Federgräser
Die Federgräser und Pfriemengräser (Stipa) sind eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Süßgräser (Poaceae). Die 100 bis 388 Arten sind fast weltweit verbreitet.
Federgräser | ||||||||||||
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Grauscheidiges Federgras (Stipa pennata) links; Haar-Pfriemengras (Stipa capillata) rechts | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Stipa | ||||||||||||
L. |
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Die Stipa-Arten sind vorwiegend ausdauernde, seltener einjährige krautige Pflanzen. Sie wachsen meist als horstbildende Gräser. Sie besitzen meist viele nichtblühende Halme, die außerhalb der Blattscheiden hochwachsen. Die Halme sind aufrecht, einfach oder unten verzweigt und meist mit zwei bis vier (ein bis acht) Knoten gegliedert.
Die wechselständig an den Halmen angeordneten Laubblätter sind in Blattscheide und -spreite gegliedert. Die Blattscheiden sind bis zum Grund offen. Das Blatthäutchen ist ein häutiger Saum. Die Blattspreiten sind gefaltet oder zusammengerollt, borstlich. An der Oberseite sind sie stark gerippt. In der Knospenlage sind die Laubblätter gefaltet.
Generative Merkmale
In einem ausgebreiteten bis zusammengezogenen, dichten bis lockeren, rispige Gesamtblütenstand stehen viele Blüten zusammen. Die Ährchen sind einblütig und seitlich zusammengedrückt, ein Achsenfortsatz über dem Blütchen fehlt. Zur Reife fallen die Blütchen aus den Hüllspelzen, die stehen bleiben, aus. Die Hüllspelzen sind drei- bis fünfnervig, selten einnervig, gleich oder ungleich. Häufig sind sie in eine Spitze ausgezogen und wesentlich länger als die Blüte ohne Granne. Sie sind häutig bis durchscheinend dünnhäutig. Die Deckspelze ist fünfnervig, derbhäutig, behaart und begrannt. Die Granne ist bis zu 50 cm lang, ein- bis zweifach gekniet und mit gedrehter, kahler bis behaarter Untergranne. Die Obergranne ist rau bis dicht federig (von daher der deutsche Trivialname). Die Vorspelze ist annähernd so lang wie die Deckspelze, dünnhäutig bis lederig. Es gibt drei, selten zwei Staubblätter. Der Fruchtknoten ist kahl und trägt zwei, selten drei endständige Griffel mit dicht federigen Narben.
Die Karyopse ist eng von Deck- und Vorspelze umgeben und bildet zusammen mit der an der Deckspelze sitzenden Bohrspitze die Ausbreitungseinheit (Diaspore). Die Bohrspitze oder Kallus sitzt am unteren Ende der Deckspelze und ist morphologisch ein Teil der Ährchenachse.[1] Sie ist dicht behaart, spitz bis stechend, nur selten abgerundet. Der Embryo ist ein Sechstel bis ein Drittel so lang wie die Frucht. Der Nabel ist strichförmig und erstreckt sich fast über die ganze Länge der Frucht.
Blüten- und Ausbreitungsökologie
In der Gattung kommen häufig kleistogame Blüten vor.
Die Früchte sind Bohrfrüchte: Die Untergranne ist trocken gedreht, bei Feuchtigkeit dreht sie sich auf. Dadurch richtet sich die ganze Ausbreitungseinheit durch den Knick in der Granne auf und bohrt sich so ins Erdreich. Die Haare des Kallus dienen als Widerlager.
Die Ausbreitung erfolgt bei den Arten mit behaarter Granne durch den Wind (Anemochorie), bei denen mit rauen Grannen durch Tiere (Epizoochorie).
Systematik und Verbreitung
Die Gattung Stipa wurde 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum, Tomus I, S. 78–79 aufgestellt. Als Lectotypusart wurde 1925 Stipa pennata L. durch Albert Spear Hitchcock in Contributions from the United States National Herbarium. Smithsonian Institution, Volume 24, Issue 7, S. 216 festgelegt.[2] Synonyme für Stipa L. sind: Orthoraphium Nees, Stupa Asch. orth. var.[3] Der Gattungsname Stipa leitet sich vom lateinischen stipa, stippa ab, dem Stab, der zum Abstützen von Amphoren dient; hierfür wurden unter anderem die Halme des Halfagrases (Stipa tenacissima) verwendet.
Die Gattung Stipa gehört zur Tribus Stipeae in der Unterfamilie Pooideae innerhalb der Familie Poaceae.[3] Auch die Arten der Gattung Achnatherum P.Beauv., Celtica F.M.Vazquez & Barkworth, Macrochloa Kunth, Ptilagrostis Griseb. und Trikeraia Bor werden manchmal in die Gattung Stipa s. l. gestellt.[3]
Die Gattung Stipa umfasst 100[4] bis 388[1] Arten, je nach der Auffassung ob Achnatherum, Celtica, Macrochloa, Ptilagrostis und Trikeraia enthalten sind oder nicht.[5]
In Mitteleuropa kommen die Arten Sand-Federgras (Stipa borysthenica Klokov ex Prokudin), Haar-Pfriemengras (Stipa capillata L.), Weichhaariges Federgras (Stipa dasyphylla (Czern. ex Lindem.) Trautv.), Wenighaariges Gelbscheiden-Federgras (Stipa epilosa Martinovský), Zierliches Federgras (Stipa eriocaulis Borbás), Echtes Federgras oder Grauscheiden-Federgras (Stipa pennata L.), Bayerisches Federgras (Stipa bavarica Martinovský & H.Scholz, manchmal als Unterart Stipa pulcherrima subsp. bavarica (Martinovský & H.Scholz) Conert verzeichnet), Gelbscheidiges Federgras (Stipa pulcherrima K.Koch), Steirisches Federgras (Stipa styriaca Martinovský, Syn.: Stipa pennata subsp. pennata), Rossschweif-Federgras (Stipa tirsa Steven).[6]
Arten der Gattung Stipa sind (Auswahl):
- Reiher-Federgras[7] (Stipa barbata Desf.): Es kommt vom Mittelmeergebiet bis zum westlichen Himalaja vor.[8]
- Bayerisches Federgras[7] (Stipa bavarica Martinovský & H.Scholz, Syn.: Stipa pulcherrima subsp. bavarica (Martinovský & H.Scholz) Conert): Dieser Endemit kommt nur in Neuburg an der Donau vor. Es wird von manchen Autoren auch als eigenständige Art angesehen.[8]
- Sand-Federgras[7] (Stipa borysthenica Klokov ex Prokudin): Sie ist von Mittel- und Südeuropa bis Zentralasien und zur Mongolei verbreitet. Sie wird von manchen Autoren als Unterart Stipa pennata subsp. sabulosa (Pacz.) Tzvelev angesehen.[8]
- Haar-Pfriemengras[7] (Stipa capillata L.): Sie ist von Europa über Vorderasien bis zum nördlichen China und zum Himalaja verbreitet.[8]
- Weichhaariges Federgras[7] (Stipa dasyphylla (Czern. ex Lindem.) Trautv.): Sie ist von Mitteleuropa bis Sibirien und bis zum Kaukasusraum verbreitet.[8]
- Wenighaariges Gelbscheiden-Federgras[7] (Stipa epilosa Martinovský)[1]. Sie kommt in Norditalien und in Südosteuropa vor. Sie wird von manchen Autoren auch als Synonym zu Stipa pulcherrima K.Koch gestellt.[8]
- Zierliches Federgras[7] (Stipa eriocaulis Borbás): Sie ist von Algerien, Süd-, Mittel- und Osteuropa verbreitet. Sie wird von manchen Autoren auch als Synonym von Stipa pennata subsp. pennata angesehen.[8]
- Stipa grandis P.A. Smirn.: Sie kommt von Sibirien bis zum nördlichen und östlichen China vor.[8]
- Stipa lessingiana Trin. & Rupr.: Sie kommt von Griechenland bis zum Iran und bis zur Mongolei vor.[8]
- Echtes Federgras[7] oder Grauscheiden-Federgras (Stipa pennata L.): Sie ist von Frankreich über Mittel-, Süd- und Osteuropa bis zum Iran, Zentralasien und Ostsibirien verbreitet.
- Gelbscheidiges Federgras[7] (Stipa pulcherrima K.Koch): Sie ist von Marokko und Algerien über Süd- und Mitteleuropa bis zum Kaukasusraum, Zentralasien und Westsibirien verbreitet.
- Glänzendes Raugras (Stipa splendens Trin.): Es kommt vom südlichen europäischen Russland bis China und zum Himalaja vor und ist in Europa sonst stellenweise eingebürgert.[8]
- Steirisches Federgras[7] (Stipa styriaca Martinovský): Dieser Endemit kommt nur in Steiermark und Kärnten vor. Sie wird von manchen Autoren auch als Synonym von Stipa pennata subsp. pennata angesehen.[8]
- Rossschweif-Federgras[7] (Stipa tirsa Steven): Sie ist von Europa (außer Nordeuropa) bis zum Kaukasusraum verbreitet.[8]
- Turkestanisches Federgras (Stipa turkestanica Hack.): Es kommt in zwei Unterarten und einer Varietät von Afghanistan bis Zentralasien und dem westlichen Himalaja vor.[8]
- Ukraine-Federgras[7] (Stipa ucrainica P.A.Smirn.): Es kommt von Nordmazedonien bis zur südlichen Ukraine und dem Kaukasusraum vor.[8]
Je nach Autor nicht mehr in die Gattung Stipa werden gestellt:[8]
- Stipa avenacea L. → Piptochaetium avenaceum (L.) Parodi[8]
- Kurzgranniges Pfriemengras[7] (Stipa bromoides (L.) Dörfl.) → Achnatherum bromoides (L.) P.Beauv.[8]
- Silber-Raugras[7] oder Silberährengras (Stipa calamagrostis (L.) Wahlenb. → Achnatherum calamagrostis (L.) P.Beauv.): Es kommt hauptsächlich an Felsen in den Gebirgen des südlichen Mitteleuropa und Süd- bis Südosteuropas vor.
- Stipa capensis Thunb. (Syn.: Stipa tortilis Desf.) => Stipellula capensis (Thunb.) Röser & Hamasha[8]
- Stipa elegantissima Labill. → Austrostipa elegantissima (Labill.) S.W.L.Jacobs & J.Everett[8]
- Riesen-Federgras[7] (Stipa gigantea Link) → Celtica gigantea (Link) F.M.Vázquez & Barkworth[8]
- Chinesisches Federgras[7] (Stipa pekinensis Hance) → Achnatherum pekinense (Hance) Ohwi[8]
- Halfagras[7] (Stipa tenacissima L. → Macrochloa tenacissima (L.) Kunth): Es kommt in Spanien, Portugal, auf den Balearen und in Nordafrika vor.[8]
- Stipa viridula Trin. → Nassella viridula (Trin.) Barkworth: Sie ist in Kanada und in den USA verbreitet.[8]
Bedeutung
In vielen Steppengebieten spielen Federgras-Arten als Futterpflanzen eine wichtige Rolle. Einige Arten werden als Zierpflanzen verwendet.
Quellen
Literatur
- Siegmund Seybold (Hrsg.): Schmeil-Fitschen interaktiv. CD-ROM, Version 1.1. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2002, ISBN 3-494-01327-6.
- Jan Otakar Martinovský: Stipa L. In: Thomas Gaskell Tutin, V. H. Heywood, N. A. Burges, D. M. Moore, D. H. Valentine, S. M. Walters, D. A. Webb (Hrsg.): Flora Europaea. Band 5: Alismataceae to Orchidaceae (Monocotyledones), Cambridge University Press, 1980, ISBN 0-521-20108-X. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
Einzelnachweise
- Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 3., verbesserte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9.
- Stipa bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis, abgerufen am 16. August 2013.
- Stipa im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 16. August 2013.
- Zhen-lan Wu, Sylvia M. Phillips: Stipa, S. 196 - textgleich online wie gedrucktes Werk, Wu Zheng-yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China, Volume 22 - Poaceae, Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis, 2006, ISBN 1-930723-50-4.
- Zhen-lan Wu, Sylvia M. Phillips: Stipeae, S. 188 - textgleich online wie gedrucktes Werk, Wu Zheng-yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China, Volume 22 - Poaceae, Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis, 2006, ISBN 1-930723-50-4.
- Siegmund Seybold (Hrsg.): Schmeil-Fitschen interaktiv (CD-Rom), Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2001/2002, ISBN 3-494-01327-6.
- Walter Erhardt, Erich Götz, Nils Bödeker, Siegmund Seybold: Der große Zander. Enzyklopädie der Pflanzennamen. Band 2. Arten und Sorten. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2008, ISBN 978-3-8001-5406-7.
- Datenblatt Stipa bei POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science.