Phenylendiamine

Die Phenylendiamine (auch Diaminobenzole; Abk. PPD oder PDA) sind chemische Verbindungen aus der Gruppe der aromatischen Amine und wichtige Ausgangsstoffe für viele organische Verbindungen. Sie bestehen aus einem Benzolring mit zwei Aminogruppen (–NH2). Durch unterschiedliche Anordnung dieser Gruppen ergeben sich drei Konstitutionsisomere: 1,2-Phenylendiamin (ortho-Phenylendiamin), 1,3-Phenylendiamin (meta-Phenylendiamin) und 1,4-Phenylendiamin (para-Phenylendiamin).

Phenylendiamine
Name o-Phenylendiaminm-Phenylendiaminp-Phenylendiamin
Andere Namen 1,2-Diaminobenzol
0
1,3-Diaminobenzol
0
1,4-Diaminobenzol,
C.I. 76060
Strukturformel Struktur von O-Phenylendiamin Struktur von M-Phenylendiamin Struktur von P-Phenylendiamin
CAS-Nummer 95-54-5108-45-2106-50-3
ECHA-InfoCard 100.002.210100.003.259100.003.096
PubChem 724379357814
Summenformel C6H8N2
Molare Masse 108,14 g·mol−1
Aggregatzustand fest
Kurzbeschreibung farblose bis schwach rote Kristalle
Schmelzpunkt 102,1 °C[1] 63 °C[2] 140 °C[3]
Siedepunkt 257 °C[1] 284 °C[2] 267 °C[3]
pKs1-Wert[4]
(der konjugierten
Säure BH+)
4,744,986,2
pKs2-Wert[4]
(der konjugierten
Säure BH+)
0,62,412,67
Löslichkeit 54 g·l−1 (20 °C)[1]429 g·l−1 (20 °C)[2]40 g·l−1 (24 °C)[3]
mäßig bis gut löslich in Wasser, gut in organischen Lösungsmitteln
GHS-
Kennzeichnung
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol
Gefahr[1][2]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol
Gefahr[3]
H- und P-Sätze 301312+332317
319341351410
301+311+331317
319341410
301311331
319317410
keine EUH-Sätze keine EUH-Sätze keine EUH-Sätze
273280302+352
305+351+338308+310
261273280301+310
305+351+338311
280273304+340302+352
305+351+338309+310
MAK Schweiz: 0,1 mg·m−3 (gemessen als einatembarer Staub)[5]
Toxizität 720–1600 mg·kg−1
0 (LD50, Ratte, oral)[6]
280 mg·kg−1
0 (LD50, Ratte, oral)[2]
80 mg·kg−1
0 (LD50, Kaninchen, transdermal)[3]

Gewinnung und Darstellung

Die Phenylendiamine werden durch Reduktion der Nitroaniline mit Wasserstoff in Toluol als Lösungsmittel in Gegenwart eines Katalysators hergestellt und durch Destillation gereinigt. Reduktion von m-Dinitrobenzols mit Fe/HCl führt zu m-Phenylendiamin.[7]

Eigenschaften

Die Phenylendiamine bilden farblose bis schwach rote Kristalle, die an der Luft schnell oxidieren und sich dabei braun färben (o-Phenylendiamin: Bildung von o-Chinondiimin und weiter 2,3-Diaminophenazin). Daher werden häufig die stabilen Dihydrochloride der Verbindungen eingesetzt. o-Phenylendiamin kondensiert mit Ketonen und Aldehyden zu Schiff’schen Basen. Diese Reaktion erlaubt die Synthese substituierter Benzimidazole. Chinoxalindion kann durch Kondensation von o-Phenylendiamin mit Dimethyloxalat hergestellt werden.

Die Phenylendiamine sind kristalline Feststoffe. Ihre Schmelzpunkte unterscheiden sich deutlich. p-Phenylendiamin, das die höchste Symmetrie aufweist, besitzt den höchsten Schmelzpunkt.

Wasser ist als Lösungsmittel wenig geeignet. In vielen organischen Lösungsmitteln lösen sie sich dagegen gut.

Verwendung

o-Phenylendiamin wird als Ausgangsstoff oder Zwischenprodukt für die Synthese heterocyclischer Verbindungen, insbesondere von Benzotriazol und Phenazin verwendet. Weiterhin wird o-Phenylendiamin verwendet bei der Herstellung

  • von Benzotriazolen, die zur Herstellung von Kunststoffen und Photochemikalien, sowie als Korrosionsinhibitoren für Kupfer eingesetzt werden
  • von Pflanzenschutzmitteln (z. B. als Benzimidazol, Phenylendiamin-Thioharnstoffcarbamat und Chinoxalin), Farbstoffen und Pigmenten
  • von Benzimidazolderivaten für UV-Absorber bei Kosmetika, thermostabilen Polymeren und Pharmazeutika (bei veterinär verwendeten Viruziden und Anthelmintika)
  • von 2-Mercaptobenzimidazol (Gummi-Antioxidans)
  • von Haarfarben
  • als Substrat im ELISA-Reagenz in biotechnologischen Laboratorien
Reaktionen von o-Phenylendiamin

Die Kunststoffindustrie produziert p-Phenylendiamin in großen Mengen für die Herstellung aromatischer Polyamide. Es ist dort zusammen mit Terephthalsäure wesentlicher Bestandteil der Aramide. p-Phenylendiamin fällt bei der Herstellung von Azofarbstoffen als Zwischenprodukt an. Die Synthesewege einiger Pharmazeutika und Photochemikalien verlaufen ebenso oft über diese Verbindung. Aufgrund seiner färbenden Eigenschaften finden p-Phenylendiamin und einige seiner Derivate (zum Beispiel 2-Nitro-p-phenylendiamin) in Kosmetika Verwendung (insbesondere für Haarfärbemittel, diese Verwendung wurde 1888 von Ernst Erdmann entdeckt). Vermutlich beruhen viele allergische Reaktionen bei Friseuren auf dem Kontakt mit diesem Farbstoff.[8][9] In einigen fotografischen Entwicklern ist die alkalische Lösung von p-Phenylendiamin aktive Komponente.

Sicherheitshinweise

o-Phenylendiamin ist als krebserzeugend nach Kategorie 2 und als hautsensibilisierend eingestuft.[1] p-Phenylendiamin wird zu den Allergenen gezählt, da es bei Hautkontakt zu Reizungen und zur Sensibilisierung führen kann. Ferner wird diese Chemikalie in einigen Urlaubsorten auch zur Farbintensivierung und zum „Schwärzen“ von rotbraunen Henna-Tattoos verwendet.

o- und m-Phenylendiamin führen zur Bildung von Methämoglobin und dadurch zum Zerfall von roten Blutkörperchen, Leber- und Nierenschäden können die Folge sein. Die Substanz kann als Staub über die Atemwege, die Augen und über die Haut aufgenommen werden.[10]

Einzelnachweise

  1. Eintrag zu o-Phenylendiamin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 27. Dezember 2019. (JavaScript erforderlich)
  2. Eintrag zu m-Phenylendiamin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 27. Dezember 2019. (JavaScript erforderlich)
  3. Eintrag zu p-Phenylendiamin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 27. Dezember 2019. (JavaScript erforderlich)
  4. CRC Handbook of Tables for Organic Compound Identification, Third Edition, 1984, ISBN 0-8493-0303-6.
  5. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach Phenylendiamin), abgerufen am 25. November 2019.
  6. Datenblatt bei der Bundesagentur für Umweltschutz.
  7. Hans Beyer und Wolfgang Walter: Lehrbuch der Organischen Chemie, 19. Auflage, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1981, ISBN 3-7776-0356-2, S. 536, 542.
  8. BAUA: Begründung zu 2-Nitro-p-phenylendiamin in TRGS 907, Ausgabe: Dezember 2011, Stand: Mai 2011, abgerufen am 5. Dezember 2021
  9. WELT.de/AFP: Kosmetik: Allergisch vom Haarfärbemittel. In: Welt Online. 2007, abgerufen am 5. Dezember 2021.
  10. Eintrag zu Phenylendiamine. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 12. April 2015.
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