Rauschzahl

Die Rauschzahl, manchmal auch Rauschfaktor genannt, ist in der Nachrichtentechnik eine Kennzahl für das Rauschen eines linearen Zweitors, die den Quotienten der Signal-Rausch-Verhältnisse an dessen Eingang und Ausgang angibt. Ein Zweitor kann in diesem Zusammenhang beispielsweise eine Verstärkerstufe darstellen. Die Rauschzahl gilt nur unter den definierten Bedingungen und kann nicht direkt auf eine reale Schaltung übertragen werden. Zur Rauschzahl gehört die Angabe der Frequenz, für die diese gilt und ermittelt wurde. Ein Wert von 500 MHz ist üblich, da bei dieser Frequenz das 1/f-Rauschen vernachlässigbar ist.

Allgemeines

Signal- (S) und Rauschleistungen (N) am Eingang und am Ausgang eines Zweitors (schraffiert)

Der dem Eingangswiderstand des Zweitors angepasste rauschende Widerstand befindet sich auf einer Rauschtemperatur von 290 K. Dieser Temperaturwert, der ungefähr der Raumtemperatur entspricht, ist willkürlich gewählt und bezeichnet die Standard-Rauschzahl[1].

Am Eingang wird dem Zweitor eine Signalleistung und eine Rauschleistung zugeführt, deren Verhältnis das Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) des Einganges darstellt:

An seinem Ausgang gibt das Zweitor dann eine Signalleistung und eine Rauschleistung an die Impedanz ab. Bei einem ideal angenommenen, rauschfreien Zweitor ist das SNR des Ausgangs

gleich dem SNR des Eingangs .

Bei realen Zweitoren, wie beispielsweise einem elektronischen Verstärker mit dem Verstärkungsfaktor G, weist der Verstärker intern mit dem Generator nicht korrelierte Rauschquellen auf, wodurch das Signal-Rausch-Verhältnis am Ausgang immer geringer als das Signal-Rausch-Verhältnis am Eingang ist:

Die Herausforderung eines Verstärkers besteht in diesem Zusammenhang darin, dem Signal bei gegebener Verstärkung möglichst wenig Eigenrauschen hinzuzufügen, so dass das Nutzsignal S am Ausgang trotz Verschlechterung des Signal-Rausch-Verhältnisses über dem Rauschpegel der nachfolgenden Verarbeitungsstufen liegt. Dies kann nur durch eine Maximierung des Verhältnisses von Verstärkung zu hinzugefügter Rauschleistung erreicht werden. Da viele Maßnahmen, welche auf eine Verringerung der Rauschleistung abzielen, auch die Verstärkung herabsetzen, ist dieser Ansatz meist nicht zielführend. Stattdessen wird versucht, den Verstärkungsfaktor stärker zu erhöhen, als das Rauschen anteilig mitwächst, um so die Rauschzahl näher an Eins zu bringen.

Definition

Die Rauschzahl F ist gegeben durch das Verhältnis:

mit dem Verstärkungsfaktor G des Verstärkers, für den normalerweise gilt Liegt jedoch eine Dämpfung vor, wie beispielsweise bei einem Kabel, so ist

Häufig wird die Rauschzahl logarithmisch in Dezibel (dB) als Rauschmaß bezeichnet, was aber vermieden werden soll, da das Rauschmaß international in der HF Technik eine eigenständige und abweichende Definition besitzt, auch wenn das dies von der DIN ignoriert wird.

Da die Größen im Allgemeinen von der Frequenz abhängen, wird für die praktische Bestimmung der Rauschzahl im Rahmen der Rauschmessung eine hinreichend kleine Bandbreite gewählt, innerhalb der alle Größen über die Frequenz näherungsweise konstant sind. Damit wird die Rauschzahl zu einer Funktion der Frequenz, die dann auch als spektrale Rauschzahl F(f) bezeichnet wird.

Lineares Zweitor

Weiter ist es möglich, die Rauschzahl über die im linearen Zweitor zusätzlich erzeugte Rauschleistung zu beschreiben. Die ausgangsseitige Rauschleistung setzt sich zusammen aus der um verstärkten eingangsseitig zugeführten Rauschleistung und der im Zweitor erzeugten Rauschleistung :

Damit kann die Rauschzahl des linearen Zweitors dargestellt werden:

mit der durch das Zweitor zusätzlich eingebrachten Rauschzahl :

Bei idealen, rauschfreien Zweitoren ist

Demzufolge beträgt die Rauschzahl für das ideale, rauschfreie lineare Zweitor (frequenzunabhängig):

Kaskade

Werden mehrere Zweitore als eine Kaskade in Reihe geschaltet – dies ist beispielsweise bei einer Aneinanderreihung von Verstärkern entlang einer längeren Leitung der Fall – lässt sich die Rauschzahl Fg einer Kaskade mit n Zweitoren verallgemeinern zu:

Diese erweiterte Form der Rauschzahl wird auch als Friis-Formel bezeichnet.

Rauschtemperatur

Die Rauschzahl eines Zweitors lässt sich auch mit Hilfe der Rauschtemperatur Te ausdrücken:

Dabei ist T0 die Bezugstemperatur, die für die Standard-Rauschzahl mit 290 K festgelegt ist.

Ein idealer, rauschfreier Verstärker weist eine Rauschtemperatur von Te=0 K auf, was einer Rauschzahl von 1 entspricht. Ein realer Verstärker, der sich beispielsweise auf einer Rauschtemperatur von Te=290 K befindet, weist eine Rauschzahl von 2 auf, was bedeutet, dass sich das SNR am Ausgang des Verstärkers um 3 dB verschlechtert. Insbesondere für Eingangsverstärker und zur Erzielung eines hohen SNR ist es daher nötig, die Rauschtemperatur des Verstärkers möglichst niedrig zu halten.

Nichtlineares Zweitor

Nichtlineare Zweitore können die Spektren von Nutzleistung und Rauschleistung am Zweitoreingang so verändern, dass durch Filtermaßnahmen in günstigen Fällen Rauschzahlen kleiner als 1 entstehen können. Ein typisches Beispiel ist ein Demodulator für frequenzmodulierte Nutzsignale, der für Signal-Rausch-Verhältnisse am Eingang oberhalb eines Schwellenwerts ein verbessertes Signal-Rausch-Verhältnis am Demodulatorausgang produziert.

Traditionelle optische Rauschzahl

Die Rauschzahl beschreibt hier die Abnahme des Signal- zu Rauschverhältnisses eines kohärenten optischen Signals beim Durchgang durch einen optischen Verstärker. Dazu werden die Signal- zu Rauschverhältnisse des elektrischen Stroms betrachtet, den ein idealer Photodetektor mit der Quanteneffizienz 1 vor oder hinter dem optischen Verstärker liefern würde. Die in die S/N-Verhältnisse eingehenden elektrischen Leistungen sind also proportional zum Quadrat der entsprechenden optischen Leistungen.

Obwohl das Eingangssignal als ideal angenommen wird, ist seine Leistung infolge der Quantennatur der Photonen nicht völlig konstant, sondern variiert infolge des Schrotrauschens.

Zu dem bereits im Eingangssignal enthaltenen und im optischen Verstärker verstärkten Rauschen kommen weitere Rauschanteile hinzu, die im Verstärker entstehen. Meist dominiert dabei das Mischprodukt aus Signal und Superlumineszenz (ASE: Amplified spontaneous emission). Vernachlässigt man die weiteren Rauschanteile, so erhält man für den optischen Verstärker (EDFA) die Rauschzahl

mit

  • Leistungsdichte des ASE-Rauschens in W/Hz, gemessen als Summe von beiden Polarisationen
  • Verstärkungsfaktor
  • Plancksches Wirkungsquantum
  • Frequenz des optischen Eingangssignals in Hz

Für Raman-Verstärker gilt eine andere Formel, da entlang der Faser gleichzeitig Verstärkung und Dämpfung stattfindet.

Konsistente optische Rauschzahl

Die obige traditionelle optische Rauschzahl wurde in den 1990ern definiert.[2] Sie kann auch genannt werden für photon number fluctuations.[3][4] Die Leistungen, die für SNR- und Rauschfaktorberechnung benötigt werden, sind die elektrischen Leistungen, welche durch den Strom in einer Photodiode verursacht werden. Das SNR ist das Quadrat des mittleren Photostroms geteilt durch die Varianz des Photostroms. Monochromatisches oder ausreichend abgeschwächtes Licht hat eine Poissonverteilung detektierter Photonen. Wenn während eines Detektionszeitraums der Erwartungswert detektierter Photonen gleich ist, so ist die Varianz ebenfalls gleich und man erhält = = . Hinter einem optischen Verstärker mit Leistungsverstärkung erhält man einen Erwartungswert von detektierten Signalphotonen. Im Grenzfall von großen ist die Varianz detektierter Photonen , wobei der spontane Emissionsfaktor ist. Man erhält = = . Der resultierende optische Rauschfaktor ist = = .

ist in konzeptionellem oder Definitionskonflikt mit dem elektrischen Rauschfaktor, der jetzt genannt wird:

Der Photostrom ist proportional zur optischen Leistung. Die optische Leistung ist proportional zu Quadraten einer Feldamplitude (elektrisch oder magnetisch). Der Empfänger ist bezüglich Amplitude also nichtlinear. Die Leistungen, welche für die Berechnung von benötigt werden, sind proportional zur 4. Potenz der Signalamplitude. Doch für im elektrischen Bereich ist die Leistung proportional zum Quadrat der Signalamplitude.

Bei einer beliebigen elektrischen Frequenz gibt es Rauschen in Phase (I) und in Quadratur (Q) mit dem Signal. Diese beiden Quadraturen sind hinter dem elektrischen Verstärker verfügbar. Dasselbe gilt für einen optischen Verstärker. Aber der optische Direktempfänger, welcher für die Bestimmung von herangezogen wird, reagiert hauptsächlich aufs In-Phase-Rauschen, während das Quadraturrauschen für hohe vernachlässigt werden kann. Außerdem liefert der Empfängerausgang nur eine Quadratur. Eine von ursprünglich zwei Quadraturen geht also verloren.

In einem optischen Verstärker mit großem gilt ≥ 2, während für einen elektrischen Verstärker ≥ 1 gilt.

Der heutige faseroptische Weitverkehr wird durch kohärente optische I&Q-Empfänger dominiert, doch ist nicht der SNR-Verschlechterungsfaktor in diesen.

Ein weiterer optischer Rauschfaktor oder Rauschzahl für amplified spontaneous emission wurde definiert.[3] Doch der Rauschfaktor ist nicht der SNR-Verschlechterungsfaktor in jeglichem optischem Empfänger.

Die obigen Konflikte werden gelöst durch Herleitung von In-Phase-und-Quadratur-Rauschfaktor und -Rauschzahl .[5][6] Sie kann mit kohärenten optischen I&Q-Empfängern gemessen werden. In diesen ist die Leistung des Ausgangssignals proportional zum Quadrat einer optischen Feldamplitude, weil sie amplitudenlinear sind. Sie übertragen beide Quadraturen. Für einen normalen optischen Verstärker (z. B. EDFA) gilt = ≥ 1. Die Größe ist die eingangsbezogene Anzahl hinzugefügter Rauschphotonen pro Mode. ist konsistent, als exaktes Äquivalent der elektrischen Rauschzahl: lineares System, Empfänger für 1 Mode oder 2 verfügbare Quadraturen. Es gibt Gauß-Amplitudenrauschen eines normalen Verstärkers in beiden Quadraturen.

und können leicht ineinander umgerechnet werden. Für große gilt = oder, in dB ausgedrückt, ist 3 dB kleiner als . Die ideale in dB ist 0 dB. Dies beschreibt die bekannte Tatsache, dass die Empfindlichkeit eines idealen optischen I&Q-Empfängers durch einen optischen Vorverstärker nicht geändert wird.

Optische Homodynrauschzahl

Im elektrischen Bereich gibt es thermisches Quellrauschen, weshalb die Rauschzahl für Homodynempfänger dieselbe ist wie für normale Empfänger von In-Phase- und Quadratursignalen. Im optischen Bereich gibt es dagegen nur Detektionsrauschen, nämlich das Schrotrauschen. Da sind optische Homodynempfänger empfindlicher als optische In-Phase-und-Quadraturempfänger. Sie benötigen deshalb eine andere Rauschzahl als , nämlich die optische Homodynrauschzahl . Für einen normalen optischen Verstärker gilt = . Dem Wert nach ist gleich mit im optischen Direktempfänger, also einem nichtlineares System.

Allgemeingültige Rauschzahl

Elektrische Quellen erzeugen Rauschen mit einer spektralen Leistungsdichte gleich pro Mode, wobei die Boltzmannkonstante und die absolute Temperatur ist. Bei niedrigen Frequenzen geht in den bekannten Term über. Es gibt auch optisches Rauschen. Doch optische Quellen haben kein fundamentales Rauschen. Stattdessen verursacht die Energiequantelung merkliches Schrotrauschen im Detektor, entsprechend einer spektralen Leistungsdichte . Die gesamte Rauschleistungsdichte lässt sich gemäß Formeln (82b) und (82a) von [7] darstellen als in einem Homodynempfänger und als in einem In-Phase-und-Quadratur-Empfänger, also einem Empfänger mit einer verfügbaren Mode. Im elektrischen Bereich kann vernachlässigt werden. Im optischen Bereich können und vernachlässigt werden. Dazwischen, etwa im niedrigen THz- oder thermischen Bereich oder bei hohen elektrischen Frequenzen und Kryotemperaturen, ist beides zu berücksichtigen. Es ist möglich, zwischen elektrischem und optischem Bereich überzublenden, sodass man eine allgemeingültige Rauschzahl erhält.

Das wurde versucht durch eine Rauschzahl [4], wobei der Index für fluctuations of amplitude squares steht. Dort wäre zunächst in auszubessern. Bei optischen Frequenzen ist gleich und betrifft die Detektion von nur 1 Quadratur. Der konzeptionelle Unterschied zu kann nicht überwunden werden: Es erscheint unmöglich, dass für steigende Frequenz (von elektrisch zu thermisch zu optisch) 2 Quadraturen (in elektrischen Empfängern) allmählich zu 1 Quadratur werden.

Zur Vereinheitlichung von mit müssten bei steigender Frequenz oder fallender Temperatur Quadrate von Signalamplituden (Leistungen im elektrischen Bereich) graduell in 4. Potenzen von Signalamplituden (elektrische Ausgangsleistungen von optischen Direktempfängern) übergehen, was nicht möglich erscheint.

wurde ebenfalls verallgemeinert.[4] Dafür gibt es aber keinen Anlass, weil der Rauschfaktor ja in keinem optischen Empfänger der SNR-Verschlechterungsfaktor ist.

Eine konsistente Vereinheitlichung von optischer und elektrischer Rauschzahl erhält man mit and . Es gibt keine Widersprüche, weil beide konzeptionell in Einklang sind (Leistungen proportional zu Amplitudenquadraten, linear, 2 verfügbare Quadraturen, idealer Rauschfaktor gleich 1). Man erhält man die vereinheitlichte, allgemeingültige Rauschzahl = .[6] Dabei ist die Zusatzrauschtemperatur.

Es lässt sich auch eine vereinheitlichte Homodynrauschzahl angeben. Wenn man in [4] den Term in korrigiert, entspricht die dortige der , wobei in allerdings thermisches Rauschen als Quantenrauschen interpretiert und diesem subsumiert wird.

Literatur

  • Rudolf Müller: Rauschen. 2. Auflage. Band 15. Springer Verlag, 1989, ISBN 3-540-51145-8.
  • Curt Rint: Handbuch für Hochfrequenz- und Elektro-Techniker. 12. Auflage. Hüthig und Pflaum Verlag GmbH, 1979, ISBN 3-8101-0044-7.
  • Jürgen Detlefsen, Uwe Siart: Grundlagen der Hochfrequenztechnik. 2. Auflage. Oldenbourg Verlag, München Wien 2006, ISBN 3-486-57866-9.
  • Anders Bjarklev: Optical Fiber Amplifiers: Design and System Applications. Artech House, Norwood 1993, ISBN 0-89006-659-0.
  • Keysight: Fundamentals of RF and Microwave Noise Figure Measurements. (pdf) Application Note 57-1, 5952-8255E. 2010, abgerufen am 4. November 2022 (englisch).

Einzelnachweise

  1. H.W. König: Die Rauschzahl linearer Zweitore und Verstärkerröhren. Tagungsband Frequenz, 1955, S. 311.
  2. E. Desurvire, „Erbium doped fiber amplifiers: Principles and Applications“, Wiley, New York, 1994
  3. H. A. Haus, "The noise figure of optical amplifiers," in IEEE Photonics Technology Letters, vol. 10, no. 11, pp. 1602-1604, Nov. 1998, doi:10.1109/68.726763
  4. H. A. Haus, "Noise Figure Definition Valid From RF to Optical Frequencies", in IEEE JOURNAL OF SELECTED TOPICS IN QUANTUM ELECTRONICS, VOL. 6, NO. 2, March/April 2000, pp. 240–247
  5. R. Noe, "Consistent Optical and Electrical Noise Figure", in Journal of Lightwave Technology, 2022, doi:10.1109/JLT.2022.3212936, https://ieeexplore.ieee.org/document/9915356
  6. R. Noe, "Extension for “Consistent Optical and Electrical Noise Figure”", in Journal of Lightwave Technology, 2024, doi:10.1109/JLT.2024.3365046, https://ieeexplore.ieee.org/document/10433655, presentation doi:10.1109/JLT.2024.3365046/mm1, https://ieeexplore.ieee.org/document/10433655/media
  7. B.M. Oliver, “Thermal and Quantum Noise”, Proceedings of the IEEE, 1965, S. 436–454
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