Prüfstand VII

Der Prüfstand VII war die wichtigste Entwicklungs-, Schulungs- und Startrampe für A4-Raketen (bekannter unter der Bezeichnung „V2“ („Vergeltungswaffe 2“) der Heeresversuchsanstalt (HVA) Peenemünde).

Luftaufnahme der Royal Air Force vom 23. Juni 1943
Start einer A4 vom Prüfstand VII, März 1942
Start einer A4-Rakete vom Prüfstand VII (1943)
Modell des Prüfstands VII

Beschreibung

Der Prüfstand war von einem ovalen Erdwall umgeben, in dem auch der Startleitstand eingebettet war, und trug deshalb auch den Spitznamen „Arena“. Zum Prüfstand VII gehörte eine 32 Meter hohe Montagehalle.

Die Leitung der Anlage hatte Kurt Debus, der die operativen Aufgaben in zwei Arbeitsgruppen organisierte: Eine Gruppe war zuständig für die mechanischen, die Flüssigkeits- und die Antriebs-Systeme, die andere für Elektrotechnik, Steuerung und Instrumente.[1]

Zur besseren Verfolgung der Starts wurde am Prüfstand VII eine von Walter Bruch entwickelte Fernsehübertragungsanlage installiert. Diese war die erste Anwendung des industriellen Fernsehens weltweit.

Der Prüfstand VII war für die A4-Rakete überdimensioniert, schon bei Baubeginn des Prüfstands VII im Jahre 1938 wurde dieser von der Größe her für die A9/A10-Rakete geplant. Deren Durchmesser hätte bei der Startstufe 4,12 Meter betragen sollen. Von der A10 wurde aber nie auch nur eine einzelne Komponente gefertigt. Die A9/A10-Rakete („Amerika-Rakete“) hätte möglicherweise die USA erreichen können.

Betriebszeit

Der Prüfstand VII wurde 1938 errichtet und bis zur Räumung der HVA Peenemünde im Februar 1945 für Versuchsstarts von A4-Raketen benutzt – trotz der Schäden durch den britischen Luftangriff Mitte August 1943 („Operation Hydra“) und dreier weiterer Bombardierungen der USAAF am 18. Juli sowie 4. und 25. August 1944.

Militärische Einsätze der A4-Rakete waren wegen fehlender Reichweite vom Prüfstand VII nicht möglich.

Insgesamt forderte der Kriegseinsatz der A4 von mobilen Startrampen und von verschiedenen Standorten aus mehr als 8000 Menschenleben, hauptsächlich Zivilisten. Die größte Zahl an Opfern auf einen Schlag war am 16. Dezember 1944 in Antwerpen zu beklagen, als eine A4 das vollbesetzte Kino „Rex“ traf und 567 Menschen tötete.

In Peenemünde existierte seit Juni 1943 ein KZ-Außenlager.[2] Zusätzlich gab es ein zweites KZ, ein Kriegsgefangenenlager in Karlshagen und die Lager Trassenheide[3] in denen insgesamt 1400 Häftlinge untergebracht waren.[4] Mindestens 171 Häftlinge, die zwischen November 1943 und September 1944 starben, wurden im Krematorium Greifswald verbrannt, andere Leichen wurden vor Ort verscharrt.[4] Zudem gab es bei den vier alliierten Bombenangriffen auf die HVA Peenemünde zahlreiche Opfer.

Kurt Debus, später Direktor des Kennedy Space Centers, war bei der Räumung der letzte Betriebsleiter der Anlage.[1] Bis zur Einstellung des Startbetriebs am 21. Februar 1945 sind vom Prüfstand VII 175 Raketen gestartet (siehe Liste der Versuchsstarts).

Nachkriegszeit

Zwischen 1948 und 1961 wurde die technische Anlage weitgehend von der sowjetischen Besatzungsmacht zerstört. Heute sind nur noch spärliche Reste des einst riesigen Komplexes erhalten.

Mitglieder des Raketenmodellvereins DERA aus Berlin haben wiederholt am 3. Oktober A4-Modelle vom Areal des Prüfstands VII gestartet. Der 3. Oktober wurde als Termin ausgewählt, da am gleichen Tag des Jahres 1942 um 15:58 Uhr MEZ hier der erste erfolgreiche Flug einer A4 erfolgte. Diese A4 stürzte nach 296 Sekunden Flug ins Meer, erreichte zuvor eine Gipfelhöhe von 85 km Höhe und gilt damit als erstes Objekt, das in den Grenzbereich des Weltraumes eindrang bzw. als erstes vom Menschen geschaffenes Objekt im Weltraum (immer abhängig von der Definition, wo der Weltraum beginnt), weshalb der 3. Oktober 1942 als der „Geburtstag der Weltraumfahrt“ gilt.

Heute

Heute ist der Prüfstand VII in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf dem Peenemünder Haken ein Naturschutzgebiet. Die Anlagen werden durch den Museumsverein Peenemünde e. V. gepflegt. Der Prüfstand VII ist durch den Verein freigelegt worden und 2016 wurden durch deutsche und englische Museumsmitglieder umfangreiche geographische Vermessungen vorgenommen. In enger Zusammenarbeit entstand eine dreidimensionale Rekonstruktion des Teststandes. Der Verein erarbeitet auf der HVA Peenemünde unterschiedlichste Projekte zum Erhalt und zur Dokumentation.

Der Prüfstand VII ist Gegenstand des gleichnamigen Films von Robert Bramkamp von 2001, welcher in essayistischer Form den Mythos Rakete untersucht.

Siehe auch

Commons: Prüfstand VII – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Kurt H. Debus: Launching a Vision. (PDF; 3,2 MB) NASA
  2. Rainer Eisfeld: Mondsüchtig: Wernher von Braun und die Geburt der Raumfahrt aus dem Geist der Barbarei. Zu Klampen Verlag, Springe 2012, ISBN 978-3-86674-167-6, S. 95.
  3. Himmelfahrt auf Usedom. In: Der Spiegel. Nr. 22, 2001 (online).
  4. Massengrab an der Raketenrampe. Historiker Jens-Christian Wagner über Heinrich Lübkes Rolle beim Einsatz von KZ-Häftlingen in Peenemünde. In: Der Spiegel. Nr. 22, 2001, S. 218 (online).

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.