Rathaus Bochum
Geschichte des Rathauses
Die ersten Rathäuser der Stadt Bochum befanden sich am Alten Markt. Das dritte Rathaus wurde im Jahr 1696 erbaut, ungefähr da wo heute das Denkmal des Kuhhirten steht. Nach zwei Zwischenlösungen in den Jahren 1862–1886 wurde die Stadtverwaltung im ehemaligen Hotel Soedinger Hof an der Alleestraße heimisch. Das Rathaus wurde 1894 um einen Erweiterungsbau sowie einen großen Sitzungssaal erweitert. Da im Zuge des rasanten Wachstums der Industriestadt und mit der Eingemeindung von 1904 Bochums Einwohnerzahlen explodierte, war der Platz bald auch wieder zu klein. Ein erster Architektenwettbewerb zur Neuerrichtung eines angemessenen Rathauses fand 1912–1913 statt, führte jedoch nicht zur weiteren Ausführung. Durch den Ersten Weltkrieg wurden die Neubaupläne zunächst zurückgestellt, ehe 1925 ein weiterer Architektenwettbewerb ausgerufen wurde. Auch nach diesem erneuten Wettbewerb konnte keiner der Preisträger die Ausführung des Rathauses übernehmen. Gleichwohl wurde der Rathausneubau dringlicher denn je. Mit dem Ziel einer zeitlosen Architektur wurde daher 1926 Karl Roth, der bereits die Rathäuser in Dresden (Neues Rathaus Dresden) (1905–1910), Kassel (Rathaus Kassel) (1905–1909) und Barmen (Rathaus Barmen) (Fertigstellung 1922) entworfen hatte, mit einem neuen Entwurf beauftragt.
Bereits 1926 wurde auch mit dem Bau des heutigen Rathauses begonnen, am 12. Juli 1927 erfolgte die Grundsteinlegung und am 20. Mai 1931 fand die Eröffnung statt. Nach dem Umzug von Teilen der Verwaltung wurde schon im November 1929 mit der Niederlegung des alten Rathauses begonnen.[1] War der Rathausbau im Jahr 1926 noch mit 7,50 Millionen Reichsmark veranschlagt, wuchsen die Kosten durch die wirtschaftlichen Probleme in Deutschland auf die Summe von 9,25 Millionen Reichsmark.
Der Darmstädter Architekt Karl Roth schuf ein hochmodernes Bürogebäude mit 300 Büroräumen, 20 Sitzungszimmern sowie 180 weitere Räumen im historischen Gewand des spanischen Klosters in El Escorial (1562–1584) und damit im Stil der ornamentlosen spanischen Renaissance. Das Gebäude weist einen symmetrischen Grundriss auf. Das lange Hochdach zum Eingangsbereich schließt bei ca. 35 Metern Gebäudehöhe ab.[2] Die Außenseite ist schlicht gehalten und das Eingangsportal sowie der zweistöckige Vorbau an der rechten Front sind die einzigen Fassaden-Schmuckelemente. Der Sockel des Gebäudes besteht aus hartem Granitstein, für die Fassade wurden Muschelkalk und für das Dach Schiefer in Altdeutscher Deckung verwendet.[2] Der Vorbau, der in den Rathausplatz ragt, soll an die alten Rathäuser mit ihren auf Stelen ruhenden Räumen erinnern.
Das Rathaus erhielt kunstvolle Bronzegitter, Skulpturen aus Bronze sowie meisterhaften Steinmetzarbeiten durch namhafte deutsche Künstler: August Vogel (1887–1932), Paul Wynand (1879–1956), Richard Langer (1879–1950), Richard Guhr (1873–1956) und Augusto Varnesi (1866–1941). In den Fluren und Repräsentationsräumen des Hauses wurden Marmor, Kupfer, Bronze und dunkle Holztäfelungen verwendet.
Der 40 × 46 Meter messende Innenhof wird von vier Seiten vollständig umschlossen. In der Symmetrieachse des Ratshofes liegt auch der Rathaussitzungssaal (Wiederherstellung 1951 nach Plänen von Ferdinand Keilmann), sodass zu seinen beiden Seiten Nebenhöfe entstanden. Hier befinden sich bis heute ein Glockenspiel und zwei Brunnen. Im Innenhof lagen ursprünglich die Zugänge zu den drei Kassenhallen, die vor der Einführung des bargeldlosen Verkehrs den Steuer-, Lohn-, Sozial- und sonstige Zahlungen dienten. Linker Hand war die Steuerkasse, rechts die Sparkasse, im Kellergeschoss unter den Räumen befand sich der jeweilige Tresor. Unterhalb des Sitzungssaales befand sich die Stadthauptkasse. Hierunter lag ebenfalls ein Tresor, der auch heute noch existiert. So entwickelte sich das Sprichwort, dass die Ratsherren auf dem Geld sitzen. Heute befindet sich hier das um 1980 eingerichteten Trauzimmer des Standesamts.
Wegen angeblich übertriebener Pracht am Rathaus griffen die Nationalsozialisten den damaligen jüdischen Oberbürgermeister Otto Ruer (1879–1933) an und trieben ihn in den Selbstmord. Ruer hatte wegen der Angriffe auf seine Person viele Schmuckarbeiten am Rathaus eingestellt. Zum Andenken an Dr. Ruer wurde vor dem Rathaus am 31. Mai 2005 ein Stolperstein verlegt.[3] Der Pate ist der Alt-Oberbürgermeister Ernst-Otto Stüber.
Trotz der Angriffe der Nationalsozialisten wegen angeblicher Verschwendung rühmten sich die neuen Machthaber 1934 in einer Baubeschreibung mit der Schönheit des Rathauses. Vor dem Rathaus wurde im Winter 1935 die vom Bochumer Verein gegossene Olympiaglocke präsentiert, bevor sie nach Berlin überführt und im Glockenturm aufgehängt wurde. Wie viele Kunstwerke wurden die Bronzeskulpturen für Rüstungszwecke eingeschmolzen. Sie wurden am 17. April 1940 demontiert[4] und dem Führer „zu seinem Geburtstag“ geschenkt. Im Zweiten Weltkrieg erlitt das Rathaus etliche Schäden. Direkte Treffer zerstörten Sitzungssaal und Glockenspiel, einen Teil des Ostflügels sowie das Dachgeschoss. Durch letzteres ging auch das komplette Bauaktenarchiv der Stadt Bochum verloren. Auch die Steinmetzarbeiten mit Ausnahme kleiner Löwenköpfe über dem Portal wurden zerstört.
Teile der Kriegsschäden, wie der Sitzungssaal, wurden bis 1951 behoben. Das Dach und die oberen Stockwerke wurden 1962 auf die jetzige Höhe fertiggestellt.
In den Jahren 1980 und 1982 wurden weitere Gebäude errichtet. Mit dem Bildungs- und Verwaltungszentrum (BVZ) (Architekturbüro Bahlo, Köhnke, Stosberg und Partner) und Flächen im angemieteten Rathauscenter kam weiterer Raum hinzu. Im Jahr 2000 wurden Teilbereiche des historischen Rathauses zwecks Einrichtung von Bürgerbüros sowie Anlaufstellen für den Umweltservice, die Polizei und für die städtischen Verkehrsbetriebe (BOGESTRA) umgebaut (Planung: Architekten Schröder Schulte-Ladbeck, Dortmund). Die Eröffnung fand am 4. Dezember 2000 statt. In den 2000ern wurde der Westflügel und von 2018 bis 2021 der Ostflügel kernsaniert. Mit der Eröffnung am 20. August 2021 erhielt das Rathaus auch einen neuen Haupteingang unter dem Balkon.
Brunnen und Glocken
Geblieben sind – neben den oben genannten vielen schönen Innenräumen – die „florentinische“ Hauptportale von Augusto Varnesi, die unter dem Motto „In Labore Honor“ (In Arbeit liegt Ehre) christlichen Glauben und industriellen Fleiß thematisieren. Weiterhin gibt es noch im Hof die beiden Brunnen Brunnen der Schönheit und Brunnen des Glücks aus Travertin und Bronze von August Vogel. Von den vergoldeten Figuren des „Brunnens des Glücks“ symbolisieren die Putte mit Ehering und Pantoffel Eheglück (restauriert), die Putte mit Apfel Fruchtbarkeit, die Putte mit leerem Portemonnaie den Optimismus (restauriert) und die Putte mit den Seifenblasen die Illusion. Ende 2020 wurden die Brunnen restauriert, und die fehlenden Putten ersetzt.[5]
Das ursprüngliche Glockenspiel war aus Bronze von der Stuttgarter Firma Kurtz. Es wurde als angeblich bestes Glockenspiel Deutschlands gelobt. Nach den Kriegszerstörungen wurde das jetzige Glockenspiel von dem Bochumer Verein gegossen und der Stadt Bochum im Jahr 1951 geschenkt. Das Glockenspiel besteht aus 28 Gussstahlglocken mit einem Gesamtgewicht von 2300 Kilogramm. Die einzelnen Glocken wiegen zwischen 4 und 375 Kilogramm. Es ist das weltweit erste Glockenspiel aus Gussstahl.[6]
Sehenswert ist auch die Glocke vor dem Rathaus mit einem Durchmesser von 3,13 Metern und einem Gewicht von 15.000 Kilogramm. Sie war 1867 als größte von vier Glocken eine Attraktion auf der Weltausstellung in Paris und wurde zur Eröffnung geläutet. Gegossen vom Bochumer Verein wurde sie nach der Ausstellung als Denkmal zunächst auf dem Firmengelände aufgestellt. Spätestens seit den 1930er Jahren stand sie vor der Hauptverwaltung an der Essener Straße in Höntrop. Wegen einer Straßenerweiterung wurde sie von dem Firmennachfolger Krupp Stahl der Stadt Bochum geschenkt und kam 1979 schließlich an ihrem heutigen Platz. Die Glocke kann wegen einer im Zweiten Weltkrieg erlittenen Beschädigung nicht mehr geläutet werden. Eventuell ist auch dabei der Klöppel verloren gegangen, Fotos aus den 1980er zeigen sie ohne Klöppel.
Von Krupp ebenfalls gespendet wurde der Brunnen Fontana vor dem Bildungs- und Verwaltungszentrum. Der Brunnen wurde vom Bildhauer und Grafiker Erwin Hegemann aus Hagen entworfen, aus Edelstahl und Titan angefertigt und im September 1985 eingeweiht.
Paternosteraufzug
Als eines der wenigen Verwaltungsgebäude verfügt das Bochumer Rathaus über einen öffentlich zugänglichen Paternosteraufzug. Die Anlage wurde 1964 gebaut und ist bis heute in Betrieb.[7]
Verkehrsanbindung
In der Nähe des Rathauses befindet sich zahlreiche Bushaltestellen und der U-Bahnhof Bochum Rathaus, welcher eine Erreichbarkeit durch die Stadtbahn Bochum ermöglicht.
Film und Fernsehen
Das Rathaus Bochum ist ein gerne für Film- und Fernsehproduktionen genommenes Drehmotiv. Neben Einstellungen für die Fernsehserien Einstein und Heldt sind beispielsweise Berlin 36 mit Karoline Herfurth und Thomas Thieme (das Rathaus diente mit seinen Innenhöfen, dem Kleinen Sitzungssaal und der Oberbürgermeisteretage im Film als „Haus des Sports“)[8] und die internationale Romanverfilmung Jeder stirbt für sich allein mit Emma Thompson, Brendan Gleeson und Daniel Brühl (u. a. Dreharbeiten in den Innenhöfen des Rathauses) als beachtete Kinofilme zu nennen.[9]
Literatur
- Hans H. Hanke: Edel sei der Bau, hilfreich und gut: Das Rathaus Bochum und sein künstlerische-politisches Programm. In: Jürgen Mittag, Ingrid Wölk (Hrsg.): Bochum und das Ruhrgebiet - Großstadtbildung im 20. Jahrhundert. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-459-X, S. 299–327.
- Das Rathaus. In: Bernhard Kerbers (Hrsg.): Bochumer Bauten 1860-1940. Essen 1982, S. 73–101.
Weblinks
- Rathaus Bochum – Ein moderner »Renaissance-Palast«. In: Historischer Rundgang Bochum. Kortum-Gesellschaft Bochum, 2006, abgerufen am 20. April 2021.
- Wettbewerbsentwürfe Rathaus Bochum auf www.ruhr-bauten.de
- Beschreibung dieser Sehenswürdigkeit auf der Route der Industriekultur (archivierte Version)
- Bilder des alten und neuen Rathaus, in: „Das Bochumer Rathaus“, Flickr Album der Stadt Bochum, aufgerufen am 24. August 2022
- Leidens-Wege in Bochum 1933 bis 1945, Kapitel Rathaus Bochum. Stadt Bochum, 8. März 2008, abgerufen am 10. August 2023.
Einzelnachweise
- Bochumer Anzeiger, 25. November 1929.
- Grefer Dach saniert das Schieferdach des Bochumer Rathauses mit Böcker AK 52 Autokran. Abgerufen am 10. Februar 2022.
- Lebenslauf von Dr. Otto Ruer in Rahmen der Stolperstein-Dokumentation
- Bochumer Anzeiger, 18. April 1940.
- Der Restaurator bei der Arbeit an den Brunnen des Glücks
- Hans H. Hanke: Edel sei der Bau, hilfreich und gut: Das Rathaus Bochum und sein künstlerische-politisches Programm. In: Jürgen Mittag, Ingrid Wölk (Hrsg.): Bochum und das Ruhrgebiet – Großstadtbildung im 20. Jahrhundert. Klartext, Essen 2005, ISBN 3-89861-459-X, S. 325.
- Felix Püschner: Umfrage in Werne: Mehr als 2000 Bürger haben schon teilgenommen. In: ruhrnachrichten.de. 9. Februar 2022, abgerufen am 5. März 2024.
- WAZ: Das Rathaus wird zum Kinostar, derwesten.de vom 8. August 2008 (aufgerufen am 15. April 2019)
- WAZ: Bochumer Rathaus bietet Kulisse für Kinofilm (Memento des vom 15. April 2019 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , derwesten.de vom 28. Mai 2015 (aufgerufen am 15. April 2019)