Recht der halben Hofstatt

Das Recht der halben Hofstatt[1] bezieht sich auf die gemeinsame Benützung einer an oder auf der Grenze stehenden Gebäudemauer.[2]

Durch das „Recht der halben Hofstatt“ soll die volle bauliche Ausnutzung des Bodens bis an die Grenze erreicht werden. Die im eng verbauten Gebiet meist vorgeschriebenen und entsprechend dicken (teuren) Brandwände (Mittelmauern, Scheidemauern) müssen somit nur einmal erstellt werden.

Römisch-rechtliche Grundlagen

Das Recht, einen Balken in die Mauer des Nachbarn einfügen zu dürfen (servitus tigni immittendi) oder das eigene Gebäude auf bauliche Einrichtungen des Nachbarn zu stützen (servitus oneris ferendi) bestand bereits im Römischen Recht. Dieses Recht wurde auch Balkenrecht oder Tramrecht genannt. Es handelte sich im Römischen Recht dabei um Dienstbarkeiten (Servituten), die neben der üblichen Verpflichtung des Belasteten, die Handlungen des Berechtigten zu dulden und Widerhandlungen zu unterlassen, auch die positive (untergeordnete) Verpflichtung[3] enthielt, die Stützmauer (Scheidemauer) zu Gunsten des berechtigten Nachbarn ordentlich zu erhalten.[4] Seit Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches am 1. Januar 1912 ist die Errichtung eines Balkenrechts nicht mehr zulässig, da es gegen den sachenrechtlichen Numerus clausus verstößt und ohnehin im Widerspruch zu zwingenden bau- und feuerpolizeilichen Vorschriften stehen würde.[5]

Aktuelles Recht

Das Recht der halben Hofstatt ist z. B. noch in Art 101 Einführungsgesetz zum schweizerischen Zivilgesetzbuch (EGzZGB, St. Gallen) iVm Art 670 ZGB vorgesehen. Nach dieser Bestimmung kann derjenige, der ein Bauwerk zuerst errichtet (Ersterrichter), z. B. die Scheidemauer (Brandmauer) direkt auf die Grundstücksgrenze setzen. Der Nachbar hat für diese hälftige Nutzung seines Grundstücks keinen Entschädigungsanspruch. Er hat jedoch den Anspruch, wenn er selbst ein Gebäude errichtet, diese Scheidemauer als Stützmauer für seine Baute zu verwenden. Dem Ersterrichter hat er die Hälfte der Kosten für die Scheidemauer zu ersetzen. Die Nachbarn erhalten an der Scheidemauer Miteigentum zu gleichen Teilen.

Bevor die Scheidemauer vom zweitbauenden Nachbarn genutzt wird, hat der Ersterrichter daran das Alleineigentum, obwohl die Scheidemauer auf der Grundstücksgrenze steht und zum Teil in das Nachbargrundstück hineinragt. Das Akzessionsprinzip wird dadurch teilweise durchbrochen.[6]

Einzelnachweise

  1. Hofstatt. In: Deutsche Akademie der Wissenschaften der DDR, Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Deutsches Rechtswörterbuch. Band 5, Heft 9 (bearbeitet von Otto Gönnenwein, Wilhelm Weizsäcker, unter Mitwirkung von Hans Blesken). Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar (adw.uni-heidelberg.de Erscheinungsdatum zwischen 1952 und 1960). Danach handelt es sich beim historischen Begriff um einen „Grund für (zu erbauende oder bestehende) Gebäude ohne diese selbst“, „Hofplatz“, „Gehöft überhaupt, wo jemand wohnt“ etc. Die Bedeutung „Hofstatt“ ist nicht eindeutig.
  2. Recht auf halbe Hofstatt bei Ummauerung: „… ob yemantz sin gut uff dem feld oder in der stadt mit muren umbfachen wolte, dem sol der ander teil, so neben ime gelegen ist, halbe hofstatt geben, als auch das unzhar in den Stetten harkommen und Gewohnheit gewesen ist“ [„… wenn jemand sein Gut auf dem Feld oder in der Stadt mit Mauern umgeben will, dem soll der naheliegende Nachbar die halbe Hofstatt (den halben Grund) geben, als dies in den Städten Herkommen und Gewohnheit ist.“ Abh. SchweizR. 58, 13] 1741 BaselRQ. I 2 S. 968 (nr. 519 II, 1). Link: http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~cd2/drw/F8/baselrq2/g0968-0969.htm
  3. Servitus in faciendo consistere nequit (Dienstbarkeit kann nicht in einem Tun bestehen.)
  4. Die privatrechtliche Grundlast bzw. Reallast war dem Römischen Recht bis nach Justinian nicht bekannt.
  5. Vgl. Peter Liver, Zürcher Kommentar, Die Grunddienstbarkeiten, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Das Sachenrecht, Die Dienstbarkeiten und Grundlasten (Art. 730-792), 2. Aufl., Zürich 1980, Art. 741 ZGB N 57 ff. und N 57 ff.
  6. Nach diesem Prinzip ist alles, was nach der üblichen Verkehrsauffassung dauerhaft zur Hauptsache gehört und ohne die Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung nicht abgetrennt werden kann, in der Regel ein Bestandteil des Grundstücks, auf dem es liegt und nicht sonderrechtsfähig (dies sind z. B. Bauwerke, Quellen, angewurzelte Pflanzen, Früchte vor der Separation – Superficies solo cedit)

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