Psychotrope Substanz
Eine psychotrope Substanz ist ein Wirkstoff, der die menschliche Psyche beeinflusst. Es kann sich auch um eine Mischung mehrerer Wirkstoffe handeln. Andere neutrale Bezeichnungen dafür sind auch psychoaktive Substanz oder Psychotropikum (Plural Psychotropika; von griechisch psychḗ „Seele“ und tropḗ „(Hin-)Wendung“). Diese sollen die emotional negativ besetzten Ausdrücke Rauschgift oder Rauschmittel ersetzen. Die Bezeichnungen psychoaktive Substanz und Rauschdroge sind jedoch nicht zwingend gleichbedeutend und sollten daher keinesfalls austauschbar verwendet werden, da u. a. auch Psychopharmaka zu den Psychotropika gehören.[2]
Jede von außen zugeführte Substanz, die Veränderungen der Psyche und des Bewusstseins eines Menschen bewirkt, wird als psychotrop oder psychoaktiv bezeichnet. Eine solche Beeinflussung kann unterschwellig sein und beispielsweise als Anregung, Entspannung oder angenehme Stimmungsänderung positiv erlebt werden. Sie kann aber auch den Bewusstseinszustand weitreichend beeinträchtigen und zu Krampfanfällen, Bewusstseinsstörungen oder schlimmstenfalls zu einem Koma führen.
Die möglichen gesundheitlichen Folgestörungen insgesamt werden im internationalen Klassifikationssystem ICD-10 als Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen zusammengefasst – etwa akute Intoxikation, multipler Substanzgebrauch, substanzinduzierte Psychose oder Abhängigkeitssyndrom durch psychotrope Substanzen (siehe auch Modellpsychose).[2]
Im Jahr 2019 waren weltweit 11,64 Millionen Todesfälle auf den Gebrauch psychoaktiver Substanzen zurückzuführen. Dies entspricht etwa einem Fünftel der gesamten Todesfälle (56,53 Millionen in diesem Jahr). Die hohe Krankheitslast durch den Konsum psychoaktiver Substanzen verursacht enorme Kosten. Diese werden auch durch die Einnahmen von Steuern auf Tabak und Alkohol nicht ausgeglichen. In Deutschland betragen die jährlichen Folgekosten für den Konsum von Alkohol ca. 57 Milliarden Euro, beim Tabak sind es 97 Milliarden Euro und bei den illegalen Drogen 5–6 Milliarden Euro. Der Konsum von Cannabis zieht Kosten für die Gesellschaft von knapp 1 Milliarde Euro jährlich nach sich.[3]
Seit dem Altertum wurden psychotrope Substanzen zur Behandlung von psychischen Störungen eingesetzt. Jedoch erst seit den 1950er Jahren begann die eigentliche Ära der Psychopharmakologie. Sie zeichnete sich durch genau definierte Substanzen und Dosierungen aus.[4]
Einteilung
Übersicht über spezielle Klassen psychoaktiver Substanzen und ihre Wirkung
- Psychopharmaka: eingesetzt zur Behandlung psychischer und neurologischer Erkrankungen; mit den Subklassen:
- Antidepressiva: wirksam gegen depressive Verstimmungen
- Neuroleptika: dämpfende und antipsychotische Wirkung
- Tranquillanzien, Anxiolytika: angstlösend (anxiolytisch) und entspannend
- Phasenprophylaktika: stimmungsstabilisierend
- Psychostimulantien: steigern geistige und körperliche Ausdauer sowie Konzentrationsfähigkeit
- Antidementiva, Nootropika: Arzneistoffe zur Behandlung der Demenz
- Hypnotika: fördern den Schlafvorgang
- Halluzinogene: bewirken eine stark veränderte Wahrnehmung der Realität; mit den Subklassen:
- Psychedelika: erzeugen psychedelische Zustände
- Dissoziativa: Wirkstoffe, die dissoziative Wirkungen hervorrufen
- Delirantia: Wirkstoffe, die einen Zustand ähnlich einem Delirium hervorrufen
- Entheogene: zu rituellen, spirituellen oder religiösen Zwecken verwendete Wirkstoffe
- Stimulanzien: Substanzen, die anregend auf den Organismus wirken; mit den Subklassen:
- Empathogene: Wirkstoffe, die das Gefühl erzeugen, mit anderen Menschen eine Einheit zu bilden
- Entaktogene: Wirkstoffe, welche die Wahrnehmung eigener Emotionen verstärken
- Analgetika: Wirkstoffe, die schmerzstillend (analgetisch) wirken
- Aphrodisiaka: Wirkstoffe zur Belebung oder Steigerung der Libido
- Methylphenidatpräparate verschiedener Hersteller
- Medizinalhanf (Cannabis flos)
- Sertralin, ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
- Risperidon, ein Neuroleptikum
- Kakaofrüchte enthalten Theobromin
- Kokainhydrochlorid aus dem Cocastrauch
Siehe auch
- Liste von Pflanzen mit psychotropen Wirkstoffen
- Konvention über psychotrope Substanzen (Vereinte Nationen)
- Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen
- Psychotherapie mit Psychedelika (Einsatz psychedelischer Substanzen zur Therapieunterstützung)
- Drug-Checking (Drogenprüfung von schwarz gehandelten psychotropen Substanzen durch chemische Analyse)
- Psychonautik (Erforschen der eigenen Psyche und des Unbewussten auch mit psychoaktiven Substanzen)
- Neue psychoaktive Substanzen: Designerdrogen
Literatur
- Maximilian von Heyden: Handbuch Psychoaktive Substanzen. Springer, Berlin/ Heidelberg 2017, ISBN 978-3-642-55124-6 (Leseprobe in der Google-Buchsuche).
- Klaus Aktories u. a.: Psychopharmaka – Pharmakotherapie psychischer Erkrankungen. In: Derselbe, Ulrich Förstermann, Franz Hofmann, Klaus Starke (Hrsg.): Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 12. Auflage. Urban & Fischer, München 2017, ISBN 978-3-437-17212-0, S. 269–305 (Leseprobe in der Google-Buchsuche).
- Gerhard Gründer, Otto Benkert: Handbuch der Psychopharmakotherapie. 2. Auflage. Springer, Berlin 2011 (Leseprobe in der Google-Buchsuche).
- Bert Marco Schuldes: Psychoaktive Pflanzen – Mehr als 80 Pflanzen mit anregender, euphorisierender, beruhigender, sexuell erregender oder halluzinogener Wirkung. 17. Auflage. Pieper & Grüne Kraft, Löhrbach 2011, ISBN 978-3-925817-64-9.
- Florian Holsboer (Hrsg.): Handbuch der Psychopharmakotherapie. Springer, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-20475-6.
- Christian Rätsch: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. 7. Auflage. AT, Aarau 2004, ISBN 3-85502-570-3.
- Alexander Shulgin, Ann Shulgin: TiHKAL, the Continuation. Transform, Berkeley 1997, ISBN 0-9630096-9-9 (englisch; Vollversion auf erowid.org).
- Alexander Shulgin, Ann Shulgin: PiHKAL: A Chemical Love Story. Transform, Berkeley 1991, ISBN 0-9630096-0-5 (englisch; Volltext auf erowid.org; PIHKAL = Phenethylamines I Have Known And Loved = „Phenylethylamine, die ich kannte und liebte“).
Weblinks
Einzelnachweise
- Eintrag zu Coffein. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 1. Oktober 2018.
- Eckhard Beubler: Pharmakologie psychotroper Substanzen. In: Derselbe, Hans Haltmeier, Alfred Springer (Hrsg.): Opiatabhängigkeit. Interdisziplinäre Aspekte für die Praxis. 2. Auflage. Springer, Wien/ New York 2006, ISBN 3-211-29116-4, S. 51–64 (Seitenansichten in der Google-Buchsuche).
- C. Rauscher, J. Möckl, N. N. Seitz, N. Wilms, S. Olderbak, L. Kraus: Konsum psychoaktiver Substanzen in Deutschland. Ergebnisse des Epidemiologischen Suchtsurvey 2021. In: Dtsch Arztebl Int. Band 119, 2022, S. 527–534 (aerzteblatt.de [abgerufen am 8. August 2022] doi:10.3238/arztebl.m2022.0244).
- Hans Bangen: Geschichte der medikamentösen Therapie der Schizophrenie. Berlin 1992, ISBN 3-927408-82-4.