Princivalleit

Das Mineral Princivalleit ist ein sehr seltenes Ringsilikat aus der Turmalingruppe mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung Na(Mn2+2Al)Al6(Si6O18)(BO3)3(OH)3O.[4]

Princivalleit
Princivalleit (blau) der Typlokalität aus der Sammlung des Museo Civico di Storia Naturale di Milano
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2020-056[1]

IMA-Symbol

Pva[2]

Andere Namen

Oxy-Mn-Dravit,[3]

Chemische Formel Na(Mn2Al)Al6(Si6O18)(BO3)3(OH)3O[1]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Ringsilikate
Ähnliche Minerale Schörl, Oxy-Schörl, Foitit oder Elbait und Celleriit
Kristallographische Daten
Kristallsystem trigonal
Kristallklasse; Symbol 3/mVorlage:Kristallklasse/Unbekannte Kristallklasse
Raumgruppe R3m (Nr. 160)Vorlage:Raumgruppe/160
Gitterparameter a = natürlich: 15,9155(2) Å; c = natürlich: 7,1166(1) Å[4]
Formeleinheiten Z = 3[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 7[4]
Dichte (g/cm3) berechnet: 3,168[4]
Spaltbarkeit nicht beobachtet
Bruch; Tenazität muschelig[4]
Farbe blau[4]
Strichfarbe weiß[4]
Transparenz Bitte ergänzen!
Glanz Glasglanz[4]
Kristalloptik
Brechungsindizes nω = 1,650(5)[4]
nε = 1,635(5)[4]
Doppelbrechung δ = 0,015
Optischer Charakter einachsig negativ[4]
Pleochroismus im Dünnschliff kaum sichtbar[4]

Anhand äußerer Kennzeichen ist Princivalleit nicht von anderen, ähnlich gefärbten Turmalinen wie Elbait und Celleriit zu unterscheiden. Sie kristallisieren mit trigonaler Symmetrie und bilden blaue, prismatische Kristalle von einigen Millimetern bis Zentimetern Größe. Im Dünnschliff sind sie transparent ohne sichtbaren Pleochroismus.[4] Wie alle Minerale der Turmalingruppe sind sie pyroelektrisch und piezoelektrisch.

Princivalleit bildet sich in granitischen Elbait-Pegmatiten und ist bislang (2022) nur an wenigen Fundorten weltweit nachgewiesen worden. Die Typlokalität ist ein kleiner Pegmatitgang in einem Flasergneis beim Dorf Curiglia im Val Veddasca in der Provinz Varese, Lombardei, Italien.[5]

Etymologie und Geschichte

Rund 3 Gew-% Braunstein (MnO) wurden bereits 1798 von Wondraschek in einem rötlichen Turmalin aus Mären nachgewiesen.[6] In Pegmatiten auf Madagaskar beschrieben Louis Duparc, Max Wunder und René Sabot 1910 gelbe Turmaline mit rund 5 Gew-% MnO.[7]

Analog zu den Eisenturmalinen gaben Hawthorne und Henry in ihrer Klassifikation der Turmaline von 1999 vier hypothetische Endglieder für die Manganturmaline an:[3]

  • Mn-Dravit (Tsilaisit): NaMn3Al6Si6(OH)3(OH)
  • Oxy-Mn-Dravit: NaMn2AlAl6Si6(OH)3O
  • Mn-Foitit (Celleriit): ◻Mn2AlAl6Si6(OH)3(OH)
  • Oxy-Mn-Foitit: ◻MnAl2Al6Si6(OH)3O

Diese sehr seltenen gelben Turmaline, meist Elbaite, sind begehrte Schmucksteine und wurden nur in wenigen weiteren Pegmatiten weltweit gefunden. Eine Übersicht geben William B. Simmons und Mitarbeiter 2011. Sie dokumentieren MnO-Gehalte zwischen 3,2 und 8,90 Gew-% (0,44–1,25 apfu), wobei die größten Mangangehalte in Turmalinen aus Madagaskar[8] und von der Insel Elba (Grotta dʼOggi, San Piero in Campo) gefunden wurden.[9]

Die manganreichen Turmaline aus dem Val Veddasca wurden bereits im Jahr 2003 von Federico Pezzotta gesammelt. Erst 17 Jahre später wurden sie eingehend untersucht und als Oxy-Mn-Dravit charakterisiert. Benannt wurde dieser neue Turmalin nach dem Professor der Mineralogie an der Universität Triest Francesco Princivalle.[4]

In den aplitischen Gängen des Pegmantits vom Grotta dʼOggi wurde der Mn-Dravit Tsilaisit (2011)[10] und dessen Fluor-Equivalent Fluor-Tsilaisit (2012)[11] beschrieben. Im Rosina Pegmatit, ebenfalls bei San Piero in Campo auf Elba, konnte 2019 der Mn-Foitit Celleriit nachgewiesen werden.[12]

Klassifikation

In der strukturellen Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) ist Princivalleit noch nicht aufgeführt.[13][14] Er würde zusammen mit Oxy-Schörl, Oxy-Dravit, Maruyamait, Povondrait, Bosiit, Chromo-Alumino-Povondrait, Oxy-Chrom-Dravit, Oxy-Vanadium-Dravit, Vanadio-Oxy-Chrom-Dravit und Vanadio-Oxy-Dravit zur Untergruppe 3 der Alkali-Gruppe in der Turmalinobergruppe gezählt werden.[4]

Da Princivalleit erst 2020 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist es weder in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz verzeichnet, noch im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch an dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz orientiert.[15]

Auch die von der IMA bis 2009 aktualisierte 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik führt weder den Princivalleit noch das 1999 eingeführte hypothetische Endglied Oxy-Mn-Dravit auf.[16][3]

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana kennt den Princivalleit nicht.

Chemismus

Princivalleit ist das Mangan-Analog von Oxy-Dravit bzw. das Oxy-Analog von Tsilaisit und hat die idealisierte Zusammensetzung [X]Na[Y](Mn2+2Al)[Z]Al6([T]Si6O18)(BO3)3[V](OH)3[W]O, wobei [X], [Y], [Z], [T], [V] und [W] die Positionen in der Turmalinstruktur sind.[13] Für den Princivalleit aus der Typlokalität (Val Veddasca, Italien) wurde folgende Strukturformel ermittelt:[4]

  • [X](Na0,58Ca0,110,35) [Y](Al1,82Mn2+0,84Fe2+0,19Zn2+0,07Li0,08) [Z](Al5,58Fe2+0,13Mg0,02) [T](Si5,60Al0,40)O18(BO3)3[V][(OH)2,71O0,29] [W][O0,66F0,22(OH)0,12]

Princivalleit bildet Mischkristalle mit Darrellhenryit, Oxy-Schörl und Alumino-Oxy-Rossmanit entsprechend der Austauschreaktionen[4]

Kristallstruktur

Princivalleit kristallisiert mit trigonaler Symmetrie in der Raumgruppe R3m (Raumgruppen-Nr. 160)Vorlage:Raumgruppe/160 mit 3 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Die Gitterparameter des natürlichen Mischkristalls aus der Typloklaität sind: a = 15,9155(2) Å, c = 7,1166(1) Å.[4]

Die Kristallstruktur ist die von Turmalin. Die von 9 bis 10 Sauerstoffen umgebene X-Position ist mit Natrium (Na+) besetzt, die oktaedrisch koordinierte [Y]-Position ist gemischt besetzt mit zwei Mangan (Mn2+) und ein Aluminiumion (Al3+) und die kleinere, ebenfalls oktaedrisch koordinierte [Z]-Position enthält vorwiegend (Al3+). Silizium (Si4+) besetzt die tetraedrisch koordinierte [T]-Position zusammen mit etwas Aluminium und die [W]-Anionenposition enthält vorwiegend O2-.[4]

Bildung und Fundorte

Die Typlokalität ist ein kleiner pegmatitischer Gang, der den Flasergneis beim Dorf Curiglia im Val Veddasca in der Provinz Varese, Lombardei in Italien durchzieht. Im zentralen Bereich dieses Gangs tritt blauer Princivalleit und Oxy-Schörl zusammen mit Muskowit, Albit, Quarz und Kalifeldspat auf. In geringen Mengen finden sich noch Pyrit und violetter Cordierit.[4]

Im Pikárec Pegmatit, einem granitischen Elbait-Pegmatit bei Pikárec in der Okres Žďár nad Sázavou, Kraj Vysočina, Tschechien, tritt Princivalleit und Celleriit in 2–5 mm breiten Zonen in grünen bis braungrünen, manganreichen Elbait auf. Der Randbereich der Kristalle besteht aus blass rosa Fluor-Elbait und die Zusammensetzung der dunklen, blauen bis violetten Kristallenden variiert zwischen Oxy-Schörl und Foitit. Diese komplex zonierten Kristalle treten zusammen mit Albit (Varietät Cleavelandit), Quarz und Kalifeldspat auf.[12]

Literatur

  • Ferdinando Bosi, Federico Pezzotta, Henrik Skogby, Alessandra Altieri, Ulf Hålenius, Gioacchino Tempesta and Jan Cempírek: Princivalleite, Na(Mn2 Al)Al6 (Si6O18)(BO3)3 (OH)3 O, a new mineral species of the tourmaline supergroup from Veddasca Valley, Varese, Italy. In: Mineralogical Magazine. Band 86, 2012, S. 78–86 (englisch, cambridge.org [PDF; 405 kB; abgerufen am 25. März 2022]).

Einzelnachweise

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 6. Februar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 6. Februar 2023]).
  3. Frank C. Hawthorne, Darrell J. Henry: Classification of the minerals of the tourmaline group. In: European Journal of Mineralogy. Band 11, 1999, S. 201–215 (englisch, researchgate.net [PDF; 3,6 MB; abgerufen am 12. Oktober 2020]).
  4. Ferdinando Bosi, Federico Pezzotta, Henrik Skogby, Alessandra Altieri, Ulf Hålenius, Gioacchino Tempesta, Jan Cempírek: Princivalleite, Na(Mn2 Al)Al6 (Si6O18)(BO3)3 (OH)3 O, a new mineral species of the tourmaline supergroup from Veddasca Valley, Varese, Italy. In: Mineralogical Magazine. Band 86, 2012, S. 78–86 (englisch, cambridge.org [PDF; 405 kB; abgerufen am 25. März 2022]).
  5. Fundortliste für Princivalleit beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 27. März 2022.
  6. Thomas Witzke: Schörl. In: strahlen.org/tw. Abgerufen am 6. Februar 2023.
  7. Louis Duparc, M. Wunder, R. Sabot: Les minéraux des pegmatites des environs d'Antsirabé a Madagascar. In: Mémoires de la Sociéte de physique et d'histoire naturelle de Genève. Band 36, 1910, S. 381–401 (französisch, archive.org [PDF; 34,2 MB; abgerufen am 16. März 2022]).
  8. William B. Simmons, Alexander U. Falster, Brendan M. Laurs: A Survey of Mn-rich Yellow Tourmaline from Worldwide Localities and Implications for the Petrogenesis of Granitic Pegmatites. In: The Canadien Mineralogist. Band 49, 2011, S. 301–319, doi:10.3749/canmin.49.1.301 (englisch).
  9. Ferdinando Bosi, Giovanna Agrosi, Sergio Lucchesi, Giovanni Melchiorre, Eugenio Scandale: Mn-tourmaline from island of Elba (Italy): Crystal chemistry. In: American Mineralogist. Band 90, 2005, S. 1661–1668 (englisch, psu.edu [PDF; 206 kB; abgerufen am 7. März 2021]).
  10. Ferdinando Bosi, Skogby, Giovanna Agrosi, Eugenio Scandale: Tsilaisite, NaMn3Al6(Si6O18)(BO3)3(OH)3OH, a new mineral species of the tourmaline supergroup from Grotta d'Oggi, San Pietro in Campo, island of Elba, Italy. In: American Mineralogist. Band 97, 2012, S. 989–994 (englisch, Abstracts/MJ12 Abstracts/Bosi p989 12.pdf minsocam.org Abstract [abgerufen am 7. März 2021]).
  11. Ferdinando Bosi, Giovanni B. Andreozzi, Giovanna Agrosi, Eugenio Scandale: Fluor-tsilaisite, NaMn3Al6(Si6O18)(BO3)3(OH)3F, a new tourmaline from San Piero in Campo (Elba, Italy) and new data on tsilaisitic tourmaline from the holotype specimen locality. In: Mineralogical Magazine. Band 79 (1), 2015, S. 89–101, doi:10.1180/minmag.2015.079.1.08 (englisch).
  12. Ferdinando Bosi, Federico Pezzotta, Alessandra Altieri, Giovanni B. Andreozzi, Paolo Ballirano, Giocchino Tempesta, Jan Cempirek, Radek Škoda, Jan Filip, Renata Čopjakova, Milan Novak, Anthony R. Kampf, Emily D. Scribner, Lee A. Groat, R. James Evans: Celleriite, (Mn2+2 Al)Al6 (Si6 O18)(BO3)3 (OH)3 (OH), a new mineral species of the tourmaline supergroup. In: American Mineralogist. in press, Preprint, doi:10.2138/am-2021-7818 (englisch).
  13. Darrell J. Henry, Milan Novák (Chairman), Frank C. Hawthorne, Andreas Ertl, Barbara L. Dutrow, Pavel Uher, and Federico Pezzotta: Nomenclature of the tourmaline-supergroup minerals. In: The American Mineralogist. Band 96, 2011, S. 895–913 (englisch, rruff.info [PDF; 618 kB; abgerufen am 6. Februar 2023]).
  14. Darrell J. Henry, Barbara L. Dutrow: Tourmaline studies through time: contributions to scientific advancements. In: Journal of Geosciences. Band 63, 2018, S. 77–98 (englisch, jgeosci.org [PDF; 2,2 MB; abgerufen am 6. Februar 2023]).
  15. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  16. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 6. Februar 2023 (englisch).
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