Polykarp von Smyrna
Polykarp von Smyrna (altgriechisch Πολύκαρπος ὁ Σμυρναῖος Polykarpos ho Smyrnaios, deutsch ‚Polykarp der Smyrner‘; * um 69; † um 155 in Smyrna) war im 2. Jahrhundert Bischof von Smyrna in Kleinasien (heute Izmir in der Türkei). Er wird zu den apostolischen Vätern gezählt.
Der Name Polykarp bedeutet: „der viel Frucht Bringende“. Polykarps Lebensdaten sind nicht genau gesichert. Der Überlieferung zufolge soll er zum Zeitpunkt seines Todes 86 Jahre alt gewesen sein. Wahrscheinlich wurde er im Jahr 155 von den Römern hingerichtet. Er wird auch „Zerstörer der heidnischen Götter“ genannt.
Apostolischer Vater und Bischof
Die kirchliche Tradition sieht Polykarp als einen apostolischen Vater, also jemanden, der die ursprünglichen Apostel aus der Zeit des Jesus von Nazaret noch persönlich kannte. Irenäus von Lyon überliefert, Polykarp sei durch den Apostel Johannes zum Bischof von Smyrna eingesetzt worden, die Schriften des Ignatius von Antiochien und des Papias von Hierapolis dagegen deuten auf Johannes den Presbyter hin. Die Annahme eines monarchischen Bischofsamtes bereits im 1. Jahrhundert widerspricht jedoch den Quellen – auch im 1. Clemensbrief finden sich nur Hinweise auf Älteste, aber kein Hinweis auf einen monarchischen Bischof.
Die Quellen
Die Apostolische Verfassung aus dem 4. Jahrhundert nennt einen Ariston als ersten, Strataeas, den Sohn des Lois, als zweiten und einen weiteren Ariston als dritten Bischof Smyrnas. Das Leben des Polykarp, eine Zusammenstellung älterer Schriften, Polykarp betreffend, aus dem 4. Jahrhundert, kennt Strataeas als ersten Bischof, nachdem Paulus in Smyrna war, dem Ariston gefolgt sei. Bucolus sei dann der Vorgänger des Polykarp gewesen.
Der Bericht des Irenäus
Irenäus von Lyon (* um 135; † um 200) schreibt in seiner Schrift Adversus haereses (2,22,5; 3,3,4) gegen die Gnostiker über Polykarp. Dieser sei vom Apostel Johannes kurz vor dessen Tode zur Regierungszeit Trajans (98-117) unterrichtet und zum Bischof von Smyrna eingesetzt worden. Irenäus bezeichnet sich selbst als einen Jünger Polykarps, welcher ihn in seiner Kindheit über die Apostel unterrichtet habe (Brief an Florinus, in Eusebs Kirchengeschichte 5,20,5-6 zitiert).
Tertullian (* 160; † um 225) nennt ebenfalls die Einsetzung Polykarps als Bischof von Smyrna durch den Apostel Johannes (Gegen die Häretiker, 32); sein Bericht basiert allerdings auf dem des Irenäus.
Berichte des Ignatius
Ignatius von Antiochien besuchte Kleinasien und Smyrna etwa zu jener Zeit, als Johannes dort nach Irenäus’ Bericht verstarb. In seinem Brief von Smyrna nach Ephesus erwähnt er in diesem Zusammenhang jedoch nur den schon lange verstorbenen Apostel Paulus, nicht aber den Apostel Johannes oder Polykarp. Polykarp selbst war Ignatius persönlich bekannt, wie aus dem Brief des Ignatius an Polykarp hervorgeht. Polykarp wird auch im Brief des Ignatius an die Magnesier und dem an die Epheser erwähnt.
Bericht des Papias
Irenäus (Adversus häreses 5,33,4) schreibt, dass Papias von Hierapolis ein Gefährte des Polykarp war. Ein Bericht des Papias selbst ist in Teilen in der Kirchengeschichte des Eusebius erhalten. Darin (3,39,4) unterscheidet Papias den Apostel Johannes und den Presbyter Johannes. Von ersterem wie auch anderen Aposteln schreibt er in der Vergangenheitsform; daher wird angenommen, dass zu jener Zeit keine Apostel mehr lebten. Johannes den Presbyter und einen Aristion kennt er dagegen in der Gegenwartsform; letzterer kann mit dem Bischof Smyrnas gleichen Namens identifiziert werden.
Märtyrertod
Als Bischof von Smyrna traf sich Polykarp im Jahr 155 in Rom mit Anicetus, dem Bischof von Rom, um Fragen zum Osterdatum zu klären. Die östliche Kirche feierte Ostern am jüdischen Pessachfest, egal auf welchen Wochentag dies fiel (Quartodezimaner). Die westliche Kirche feierte Ostern dagegen am ersten Sonntag nach dem Pessachfest. Der Osterfeststreit wurde damals nicht beigelegt; beide Seiten behielten ihre Praxis bei, brachen darüber aber nicht den kirchlichen Frieden.
Bei seiner Rückkehr wurde Polykarp verhaftet. Er stand zu seinem Glauben, und auf die Aufforderung des Prokonsuls Quadratus hin, das Christentum zu verleugnen, bot er diesem sogar noch einen Termin zur Unterweisung im christlichen Glauben an – falls er Interesse daran habe. Schließlich wurde er zur Volksbelustigung im Circus vorgeführt. Der Prokonsul weigerte sich, Polykarp von Tieren zerfleischen zu lassen, weil dieser Programmpunkt bereits beendet sei, aber er erlaubte, Polykarp zu verbrennen. Das Volk nahm dies umgehend in die Hand; inmitten der johlenden Menge wurde er 86-jährig auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Der Legende nach konnten die Flammen ihm nichts anhaben, ein Wohlgeruch stieg vom Scheiterhaufen auf. Schließlich musste man Polykarp mit einem Dolch erstechen.
Die näheren Umstände seines Todes erzählt das Martyrium des Polykarp aus dem 2. Jahrhundert, das von der Gemeinde in Smyrna an die in Philomelium adressiert ist. Das Martyrium des Polykarp erfreute sich in der frühen Kirche großer Beliebtheit und Verbreitung. Dieser Text ist als eine der wenigen meist als echt geltenden zeitgenössischen Beschreibungen (Augenzeugenbericht) einer Christenverfolgung des 2. Jahrhunderts auch historisch von Interesse. Allerdings sind in der neueren Forschung auch Zweifel an der Historizität des Martyriums geäußert worden.
Verehrung
Polykarp wird von der katholischen und orthodoxen Kirche als Märtyrer angesehen und als Heiliger anerkannt. Reliquien des Heiligen befinden sich auf dem Hochaltar der Kirche Sant’Ambrogio della Massima.[1]
Ihm geweiht sind etwa die Kirchen St-Polycarpe (Lyon), St-Polycarpe (Saint-Polycarpe), Frankreich bzw. San Policarpo (Rom).
Gedenktag
- Katholisch: 23. Februar (Gebotener Gedenktag im Calendarium Romanum Generale)
- Evangelisch: 23. Februar (Gedenktag im Evangelischen Namenkalender und im Lutheran Worship)
- Anglikanisch: 23. Februar (Gedenktag im Common Worship)
- Orthodox: 23. Februar
- Armenisch: 23. Februar
- Koptisch: 23. Februar
Schriften
Von Polykarp waren in der frühen Kirche eine Reihe von Briefen an Nachbargemeinden bekannt. Heute ist allerdings nur noch sein Brief an die Philipper erhalten, in dem er Bezug auf den Brief des Paulus an die Philipper nimmt und Paulus’ Bedeutung für die Kirche betont. Der Brief enthält die Darstellung der Lehre der Inkarnation und des Todes Christi (gegen die Irrlehre der Doketen). Weiter enthält der Brief allerlei Mahnungen zum rechten Glauben und christlichen Wandel und schärft Gehorsam gegen die Presbyter und Diakone ein. Auf seine Berufung zum Bischof durch Johannes oder dessen Bedeutung in Kleinasien nimmt er nicht Bezug. Dies mag eine Bevorzugung der paulinischen Theologie gegenüber der des Apostels oder Presbyters Johannes zeigen, oder auf die geringe Bedeutung der johanneischen Lehre in Kleinasien hinweisen.
Literatur
- Otto Zwierlein: Die Urfassungen der Martyria Policarpi et Pionii und das Corpus Polycarpianum. 2 Bände, De Gruyter, Berlin 2014, ISBN 978-3-11-037100-0 (Band 1: Editiones criticae, Band 2: Textgeschichte und Rekonstruktion).
- Gerd Buschmann (Übers. und Komm.): Das Martyrium des Polykarp. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 3-525-51681-9.
- Marco Frenschkowski: Polykarp, Bischof von Smyrna. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 7, Bautz, Herzberg 1994, ISBN 3-88309-048-4, Sp. 809–815.
- Werner Raupp: Polykarp von Smyrna. In: Werner Raupp: Werkbuch Kirchengeschichte. 52 Personen aus zwei Jahrtausenden. Giessen/Basel 1987, S. 103–106 und S. 26–27 (Quiz: Steckbrief).
- Walter Bauer: Die Briefe des Ignatius von Antiochia und der Polykarpbrief. , Mohr, Tübingen 1920.
Weblinks
- Literatur von und über Polykarp von Smyrna im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Polykarp an die Philipper (griechischer Text, englische Übersetzung und Materialien)
- Polykarp an die Philipper
- Martyrium des Polykarp (dt. Übers.)
- Polykarb auf Ökumenisches Heiligenlexikon
- Polykarp - Apostelschüler aus Kleinasien – Ein Beitrag des Kirchenhistorikers Prof. Dr. Rudolf Grulich (abgerufen am 21. Februar 2021)
Fußnoten
- Clemens Bombeck: Auch sie haben Rom geprägt. An den Gräbern der Heiligen und Seligen in der Ewigen Stadt. Schnell & Steiner, Regensburg 2004, ISBN 3-7954-1691-4, S. 24–25.