Prutenische Tafeln

Die Preußischen oder Prutenischen Tafeln der Himmelsbewegungen (Prutenicae Tabulae Coelestium Motuum) sind ein astronomisches Tabellenwerk zur Berechnung der Standorte von Sonne, Mond und Planeten. Die Prutenischen Tafeln lösten die bisher verwendeten Alfonsinischen Tafeln aus dem 13. Jahrhundert ab, deren vorhergesagte Daten zunehmend von der Realität abwichen. Zum Beispiel wurden Ereignisse wie Konjunktionen von Jupiter und Saturn, denen in der Astrologie hohe Bedeutung zugeschrieben wurde, mit einem Fehler von bis zu einem Monat vorhergesagt, in den Prutenischen Tafeln war die Vorhersage auf wenige Tage genau.[1]

Tübinger Ausgabe von 1562

Die Tabellen wurden im Jahre 1551 von dem Mathematiker und Astronomen Erasmus Reinhold erarbeitet. Er bezog sich auch auf die Arbeiten von Nikolaus Kopernikus, während er eine große Anzahl von Sternen identifizierte und beschrieb. Die höhere Genauigkeit der Prutenischen Tafeln ist allerdings nicht auf das verwendete Kopernikanische System zurückzuführen, sondern in erster Linie auf die Aktualität der verwendeten Ausgangsdaten.

Herzog Albrecht von Brandenburg-Ansbach unterstützte Reinhold und finanzierte die Drucklegung, obwohl es dabei zu unerquicklichen Auseinandersetzungen wegen der Bezahlung kam. Reinhold trug durch die Prutenischen Tafeln dazu bei, dass das Kopernikanische System in und außerhalb des deutschen Reiches bekannt wurde, ebenso wie Königsberg durch die Wahl als Nullmeridian.[2]

Die Erkenntnisse des Kopernikus und die Preußischen Tafeln wurden später der Kalenderreform von 1582 unter Papst Gregor XIII. zugrunde gelegt.

Die Tafeln erschienen erstmals 1551 bei Ulrich Morhart in Tübingen, ein Nachdruck 1562 bei dessen Witwe. Herausgeber der zweiten Auflage (Tübingen, 1571) war Michael Mästlin (1550–1631), der später Keplers Lehrer wurde. Er fügte ein Nachwort und zwei Seiten mit Korrekturen hinzu. Die dritte Auflage (Wittenberg, Matthäus Welack, 1585) wurde von Kaspar Straub herausgegeben.

Im Jahr 1627 lösten die Rudolfinischen Tafeln mit noch genaueren Daten von Tycho Brahe und Johannes Kepler die Prutenischen Tafeln ab.

Der Einfluss Reinholds und seiner Tafeln auf die Verbreitung der Kopernikanischen Lehre wurde von Owen Gingerich untersucht.

Literatur

  • A. von Braunmühl: Vorlesungen über Geschichte der Trigonometrie. Erster Teil: Von den ältesten Zeiten bis zur Erfindung der Logarithmen. Teubner, Leipzig 1900, (Auch reprografischer Nachdruck: Sändig Reprint Verlag, Vaduz 1990, ISBN 3-500-23250-7).
  • J. L. E. Dreyer: A history of astronomy from Thales to Kepler. 2. edition. Revised with a foreword by W. H. Stahl. Dover, New York NY 1953 (Zuvor: History of the planetary systems from Thales to Kepler. University Press, Cambridge 1906).
  • Owen Gingerich: The Great Copernicus Chase and other Adventures in astronomical History. Sky Publishing u. a., Cambridge MA 1992, ISBN 0-521-32688-5.
  • Owen Gingerich: Erasmus Reinhold and the dissemination of Copernicus theory. In: Owen Gingerich: The Eye of Heaven. Ptolemy, Copernicus, Kepler. The American Institute of Physics, New York NY 1993, ISBN 0-88318-863-5, S. 221–251, (Wiederabdruck aus: Studia Copernicana 6, 1973, ISSN 0081-6701, S. 43–62; 123–125).
  • Owen Gingerich: Mästlin’s, Kepler’s and Schickard’s copies of „De revolutionibus“. In: Friedrich Seck (Hrsg.): Zum 400. Geburtstag von Wilhelm Schickard. Zweites Tübinger Schickard-Symposium 25.–27. Juni 1992. Thorbecke, Sigmaringen 1995, ISBN 3-7995-3235-8, (Contubernium 41), S. 167–183.
  • R. A. Jarrell: The life and scientific work of the Tübingen astronomer Michael Mästlin. 1550–1631. University of Toronto, 1971, (PhD Thesis).
  • J. C. Poggendorff: Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften. Enthaltend Nachweisungen über Lebensverhältnisse und Leistungen von Mathematikern, Astronomen, Physikern, Chemikern, Mineralogen, Geologen usw. aller Völker und Zeiten. Band 2: M–Z. Barth, Leipzig 1863, (Auch div. Nachdrucke).
  • Hans-Joachim Seidel, Christian Gastgeber: Wittenberger Humanismus im Umkreis Martin Luthers und Philipp Melanchtons. Der Mathematiker Erasmus Reinhold d. Ä. In: Biblos 46, 1997, 1, ISSN 0006-2022, S. 19–51.
  • Ernst Zinner: Entstehung und Ausbreitung der copernicanischen Lehre. 2. Auflage, durchgesehen und ergänzt von Heribert M. Nobis und Felix Schmeidler. Beck, München 1988, ISBN 3-406-32049-X.

Einzelnachweise

  1. John Freely: Kopernikus Revolutionär des Himmels. Klett-Cotta, 2015.
  2. mathematik.uni-halle.de Erasmus Reinhold (1511-1553) (Memento vom 27. September 2011 im Internet Archive)
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