Philippe de Lorraine
Philippe de Lorraine (* 1643, getauft 6. Juni 1644; † 8. Dezember 1702 in Paris), genannt Chevalier de Lorraine, war ein französischer Adliger und Militär. Er war ein Günstling und Liebhaber von Monsieur, Philippe I. de Bourbon, duc d’Orléans, und Lieutenant-général.
Leben
Philippe de Lorraine war der zweite Sohn von Henri de Lorraine, comte d’Harcourt, und Marguerite Philippe du Cambout. Er war zunächst Malteserordensritter (ohne Profess), bekannt unter dem Namen Chevalier de Lorraine, und erhielt nacheinander als Kommendatarabt mehrere Abteien: Saint-Jean de Vignes, Saint-Benôit-sur-Loire (1680), La Trinité de Tiron (1672) und Saint-Père de Chartres.
Der Offizier
Er diente als Freiwilliger in der Italien-Armee, wo er 1658 bei den Belagerungen von Trino und Mortara sowie bei der Rettung von Valence eingesetzt wurde. Als Fähnrich der Oberstkompanie des Regiments Harcourt ging er 1664 als Freiwilliger unter dem Befehl des Comte de Coligny nach Ungarn und kämpfte am 1. August in der Schlacht bei Mogersdorf an der Raab.[1] Nach dem Rücktritt seines Vaters, des Grafen von Harcourt, wurde er am 10. November 1665 Oberst des Regiments Harcourt. Er diente als Freiwilliger in der Flotte der Holländer und kämpfte am 5. August 1666 in einer Seeschlacht gegen die Engländer.
Im Devolutionskrieg (1667/68) führte er sein Regiment 1667 bei der Belagerung von Bergues, wo er an der Spitze von 200 Mann die Demi-lune angriff und eroberte. Danach diente er bei den Belagerungen von Tournai, Douai (Juli 1667), Oudenaarde und Lille und wurde bei der letztgenannten Belagerung am 24. August verwundet. Er wurde am 27. März 1668 zum Maréchal de camp ernannt und ab 30. März 1668 in der Armee zugewiesen, die unter dem Herzog von Orléans in den Niederlanden agieren sollte, was aber nicht mehr geschah, da mit dem Frieden von Aachen im Mai 1668 der Krieg beendet wurde.
Sein Regiment, das bei der Belagerung von Candia (Frühjahr 1666 bis August 1669) vernichtet worden war, wurde 1672 aufgelöst. Während des Holländischen Kriegs (seit 1667) diente der Chevalier de Lorraine im selben Jahr 1672 unter dem Befehl des Königs und war bei allen Operationen des Feldzugs dabei, er kämpfte bei der Belagerung von Orsoy und bei der Belagerung von Zutphen. Im Juni 1673 diente er bei der Belagerung von Maastricht. 1674 nahm er an der Eroberung der Freigrafschaft Burgund teil, wurde bei der Belagerung von Besançon durch einen Musketenschuss verwundet und in der Nacht des 6. Juni an der Belagerung von Dole. Er kämpfte im selben Jahr in der Schlacht bei Seneffe (11. August 1674), wurde 1677 in der Schlacht bei Cassel (11. April) verwundet und diente im selben Jahr bei der Belagerung von Saint-Omer.
Während des Pfälzischen Erbfolgekriegs (1688–1697) wurde er am 1. Januar zum Ritter im Orden vom Heiligen Geist ernannt, gleichzeitig nahm er den Namen Prince de Lorraine an. Er begleitete den König 1691 bei der Belagerung von Mons und 1692 bei der von Namur. Danach war er militärisch nicht mehr aktiv.
Der Höfling
Man sagte ihm nach, er sei schön wie ein Engel, aber bar jeglichen moralischen Empfindens gewesen.[2] Er war seit 1665 der Geliebte von Monsieur, des Bruders des (drei Jahre älteren) Königs, und wurde von diesem in Paris im Palais Royal untergebracht. Aufgrund seines Status geriet er häufig mit den Ehefrauen von Monsieur aneinander und intrigierte sowohl gegen Henriette von England als auch gegen die Princesse Palatine, um das Prinzenpaar in Unruhe zu versetzen und Monsieur daran zu hindern, seinen Ehefrauen irgendein Vertrauen entgegenzubringen.
Auf Wunsch von Monsieurs erster Frau, Henriette von England, wurde er nach Rom verbannt, als er verdächtigt wurde, sie mit Hilfe eines anderen Favoriten von Monsieur, dem Marquis d’Effiat, vergiften zu wollen (1670). Monsieur stimmte seiner zweiten Ehe nur gegen die Begnadigung seines Günstlings und dessen Rückkehr an den Hof zu. Philippe de Lorraine wurde er auch in den Mord an einem jungen Waffelhändler verwickelt, der sich nicht von seiner Clique missbrauchen lassen wollte.
Er provozierte den Zorn des Königs Ludwig XIV., indem er dessen noch sehr jungen Sohn Louis de Bourbon, Graf von Vermandois, und mindestens einen Prinzen von Geblüt „einweihte“ (1682),[3] aber der König nutzte seinen Einfluss auch, um den Herzog von Orléans dazu zu bringen, der Heirat seines ältesten Sohnes Philippe mit Mademoiselle de Blois, einem königlichen Bastard, zuzustimmen (1692).
Obwohl der Herzog von Orléans – wie es scheint – wirklich in Philippe de Lorraine verliebt war, wurde die Liebe nicht erwidert, und der Prinz wurde wahrscheinlich während ihrer gesamten Beziehung von dem Chevalier manipuliert.
Philippe de Lorraine hatte auch Mätressen, darunter eine (siehe unten), die ein Kind von ihm hatte, und die Fürstin von Monaco. Laut Saint-Simon soll er heimlich seine Cousine Beatrice-Hiéronyme de Lorraine, genannt Mademoiselle de Lillebonne, geheiratet haben.[4]
Am Ende seines Lebens hatte Philippe de Lorraine einen Großteil des Mobiliars in seiner Wohnung im Palais Royal und in seinem Landsitz, seine vier Abteien und all das Geld, das er (mehr oder weniger mit Erlaubnis) aus der Staatskasse erhalten hatte, durch Glücksspiel und Ausplünderung durch seine eigenen Günstlinge verloren. Drei oder vier Jahre vor dem Tod von Monsieur schloss er Frieden mit Madame. Er selbst starb ein Jahr später, am 8. Dezember 1702 in Paris an einem Schlaganfall, während er einigen Damen von seinen Ausschweifungen der vergangenen Nacht erzählte. Er wurde 59 Jahre alt.
Nachkommen
Philippe de Lorraine hatte aus seiner Verbindung mit Claude de Souches (oder de Fiennes) einen Sohn, Alexandre de Lorraine, genannt de Beauvernois († vor 1725), der mit Eva Antoinette von Offen, Tochter von Jobst Moritz von Offen, kurhannoverscher Generalleutnant, und Anna Sabina von Schilder verheiratet war. Diese hatten zwei Kinder:
- Friederike Wilhelmine (* 13. Oktober 1702 in Celle; † 18. Dezember 1751 in Hannover); ⚭ 11. Dezember 1731 in Hannover Graf Friedrich Ulrich von Oeynhausen († Hannover 5. April 1776) – die Eltern von Graf Georg Ludwig von Oeynhausen (1734–1811)
- Sophie Friederike (* 1708; † 17. Dezember 1730); ⚭ 15. August 1725 in Ottensen Georg Ludwig Graf von Platen-Hallermund, Herr zu Weißenhaus etc., kurzhannoverscher Generalerbpostmeister und Generalleutnant († 18. August 1772) – keine Nachkommen
Literatur
- Jean-Baptiste-Pierre Jullien de Courcelles, Dictionnaire historique et biographique des généraux français, Band 7, S. 263f
- Dirk Van der Cruysse, Madame Palatine, princesse européenne, Paris, Fayard, 1988, ISBN 2-213-02200-3
- Georges Poull, La Maison ducale de Lorraine, 1991
- Detlev Schwennicke, Europäische Stammtafeln, Band 1.2, 1999, Tafel 211 und 213
- Didier Godard, Le Goût de Monsieur. L’homosexualité masculine au XVIIe siècle, Montblanc, H & O, 2002.
Weblinks
- Étienne Pattou, Maison de Lorraine-Guise, S. 18 (online, abgerufen am 15. September 2022)
Anmerkungen
- Pattou; Courcelles nennt den 1. April 1664
- Philippe Erlanger, Monsieur, frère de Louis XIV, Perrin, 1970, S. 96–102.
- Le commencement du mois de juin fut signalé par l’exil d’un grand nombre de personnes considérables accusées de débauches ultramontaines [homosexuelles]; le Roi ne les chassa pas de la cour tous à la fois, mais il exila d’abord M. le prince de La Roche-sur-Yon, qu’il envoya à Chantilly auprès de Monsieur le Prince, son oncle; puis M. de Turenne (…). Tous ces jeunes gens avaient poussé leurs débauches dans des excès horribles, et la cour était devenue une petite Sodome. Ils y avaient même fortement engagés le comte de Vermandois, amiral de France, fils naturel du Roi et de Mme la duchesse de La Vallière, lequel n’avait que quatorze ans, et ce fut ce qui les perdit, car ce prince, étant pressé par le Roi, les dénonça tous, Duc de Saint-Simon, Mémoires, Gallimard, Édition de la Pléiade, Band 1, S. 110f und Fußnote 5 ("Der Anfang des Monats Juni war gekennzeichnet durch die Verbannung einer großen Anzahl bedeutender Personen, die ultramontaner [homosexueller] Ausschweifungen beschuldigt wurden; der König vertrieb sie nicht alle auf einmal vom Hof, sondern verbannte zuerst M. le prince de La Roche-sur-Yon, den er nach Chantilly zu seinem Onkel, M. le Prince, schickte, und dann M. de Turenne (...). All diese jungen Männer hatten ihre Ausschweifungen zu schrecklichen Exzessen getrieben, und der Hof war zu einem kleinen Sodom geworden. Sie hatten sogar den Grafen von Vermandois, Admiral von Frankreich, den natürlichen Sohn des Königs und der Herzogin von La Vallière, der erst vierzehn Jahre alt war, stark darin verwickelt, und das war es, was ihnen zum Verhängnis wurde, denn dieser Prinz, der vom König unter Druck gesetzt wurde, zeigte sie alle an.")
- … conduite par le chevalier de Lorraine, avec lequel elle était si anciennement et si étroitement unie qu’on les croyait secrètement mariés, in: Mémoires complets et authentiques du duc de Saint-Simon sur le siècle de Louis XIV et la Régence, Édition Adolphe Chéruel, Paris, Hachette, 1856–1858, Band 3, S. 196 ("... geführt vom Chevalier de Lorraine, mit dem sie so lange und so eng verbunden war, dass man glaubte, sie seien heimlich verheiratet.")