Reflexionsprinzip (Stochastik)

Das Reflexionsprinzip,[1] auch Spiegelungsprinzip[2] oder Reflektionsprinzip[3] genannt, ist eine Aussage über Irrfahrten aus der Theorie der stochastischen Prozesse und somit der Wahrscheinlichkeitstheorie zuzuordnen. Das Reflexionsprinzip ist eine Folgerung aus der starken Markow-Eigenschaft und wird in unterschiedlichen Versionen formuliert, unter anderem für den Wiener-Prozess. Anschaulich liefert das Reflexionsprinzip eine Abschätzung für die Wahrscheinlichkeit, dass ein stochastischer Prozess vor einem gewissen Zeitpunkt einen vorgegebenen Schwellenwert bereits einmal überschritten hat.

Reflexionsprinzip für die symmetrische Irrfahrt

Gegeben sei eine Folge $(Y_{n})_{n\in \mathbb {N} }$ von unabhängig identisch verteilten sowie symmetrischen und reellwertigen Zufallsvariablen.

Sei $X_{0}:=0$ und

X_{n}:=\sum _{i=1}^{n}Y_{i}

Dann gilt für alle $n\in \mathbb {N}$ und alle $r>0$

P\left(\sup _{m\leq n}X_{m}\geq r\right)\leq 2P(X_{n}\geq r)-P(X_{n}=r)

Nehmen die $Y_{i}$ fast sicher Werte aus $\{-1,0,1\}$ an, so gilt für alle $r\in \mathbb {N}$ in der obigen Ungleichung Gleichheit.[4]

Reflexionsprinzip aus kombinatorischer Sicht

Wir betrachten Wege im $\mathbb {R} ^{2}$ die durch die geradlinige Verbindung von $n+1$ Punkten

$(0,s_{o}),\dots ,(n,s_{n})\in \mathbb {Z} ^{2}$ mit $s_{0}=0$

entstehen. Für $r\in \mathbb {Z}$ ist die Anzahl der Wege von $(0,0)$ nach $(n,r)$ gegeben durch

$b_{n,r}={\binom {n}{\tfrac {n+r}{2}}}$ .

Das Spiegelungsprinzip gibt nun folgende Aussage:

Satz

Sei $n\in \mathbb {(} N),k,r\in \mathbb {Z}$ . Bezeichne $a_{n,k,r}$ die Anzahl der Wege von $(0,0)$ nach $(n,k)$ welche die Gerade $y=r$ schneiden oder berühren. Dann gilt:

$a_{n,k,r}=a_{n,-k,-r}=b_{n,2r-k}$

Beweis

Sei $t_{r}=\min \limits _{j\in \{0,\dots ,n\}}\{s_{j}=r\}$ . Spiegeln wir nun den verbliebenen Wegteil von $(t_{r},n)$ bis $(n,k)$ an der Geraden $y=r$ , so erhalten wir einen neuen Weg von $(0,0)$ nach $(n,2r-k)$ . Auch dieser Weg berührt oder schneidet die Gerade $y=r$ . Auf diese Weise können die Wege bijektiv aufeinander abgebildet werden und die Behauptung folgt.

Reflexionsprinzip für den Wiener-Prozess

Sei $(W_{t})_{t\in \mathbb {R} ^{+}}$ ein Wiener-Prozess sowie $T>0$ und $r>0$ . Dann gilt[5][6]

P(\sup\{B_{t}\,|\,t\in [0,T]\}>r)=2P(B_{T}>r)=P(|B_{T}|>r)

.

Über die Dichte der Normalverteilung erhält man die weitere Abschätzung

P(|B_{T}|>r)\leq {\sqrt {\frac {4T}{2\pi r^{2}}}}\exp \left({\frac {-r^{2}}{2T}}\right)

.

Literatur

Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-36017-6, doi:10.1007/978-3-642-36018-3.
David Meintrup, Stefan Schäffler: Stochastik. Theorie und Anwendungen. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 2005, ISBN 978-3-540-21676-6, doi:10.1007/b137972.

Einzelnachweise

Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 363.
Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 520.
Meintrup, Schäffler: Stochastik. 2005, S. 364.
Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 363.
Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 480.
Meintrup, Schäffler: Stochastik. 2005, S. 366.

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[1] Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 363.

[2] Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 520.

[3] Meintrup, Schäffler: Stochastik. 2005, S. 364.

[4] Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 363.

[5] Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 480.

[6] Meintrup, Schäffler: Stochastik. 2005, S. 366.