

„Eingeweiht im Beisein von König Wilhelm II. und Königin Charlotte am 24. Juni 1917.“

und rechts:

„Zum Gedächtnis der Jahrhundertfeier der Reformation 1917.“

Wandreliefs und -inschriften

In den Mauerfeldern zwischen dem Postament der Christusfigur und den Reformatorenfiguren sind Reliefs angeordnet, die Szenen aus dem Leben der beiden Reformatoren darstellen und verschiedene Inschriften zeigen. Die Reliefs wurden nach Entwürfen Jakob Brüllmanns von dem Bildhauer Eberhard Pfleiderer ausgeführt.[17] Sie sind teils verwittert, teils wurden sie im Zweiten Weltkrieg zerstört.

1.
Altes Schloss und Stiftskirche in Stuttgart.
Das Alte Schloss und die Stiftskirche symbolisieren den weltlichen und den geistlichen Ausgangspunkt der Reformation in Stuttgart. Das Alte Schloss war der Herrschaftssitz von Herzog Ulrich und Herzog Christoph, die die Reformation in Württemberg einführten. Die Stiftskirche war der geistliche Ort der Reformation.
2.
Wappen Herzog Christophs.
Das Relief zeigt das Wappen Herzog Christophs mit Jagdhorn und Greif als Helmzier. Nachdem Herzog Ulrich 1534 die Reformation in Württemberg eingeführt hatte, trieb sein Sohn Herzog Christoph die Konsolidierung der württembergischen Landeskirche voran, insbesondere durch den Erlass der Großen Württembergischen Kirchenordnung von 1559, an der Johannes Brenz maßgeblichen Anteil hatte.

Zum Vergleich: siehe Wappen aus der Zeit Herzog Ulrichs an der Alten Kanzlei in Stuttgart.

3.
Austeilung des Abendmahls.
Das Relief zeigt die Austeilung des Abendmahls an die Gläubigen. Das Abendmahl und die Taufe sind die beiden Sakramente des Protestantismus.
4.
Inschrift nach einem Ausspruch von Johannes Brenz:
„Die Lieb und der Fried’ ist die rechte Losung der Christen,
denn der Ursach halben wird Christus ihr Hauptmann ein Fürst des Friedens genennet.“[18]
5-6.
Oben: Rundmedaillon mit einem Tatzenkreuz.
Unten: Rundmedaillon mit dem Symbol einer segnenden Hand / als Schwurhand auch Symbol für die Gerichtsbarkeit


Beides zusammen stellt das Wappen der freien Reichsstadt (Schwäbisch) Hall dar, dem langjährigen Wirkungsort von Johannes Brenz.

7.
Nicht entzifferte Inschrift:
„… E … / .. ABLA[SS]“.
11.
Luther auf dem Reichstag zu Worms 1521.
Das Relief zeigt Luther und den Landknechtsführer Georg von Frundsberg auf dem Reichstag in Worms.[19] Dort soll dieser zu Martin Luther den Ausspruch getan haben: „Mönchlein, Mönchlein, du gehst einen schweren Gang!“.
12.
Inschrift nach einem Ausspruch Martin Luthers:
„Ich habs zu Dienst getan den lieben Christen und zu Ehren Einem,
der droben sitzt. Der mir alle Stund viel Gutes tut. Es ist alles seine Gnade.“[20]
13.
Lutherrose (Luthers Siegel) und Inschrift nach einem Ausspruch Martin Luthers:
„Ein jeder lern seine Lektion / so wird es wohl im Hause stohn“.[21]

Zum Vergleich: siehe Lutherrose.

14.
Ausschnitt aus dem Gemälde Luthers Predigt nach der Predella des Reformationsaltars von Lucas Cranach in der Stadtkirche zu Wittenberg.

Zum Vergleich: siehe Luthers Predigt in Wittenberg.

15.
Reichsadler.
Reichsadler, links und rechts unten ein kleines Wappen.
16.
Inschrift mit den Namen von drei Reformatoren:
Melanchthon / Oekolampad / Speratus“.
17.
Nicht entzifferte Inschrift:
„… 1521 …“ (1521 fand der Reichstag in Worms statt).

Zwei weitere, nicht erhaltene Reliefs zeigten links von der Christusstatue eine Szene, in der Johannes Brenz erstmals mit Martin Luther bei der Heidelberger Disputation 1518 zusammentrifft, und rechts ein Bild der Wartburg.[22]

Geschichte

Idee

Seit 1884 fanden in der Stuttgarter Liederhalle jährlich Lutherfeiern statt, in deren Mittelpunkt eine Lutherbüste von Adolf von Donndorf stand. Bei einer solchen Feier wurde 1903[23] die Errichtung einer Lutherstatue in Stuttgart angeregt, die zur Vierhundertjahrfeier der Reformation im Jahr 1917 fertiggestellt werden sollte.

Grundsätze

„Für das Stuttgarter Reformationsdenkmal ist es nun Theodor Fischer gelungen, gleichsam eine ganz neue Melodie zu greifen – neu im Verhältnis zu allen vorhandenen Lutherdenkmälern.“[24] Der Münchener Architekt Theodor Fischer, von 1901 bis 1908 Lehrer an der Technischen Hochschule in Stuttgart, schlug 1903 den Hospitalplatz als Aufstellungsort des Denkmals vor, weil von dort die protestantische Reformation in Stuttgart ausgegangen war.[25] Fischer folgte damit Adolf von Hildebrand, einem der führenden Bildhauer der damaligen Zeit, der in seiner Theorieschrift Das Problem der Form in der bildenden Kunst postulierte, Denkmäler nicht wie Fremdkörper an einen vorgegebenen Platz zu setzen, sondern eine passende Umgebung für sie auszuwählen und sie an die Umgebung anzupassen.[26] „Und in der Tat: Der räumliche Umfang des nicht zu großen Platzes an der Hospitalkirche, der intime Charakter, den ihm das alte Gemäuer der Kirche mit den grünenden Bäumen davor gibt, läßt ihn wie geschaffen erscheinen für ein Werk, das nachdrücklich die geschlossene organische Verbindung mit der Umwelt sucht, in die es hineingestellt werden soll.“[27]

Das Denkmal sollte nach den Ideen Fischers, dem jedes Schablonendenken zuwider war, kein reines Lutherdenkmal werden. „Auch der Gedanke, den er für das Denkmal zur Wahl gestellt hat, [beruht] auf einer völlig neuartigen Konzeption. Er beschränkt sich nicht auf das oft wiederholte Motiv einer einzelnen Freifigur, er denkt sich als machtvollen Mittelpunkt des Ganzen das Kreuz des Erlösers.“ Ähnlich wie bei den traditionellen Kreuzigungsgruppen sollten Christus zwei Personen zur Seite gestellt werden, jedoch nicht die Mutter Jesu und sein Jünger Johannes, sondern die beiden Reformatoren Luther und Brenz. Dadurch wurde das Denkmal zum Reformationsdenkmal, und durch das Hinzutreten von Johannes Brenz, den Reformator Württembergs, zum württembergischen Reformationsdenkmal.

Anders als die zur damaligen Zeit üblichen Denkmalanlagen, wie etwa die Kaiser-Wilhelm- und Bismarck-Denkmäler, vor allem aber das epochemachenden Lutherdenkmal in Worms von 1868, sollte die geplante Anlage nicht durch monumentale Ausmaße beeindrucken, sondern bescheidenem schwäbischem Maß entsprechen.

Wettbewerb

Christus mit der Siegesfahne von Hermann Lang, Friedenskirche in Ludwigsburg, vor 1907.

Schon 1906 legte der mit Fischer bekannte Münchener Bildhauer Hermann Lang einen Entwurf für das geplante Denkmal vor. Es dauerte sieben Jahre, bis die ursprüngliche Idee spruchreif und im Januar 1911 ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde. In der Ausschreibung hieß es: „Dargestellt soll werden Martin Luther, der deutsche Reformator und Johannes Brenz, der Reformator Württembergs, deren Figuren in einem künstlerischen Zusammenhang mit dem Kreuz Christi gebracht werden könnten.“[28] Der Vorschlag sollte jedoch nicht bindend sein. Von den 71 Beiträgen[29] kamen vier in die engere Wahl (siehe Abbildungen). Zu ihnen gehörte der Entwurf des Schweizer Bildhauers Jakob Brüllmann, der seit 1900 in Stuttgart lebte und mit seinem Entwurf nach den Plänen von Theodor Fischer aus dem Wettbewerb als Sieger hervorging. Er hatte in seinem Entwurf den gekreuzigten durch den auferstandenen Christus mit der Siegesfahne ersetzt. Möglicherweise hatte er sich durch den Goldenen Christus, ebenfalls ein Christus mit der Siegesfahne, inspirieren lassen, den der Mitbewerber Hermann Lang 1903 für die Friedenskirche in Ludwigsburg geschaffen hatte.

Einweihung

Das Denkmal wurde am 24. Juni 1917, dem Geburtstag von Johannes Brenz, mitten im Krieg eingeweiht und der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart als Eigentum übertragen.[30]

Zweiter Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Reformationsdenkmal ebenso wie die Hospitalkirche schwer beschädigt. Zwei Wandreliefs wurden ganz, andere teilweise zerstört. Die verlorenen Teile der Wandreliefs wurden nicht wieder wiederhergestellt. Die stark beschädigte Christusfigur wurde von dem Bildhauer Emil Brüllmann (1902–1988), dem Sohn des Künstlers, erneuert und 1962 der Kirchengemeinde übergeben. Zum 500. Geburtstag von Brenz wurde das Denkmal 1999 gereinigt und restauriert.[31]

Rezeption

Johannes von Merz, dem späteren Kirchenpräsidenten der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, verdanken wir eine treffende Charakterisierung der Grundgedanken, die Jakob Brüllmann bei der Komposition des Denkmals geleitet haben. Der Aufsatz von Merz, dem die folgenden Auszüge entnommen wurden, entstand 1917, im Jahr der Errichtung des Denkmals:

„Das Auszeichnende an Brüllmanns Konzeption war und ist sein Ineinanderschauen der formellen Gestaltung und der inhaltlichen Aufgabe, der durch den Architekturanschluß gegebenen Bedingungen und der Grundlinien des doch gegenüber der Architektur selbständigen Werkes. Die aufstrebenden Pfeiler der fein dimsionierten Kirchenwand und die sich zwischen ihnen bildende Nische gaben die entscheidende Anregung. In den lichten Raum zwischen den Schlagschatten der Pfeiler stellte sich für seine innere Bildkraft auf einem die Horizontale stark betonenden Unterbau die aufsteigende Gestalt des auferstehenden Christus, reliefmäßig sich vor dem Kirchenfenster ausbreitend und so die Darstellung der Bewegung in Stein ermöglichend. Auf die Figur überträgt sich die Aufwärtsbewegung der Pfeiler …; im Umriß wird … etwas von der Bewegung offenbar, die den Anbruch einer neuen Epoche der Geistesgeschichte, das ‚das Aufgehen eines neuen Tags für die Menschheit‘ bezeichnet. Damit hat der Künstler uns eine außerordentlich treffende Versinnlichung des Reformationsgedankens geschenkt …“[32]
„Die großen Teile der Komposition sind je in sich geschlossen, und doch verstand es der Künstler, ein unsichtbares Band um sie zu schlingen, das sie fest zusammenhält und die lebendigste Beziehung zwischen ihnen zu fühlen gibt. In schlichtem strengem Umriß stellen sich die Hauptmassen dar, nur der Sarkophag und die Siegesfahne, die die für die Komposition so wichtige Horizontale betonen, zeigen reicheres Ornament.“[33]

In seinem Kompendium der „Reformationsdenkmäler des 19. und 20. Jahrhunderts“ stellt Otto Kammer die Neuartigkeit von Jakob Brüllmanns Hauptwerk heraus:

„Das »eigentliche« Denkmaljahrhundert lässt sich recht exakt zwischen den Jubiläumsjahren 1817 und 1917 eingrenzen. Mit den Reformationsdenkmälern in Genf und Worms stehen am Ende noch einmal zwei wichtige Akzente, die zugleich Neues darstellen, nachdem wenige Jahre zuvor der große Wettbewerb in Coburg eine Art »Heerschau« der auslaufenden Epoche gebracht hatte.“[37]
„Bemerkenswert unter den Erstplatzierten war besonders der Entwurf von Georg Wrba aus Dresden, ein überlebensgroßer sitzender Luther mit aufgeschlagener Bibel unter einer Kreuzigungsszene, gerahmt von lebensgroßen halbplastischen Statuen Huttens, Melanchthons und zweier Kurfürsten. Möglicherweise war Wrba mit seiner Gestaltungsidee angeregt durch den Entwurf Brüllmanns für das Stuttgarter Denkmal, der zu dieser Zeit gerade bekannt geworden war.“[38]

Literatur

Allgemein

  • Wettbewerb für das württembergische Reformations-Denkmal in Stuttgart In: Deutsche Bauzeitung Band 45, 1911, Seite 24, online:.
  • Hils Vermessungen: Bestandsplan Hospitalhof Stuttgart. Stuttgart 2008, online:.
  • Thomas Borgmann: Streit über Bäume am Hospitalhof. In: Stuttgart-Zeitung.de vom 10. Dezember 2010, online:.
  • Chronik der Haupt- und Residenzstadt Stuttgart 1911. Stuttgart 1911, Seite 195–196.
  • Isabella Fehle (Hrsg.): Johannes Brenz 1499–1570. Prediger, Reformator, Politiker; Ausstellung im Hällisch-Fränkischen Museum, Schwäbisch Hall, 28. Februar bis 24. Mai 1999 und im Württembergischen Landesmuseum, Stuttgart, 11. Juni bis 3. Oktober 1999. Schwäbisch Hall 1999, Seite 17–20 (Reformationsdenkmal), 120-141 (Brenz als Stiftspropst in Stuttgart).
  • K. Hoffmann: Das württembergische Reformationsdenkmal an der Hospitalkirche in Stuttgart. In: Schwäbischer Merkur Nr. 289 vom 23. Juni 1917, Seite 3.
  • Ev. Pfarramt der Hospitalkirche Stuttgart (Hrsg.): Festschrift zur Einweihung der wiedererbauten Hospitalkirche Stuttgart am 21. Februar 1960. Stuttgart [1960], Seite 8, 10.
  • Otto Kammer: Reformationsdenkmäler des 19. und 20. Jahrhunderts, eine Bestandsaufnahme. Leipzig 2004, Seite 232, VIII.
  • Georg Kepp: Luther im Werk des Bildhauers Jakob Brüllmann. In: Kunst und Kirche Neue Folge, Band 17, 1940, Seite 8–10.
  • (ks): „In machtvoller Geschlossenheit und Schönheit“. 50 Jahre württembergisches Reformationsdenkmal an der Stuttgarter Hospitalkirche. – Erinnerung an die 400-Jahr-Feier. In: Stuttgarter Zeitung Nr. 252 vom 31. Oktober 1967, Seite 21.
  • Einweihung des württ. Reformationsdenkmals in Stuttgart. In: Schwäbischer Merkur Nr. 291 vom 25. Juni 1917, Seite 3–4.
  • Johannes Merz; Theodor Haering (Beitrag): Das württembergische Reformationsdenkmal Jakob Brüllmanns in Stuttgart. Stuttgart [1917], online:.
  • Winfried Nerdinger: Theodor Fischer, Architekt und Städtebauer. Berlin 1988, Seite 200, Nummer 73.
  • (oss): Hospitalviertel. Kompromiss im Streit um Bäume. In: Stuttgarter Zeitung vom 10. Februar 2011, Seite 22, online:.
  • Rudolf Pfleiderer: Das Reformationsdenkmal in Stuttgart. In: [Leipziger] Illustrirte Zeitung 149. Band, 1917, Nr. 3878 vom 25. Oktober 1917, Seite 599.
  • Paul Sauer: 500 Jahre Hospitalkirche. Stuttgart 1993, Seite 72, Bild 53.
  • Reformationsdenkmal in Stuttgart. In: Schweizerische Bauzeitung, Band 70, 1917, Seite 74, doi:10.5169/seals-33817.
  • Gerda Strecker (Redaktion), Helmut A. Müller (Hrsg.): 500 Jahre Hospitalkirche Stuttgart. Vom Dominikanerkloster zur Kirche in der City. Stuttgart 1993, Seite 44–45.
  • Gustav Wais: Die St.-Leonhardskirche und die Hospitalkirche zu Stuttgart. Eine Darstellung der beiden gotischen Kirchen mit baugeschichtlichen und kunstgeschichtlichen Erläuterungen. Stuttgart 1956, Seite 77, Bild 110.

Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule und Haus

Die Artikel im Christlichen Kunstblatt (chronologisch geordnet) zeichnen die Geschichte des Reformationsdenkmals chronologisch nach.

  • Johannes Merz: Luther und die bildende Kunst [Ansprache beim Stuttgarter Lutherabend in der Liederhalle am 10. November 1903]. Das Stuttgarter Reformationsdenkmal [Nachwort], Band 46, 1904, Seite 13–20.
  • August Pauly: Hermann Lang’s Bildhauerkunst, Band 48, 1906, April, Seite 97–102, zusätzliche Abbildungen: 103-105 (u. a. Entwurf zu einem Lutherdenkmal in Stuttgart).
  • Georg Kopp: Vom Stuttgarter Reformations-Denkmal. Mit einer Abbildung., Band 52, 1910, Seite 270–271, Abbildung: 261.
  • Wilhelm von Gemmingen: An das evangelische Volk Württembergs, Band 52, 1910, Seite 271 (Spendenaufruf für das Reformationsdenkmal).
  • H. Weizsäcker: Das Reformationsdenkmal für Württemberg, Band 53, 1911, Seite 24–27.
  • Wettbewerb für das württ. Reformationsdenkmal in Stuttgart, Band 53, 1911, Seite 31.
  • [David Koch]: Das Reformationsdenkmal in Stuttgart, Band 53, 1911, Seite 225–227, zusätzliche Abbildungen: 222, 223 (Preisträger des Wettbewerbs).
  • [David Koch]: Das Reformationsdenkmal in Stuttgart, Band 55, 1913, Seite 455–458.
  • Johannes Merz: Das württembergische Reformationsdenkmal, Band 59, 1917, Seite 130–136.
  • Theodor Haering: Reformatio aeterna – XVI. saeculi – hodierna (Vor Brüllmanns Reformationsdenkmal), Band 59, 1917, Seite 161 (Gedicht).
  • Wilhelm von Gemmingen: Das württembergische Reformationsdenkmal. Rede des Vorsitzenden des Denkmalausschusses bei der Weihfeier am 24. Juni 1917 am Denkmal, Band 59, 1917, Seite 162–163.
  • [David Koch]: Epilog. Nach der Aufstellung des Denkmals, Band 59, 1917, Seite 163–169, Abbildung: nach 160.
  • Johannes Merz: Der evangelische Kirchenbau in Württemberg, Band 61, 1919, Seite 322–338, hier: 338, 356.

Quellen

  • Julius Hartmann; Carl Jäger: Johann Brenz, nach gedruckten und ungedruckten Quellen, Band 1. Hamburg 1840, Seite 200, online:
  • Adolf von Hildebrand: Das Problem der Form in der bildenden Kunst. Straßburg 1893, online:.
Commons: Reformationsdenkmal (Stuttgart) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
  • Klinik-TV: Das Reformationsdenkmal in Stuttgart, youtube.

Fußnoten

  1. Siehe: Webseite der Stadt Worms.
  2. #Kammer 2004, Seite 13: „Das »eigentliche« Denkmaljahrhundert lässt sich recht exakt zwischen den Jubiläumsjahren 1817 und 1917 eingrenzen. Mit den Reformationsdenkmälern in Genf und Stuttgart stehen am Ende noch einmal zwei wichtige Akzente, die zugleich Neues darstellen.“
  3. Position und Grundriss des Denkmals geben nicht den 1917 realisierten Zustand wieder.
  4. #Hospitalkirche 1960, Seite 15.
  5. Messung im #Bestandsplan 2008.
  6. #Borgmann 2010.
  7. #oss 2011.
  8. Maße nach dem Aufriss in #Fehle 1999, Seite 18.
  9. #Merz 1917.2, Seite 5.
  10. Die Rose gilt u. a. als Zeichen der Vergebung durch Christus, der fünfzackige Stern ist ein Symbol der Wundmale Christi. Ob die Symbole hier in dieser oder einer anderen Bedeutung verwendet werden, ist nicht bekannt.
  11. #Merz 1917.2, Seite 8.
  12. Maße nach dem Aufriss in #Fehle 1999, Seite 18.
  13. #Merz 1917.2, Seite 4.
  14. #Koch 1913, Seite 458.
  15. Laut einem Zitat ohne Quellenangabe bei #Fehle 1999, Seite 18, soll Brenz in der rechten Hand eine Schriftrolle gehalten haben, die der „Landeskirche Recht und Ordnung auf Jahrhunderte geben“ sollte (Große Württembergische Kirchenordnung von 1559). Dies lässt sich jedoch auf keiner Abbildung nachvollziehen.
  16. #Merz 1917.2, Seite 4.
  17. #Merz 1917.2, Seite 5.
  18. Ausspruch von Johannes Brenz, Teilabdruck: #Hartmann 1840.
  19. #Kammer 2004, Seite 232.
  20. Nach Martin Luthers Sendbrief vom Dolmetschen: „Ebenso hab ich meine Ehre drinnen nicht gesucht, das weiß Gott, mein Herr, sondern hab’s zu Dienst getan den lieben Christen und zu Ehren einem, der droben sitzet, der mir alle Stunde soviel Gutes tut, daß, wenn ich tausendmal soviel und fleißig gedolmetscht, ich dennoch nicht eine Stunde verdienet hätte zu leben oder ein gesund Auge zu haben: Es ist alles seiner Gnaden und Barmherzigkeit …“.
  21. Martin Luther: Der Kleine Katechismus.
  22. #Merz 1917.2, Seite 5.
  23. #Merz 1904, Seite 17, #Weizsäcker 1911, Seite 24.
  24. #Merz 1904, Seite 18.
  25. #Gemmingen 1910.
  26. Siehe besonders: #Hildebrand 1893, Seite 98–101.
  27. #Weizsäcker 1911, Seite 25–26.
  28. #Wettbewerb 1911.
  29. #Fehle 1999, Seite 18.
  30. #Gemmingen 1917.
  31. #Kammer 2004, Seite 232, #ks 1967.
  32. #Merz 1917.2, Seite 3–4.
  33. #Merz 1917.2, Seite 7.
  34. #Kammer 2004, Seite 250.
  35. #Pfleiderer 1917: „Stuttgart ist seit der Thorwaldsen-Dannecker-Epoche um bedeutende Denkmäler nicht reicher geworden, das konventionelle Reiterstandbild Kaiser Wilhelm I. von Ruemann-Thiersch eingeschlossen.“
  36. Ein „Eigener Denkmalstyp“ unter den Denkmälern mit Personenensembles (#Kammer 2004, Seite 17).
  37. Wettbewerb in Coburg: 1912 wurde ein „Preisausschreiben für den Wettbewerb um das Luther-Denkmal auf der Feste Coburg“ ausgeschrieben, das zum Jubiläumsjahr der Reformation 1917 errichtet werden sollte. Zu dem Wettbewerb wurden 145 Entwürfe eingereicht, siehe Preisausschreiben Luther-Denkmal, 25. Mai 1913 – ein Sonntag, „Coburger Zeitung“ online über die „Bayerische Landesbibliothek“.
  38. #Kammer 2004, Seite 13, 92-93.

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.